Strafrecht

Strafprozessrecht

Das Erkenntnisverfahren

Terminsbestimmung / rechtliches Gehör

Terminsbestimmung / rechtliches Gehör

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Gericht legt den Termin zur Hauptverhandlung auf den ersten Tag des Laubhüttenfestes, einem hohen jüdischen Feiertag. Der jüdische Angeklagte J kann an diesem Tag aus religiösen Gründen nicht vor Gericht auftreten und sich zur Sache äußern.

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Einordnung des Falls

Terminsbestimmung / rechtliches Gehör

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bestimmung eines Termins ist Teil des Zwischenverfahrens.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem Eröffnungsbeschluss folgt das Hauptverfahren. Das Hauptverfahren unterteilt sich in die Vorbereitung der Hauptverhandlung (§§ 212 – 225a StPO) und die Durchführung der Hauptverhandlung (§§ 226 – 275 StPO). Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung gehört es insbesondere, (1) einen Termin zu bestimmen (§ 213 StPO), (2) die relevanten Personen zu laden (§§ 214ff. StPO), und (3) dem Angeklagten den Eröffnungsbeschluss zuzustellen (§ 215 StPO).
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2. Die Terminsbestimmung erfolgte hier rechtmäßig.

Nein!

Für die Hauptverhandlung muss ein Termin nach Datum, Uhrzeit und Ort anberaumt werden (§ 213 StPO). Die Bestimmung des Termins liegt im Ermessen des Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers, wobei zwischen der Ladungszustellung an den Angeklagten und dem Tag der Hauptverhandlung mindestens eine Woche liegen (§ 217 Abs. 1 StPO). Zu einer rechtmäßigen Ermessensausübung gehört auch die Beachtung von Rechten des Angeklagten. Hier führt die Terminierung dazu, dass sich der Angeklagte nicht zumutbar äußern kann. Sein Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird damit verletzt. Die Vorsitzende hat ihr Ermessen daher nicht rechtmäßig ausgeübt.

3. Die rechtswidrige Terminsbestimmung ist angreifbar.

Genau, so ist das!

Die Terminsbestimmung kann nach hM mit der Beschwerde angegriffen werden (§ 304 StPO). Dabei wird nur die Recht-, und nicht die Zweckmäßigkeit der Terminsbestimmung überprüft. Die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann auch in der Revision beachtlich sein und zur Aufhebung des Urteils führen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUR

Juri

18.1.2021, 20:15:42

Der Verstoß gegen Art. 103 I GG begründet sich also damit, dass der Termin am Laubhüttenfest ist und es unzumutbar ist (Religionsfreiheit?) an dem Tag vor Gericht zu erscheinen? Mir erschließt sich der Zusammenhang zur Wochenfrist nicht... 🤔🤷

Jana-Kristin

Jana-Kristin

4.3.2021, 15:43:56

Ich glaube, hier wurde die falsche Lösung eingefügt. Die Lösung bezieht sich auf eine zu kurze Ladungsfrist (217 I StPO). In dem Fall geht es aber darum, dass das Gericht bei der Terminsanberaumung nicht auf konfessionelle Verhältnisse Rücksicht genommen hat.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 11:00:11

Hallo ihr beiden, die Wochenfrist im Maßstab ist lediglich eine Leitplanke die das Gericht bei der Terminierung zu beachten hat (auf die es vorliegend aber nicht ankam). Die andere ist die, dass sichergestellt werden muss, dass die Rechte des Angeklagten gewahrt sind. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Den Verstoß sah der BGH dabei nicht in einer Verletzung der Religionsfreiheit, sondern in der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), da es gläubigen, orthodoxen Juden verboten ist an Feiertagen auszusagen. Dadurch konnte der Angeklagte von seinem Aussagerecht keinen Gebrauch machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FABY

Faby

28.5.2023, 12:50:23

Woher weiß der Vorsitzende die Religionszugehörigkeit des Angeklagten? Oder geht es dann immer darum, dass sich der Angeklagte mit der Beschwerde dagegen richtet und das Gericht erst dann von diesem Umstand erfährt und dann den Termin verlegt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.6.2023, 14:59:40

Hallo Faby, in dem zugrunde liegenden Fall hatte der Angeklagte durch seinen Verteidiger dies bereits zuvor dem Gericht mitgeteilt und hierzu auch entsprechende Belege seiner Heimatgemeinde eingereicht. In der Hauptverhandlung war er dann zwar anwesend, erklärte dort aber, er dürfe sich nicht zu der Sache äußern. Das Gericht hat also nicht erst in der Beschwerde von dem Sachverhalt erfahren. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team


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