Beleidigung eines Kollektivs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Pazifist P stellt sich – während Passanten vorübergehen – vor ein Kasernentor und schreit: "Die Bundeswehr schult das Morden. Jeder Soldat ist ein Mörder."
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Einordnung des Falls
Beleidigung eines Kollektivs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. § 185 StGB setzt ein taugliches Tatobjekt, also die Beleidigungsfähigkeit des Betroffenen voraus.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Bundeswehr ist als Kollektiv beleidigungsfähig.
Ja, in der Tat!
3. T beleidigt auch die einzelnen Soldaten der Kaserne unter einer Kollektivbezeichnung.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
15.2.2021, 18:26:53
Ich habe gelesen, dass die Bundeswehr auch als Kollektiv nicht beleidigungsfähig ist, weil eben nicht genau ein bestimmte individualisiertere Person(engruppe) hier als Adressat gesehen werden kann. Stimmt das?
Speetzchen
16.2.2021, 23:04:55
Nach h.M ist die Bundeswehr (als Kollektiv) beleidigungsfähig. Da sie diese (1) eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Aufgabe erfüllt und (2) einen einheitlichen Willen durch den Verteidigungsminister (Art. 65a GG) bilden kann.
Simon
5.6.2021, 22:25:13
Meines Wissens sieht der BGH die Bundeswehr als beleidigungsfähiges Kollektiv an, s. BGH, Urt. v. 19.01.1989, 1 StR 641/88, NJW 1989, 1365, 1366 (Punkt 1 c).
Jose
11.8.2021, 18:21:15
Könnte der P wegen Meinungsfreiheit gerechtfertigt sein?
Lukas_Mengestu
29.11.2021, 13:32:41
Hallo Jose, die Meinungsfreiheit ist bereits bei der Auslegung der jeweiligen Äußerung zu berücksichtigen und hierbei sämtliche alternativen Deutungsmöglichkeiten abzuwägen. Vor diesem Hintergrund hatte das BVerfG in seiner berühmten Entscheidung "
Soldaten sind Mörder" (BVerfG NJW 1995, 3303; lesenswert ist hier auch das Sondervotum der Richterin Haas) in den dort verhandelten Fällen eine Beleidigung auch jeweils abgelehnt. Denn dort waren die Aussagen nicht gezielt gegen die Bundeswehr, sondern alle Soldaten der Welt gerichtet. Vorliegend ist die Aussage hier aber zielgerichtet gegen die Mitglieder der Bundeswehr als Kollektiv und nicht gegen alle Soldaten der Welt gerichtet. Da die Bezeichnung als Mörder jedenfalls eine tiefe Kränkung darstellt, ist in diesem Fall auch die Schwelle zur tatbestandlichen Beleidigung überschritten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team
Jopies
9.3.2022, 15:17:33
Es gibt aber auch sehr gewichtige Gegenargumente. So wird zum einen das Wort „Mörder“ im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unbedingt technisch verwendet, ferner halte ich es für verfehlt von der Angesprochenen Bundeswehr bei der es sich um ein Kollektiv handelt wieder zurück auf die Kaserne zu springen, er meinte ja gerade nicht diese Soldaten im Spezifischen, sondern die gesamte Bundeswehr. Des Weiteren handelt es sich auch um Machtkritik, nämlich den Einsatz staatlicher Mittel für Waffen gegenüber einer Bundeswehr die sich gerne als Hip und nur positiv darstellt.
Blotgrim
10.7.2022, 10:35:18
Also wir hatten in einem Beispiel mit einem Fußballspiel und einem ACAB-Banner gelernt, dass die einzelnen Polizisten nicht beleidigungsfähig sind, da nicht klar ist ob sich das Banner auf die Polizei im Stadion,in der Stadt, im Bundesland usw. bezieht. Für mich liegt hier bezüglich der Soldaten ähnlich. Ja er steht vor der Kaserne, aber seine Aussagen beziehen sich ja auf die gesamte Bundeswehr und nicht auf diese eine Kaserne. Nimmt man jetzt die gesamte Bundeswehr ist der Personenkreis etwas groß um eine Individualbeleidigung anzunehmen
Nora Mommsen
23.7.2022, 12:24:27
Hallo Blotgrim, auf den ersten Blick kann sich ein Störgefühl entwickeln. Tatsächlich liegt der Unterschied aber in genau der Tatsache, die du auch schon beschrieben hast. Wir haben nur eine Bundeswehr in Deutschland mit nur einem Dienstherren. Es gibt aber eine Vielzahl von Polizeiverbänden. In jedem Bundesland, dann zusätzlich die Bundespolizei, das BKA und so weiter. Daraus ergibt sich nach der Rechtsprechung der Unterschied, dass die Bundeswehr als
Kollektiv beleidigungsfähig ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
🔥1312🔥
23.3.2023, 19:37:01
Ich verstehe die Frage von Blotgrim nicht so, dass er die beleidigungsfähigkeit der Bundeswehr in Frage stellt, sondern ob die einzelnen Soldat*innen in der Kaserne tatsächlich hinreichend individualisiert wurden, da sich die Aussage ja auf die Bundeswehr als ganzes bezog und eben gerade nicht auf die Soldat*innen in der spezifischen Kaserne. Gerade mit Blick auf die Bedeutung von Art. 5 und der Tatsache, dass sonst eine (scharfe) Kritik an der Bundeswehr an den Orten, an denen die Bundeswehr nun mal ist, regelmäßig unmöglich gemacht würde, würde ich hier auch gegen eine Strafbarkeit argumentieren. Wenn ich mich nicht irre ging es bei der
Soldaten sind MörderEntscheidung u.a. Auch um einen Sachverhalt wo ein entsprechendes Plakat im räumlichen Kontext einer nato Übung aufgehangen wurde und es letztlich von Art. 5 geschützt wurde obwohl man mit der Argumentation die hier fall vertreten wird auch sagen könnte das bezog sich individualisiert auf die Soldaten der Übung.