Anwesenheitspflichten
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Gegen den Angeklagten A wird 30 Tage lang vor der großen Strafkammer verhandelt. Nach dem 10. Verhandlungstag scheidet die Beisitzerin R aus, weil sie bei Hengeler Meier das große Geld machen will. Sie wird durch eine andere erfahrene Richterin ersetzt. Außerdem schläft der müde Schöffe S am 20. Verhandlungstag für 40 Minuten ein. Staatsanwältin S wird nach 25 Tagen gegen Staatsanwalt Z ausgetauscht.
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Einordnung des Falls
Anwesenheitspflichten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Während der Hauptverhandlung herrschen Anwesenheitspflichten.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Richterin R konnte ersetzt werden.
Nein!
3. Schöffe S war durchgehend anwesend.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Staatsanwältin S konnte ausgetauscht werden.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
3.4.2022, 19:30:10
Wie genau Ergibt sich, ob eine Unaufmerksamkeit erheblich war? Wenn die selben 40 Minuten, Z. B. Während einer Sehr unbedeutende Zeit für das Urteil Vorlagen, gilt es dann immer noch als erheblich?
Lukas_Mengestu
4.4.2022, 13:38:57
Hallo Helena, die "Erheblichkeit" ist letztlich immer anhand des konkreten Einzelfalls zu bestimmen. In der Tat können hierbei sowohl der Zeitpunkt des Schlafes (zB während der Aufnahme der Personalien eher unerheblich, während der Zeugenaussagen eher erheblich ) als auch die Länge bedeutend sein. 40 min dürften indes regelmäßig auf jeden Fall ausreichen. Denn es ist nur schwer vorstellbar, dass in dieser Zeit nichts Relevantes passiert. Selbst wenn sich das Gericht letztlich nicht darauf stützt, was in dieser Zeit passiert (zB Angeklagte lügt das Blaue vom Himmel herunter), so muss das Geschehen überhaupt zur Kenntnis genommen worden sein, damit man es bewerten und ablehnen kann. Da letztlich auch nur das Inhalt des Urteils sein kann, was zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde, genügt auch nicht der Verweis auf die Akten. Dass der schlafende Schöffe kein theoretisches Problem ist, sondern durchaus regelmäßig Thema von Revisionsentscheidungen ist, zeigt auch ein Fall aus der jüngeren Zeit. Dort konnte letztlich allerdings nicht ermittelt werden, ob - und wenn ja wie lange - der Schöffe geschlafen hatte (vgl. BGH NStZ 2019, 106). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
4.4.2022, 15:23:25
Es kann in der Regel nie mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bei aktiver Wahrnehmung dieser Zeit eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.
FW
25.9.2024, 16:31:27
Woraus ergibt sich, dass das gerade nicht für den Staatsanwalt auch gilt? Er ist doch der Herr des Vorverfahrens und hat die Ermittlungen geleitet. Dementsprechend hat er ja auch die besten Kenntnis über Beweismittel, Tatsachen, Zeugen etc. Zwar ist alles protokolliert, aber das gilt ja auch hinsichtlich des Richters.
flari0n
11.11.2024, 19:17:36
Ich würde sagen, das ergibt sich direkt aus dem zitierten § 227 StPO. Im Übrigen ist nicht „der Staatsanwalt“, sondern „die Staatsanwaltschaft“ Herrin des Ermittlungsverfahrens, von der z.B. in § 152, § 160, § 161 und § 170 StPO ausdrücklich die Rede ist. Es kommt also nicht auf die Anwesenheit des Individuums, sondern auf die der Behörde bzw. ihrer Vertreter:innen an :)
vulpes iuris
12.10.2024, 21:45:22
Nutzte eine der Normverlinkungen und bekam prompt eine Hengeler-Stellenanzeige eingeblendet. Grüße gehen raus an die Beisitzerin R!
Wendelin Neubert
15.11.2024, 16:41:46
Witzige Information @[vulpes iuris](261497). Bislang gibt es ja bei uns noch keine Stellenanzeigen, aber neuerdings finden sich die eben bei dejure. Wie war das für Deine user experience? und wer ist die nette Beisitzerin R, wenn wir fragen dürfen? Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team