+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizeistudentin P fragt sich, was es eigentlich mit dem Gefahrenbegriff auf sich hat. Sie will wissen, wann sie überhaupt zur Gefahrenabwehr berechtigt ist.

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Einordnung des Falls

Grundfall Gefahr

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr hat P einen Ermessensspielraum.

Nein!

Ein Ermessenspielraum der Verwaltung, der gemäß § 114 S. 1 VwGO gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar ist, besteht immer auf Rechtsfolgenebene. Das Vorliegen einer Gefahr gehört im Rahmen polizeirechtlicher Befugnisse bereits zum Tatbestand. Nur wenn tatbestandlich eine Gefahr vorliegt, ist – je nach Ermächtigungsgrundlage – das Ermessen der Behörde als Rechtsfolge eröffnet. P hat somit keinen Ermessenspielraum hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr. Unterscheide in Deiner polizeirechtlichen Klausur immer sauber zwischen Tatbestandsebene und Rechtsfolgenebene. Das Polizei- und Ordnungsrecht ist geprägt durch Ermessensspielräume auf Rechtsfolgenebene. Du erkennst dies durch Wörter wie „kann“ oder „darf“.
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2. Hinsichtlich des Vorliegens einer Gefahr hat P einen Beurteilungsspielraum.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Beurteilungsspielraum, also eine nur auf Beurteilungsfehler überprüfbare Anwendung des Gesetzestext, steht der Verwaltung nach der herrschenden normativen Ermächtigungslehre nur ausnahmsweise zu. Dies gilt umso mehr in grundrechtsrelevanten Bereichen. Hinsichtlich des tatbestandlichen Vorliegens einer Gefahr steht der Verwaltung kein Beurteilungsspielraum zu. Dies würde die gerichtliche Überprüfbarkeit vom Verwaltungs- und speziell vom Polizeihandeln erheblich einschränken. Hinsichtlich der Vorliegens einer Gefahr hat P somit keinen Beurteilungsspielraum. Die Voraussetzungen einer Gefahr sind gerichtlich (und damit auch gutachterlich) voll überprüfbar.

3. Die Polizeigesetze kennen nur einen Gefahrenbegriff.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Polizeigesetze kennen eine Vielzahl von Gefahrenbegriffen. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass verschiedene Maßnahmen typischerweise verschieden intensiv in die Grundrechte der Adressaten eingreifen. So bedarf etwa ein (Wohnungs-)Betretungsverbot zumeist einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (z.B. § 29a Abs. 1 S. 2 ASOG Bln, § 36 Abs. 3 S. 2 SOG LSA, § 34a Abs. 1 S. 1 PolG NRW). Zum Erlass einer in Grundrechte nur weniger intensiv eingreifende Platzverweisung genügt hingegen eine einfache Gefahr für irgendein polizeiliches Schutzgut (z.B. Art. 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bayPAG, § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW, § 31 Abs. 1 S. 1 HSOG). Die Polizeigesetze kennen eine Vielzahl von Gefahrenbegriffen.

4. Das Vorliegen einer Gefahr muss sich auf ein polizeiliches Schutzgut beziehen.

Ja!

Alleine das Vorliegen einer Gefahr stünde im luftleeren Raum, wenn es keinen Bezugspunkt hätte. Da die Gefahrenabwehr gerade der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dient, ist Bezugspunkt daher immer ein polizeiliches Schutzgut. Ist in einer Ermächtigungsgrundlage davon die Rede, dass eine Maßnahme „zur Gefahrenabwehr“ getroffen werden kann, so meint dies eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.
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