Strafrecht

Strafprozessrecht

Das Erkenntnisverfahren

Besetzungseinwand / Rügepräklusion

Besetzungseinwand / Rügepräklusion

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung wird dem Angeklagten A die Besetzung des Spruchkörpers ordnungsgemäß mitgeteilt. Die Besetzung ist aber fehlerhaft, weil sie auf einem fehlerhaften Geschäftsverteilungsplan beruht. A will zunächst das Urteil abwarten und – je nachdem wie es ausfällt – dagegen vorgehen.

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Einordnung des Falls

Besetzungseinwand / Rügepräklusion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Mitteilung der Gerichtsbesetzung gehört zum Hauptverfahren.

Ja, in der Tat!

Nach dem Eröffnungsbeschluss folgt das Hauptverfahren. Das Hauptverfahren unterteilt sich in die Vorbereitung der Hauptverhandlung (§§ 212 – 225a StPO) und die Durchführung der Hauptverhandlung (§§ 226 – 275 StPO). Dazu gehört es, dass spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts mitgeteilt werden muss (§ 222a StPO).
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2. A kann grundsätzlich die fehlerhafte Gerichtsbesetzung rügen.

Ja!

Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verlangt eine vorherige Festlegung der Richter und Schöffen in einem rechtmäßigen Geschäftsverteilungsplan. Ein Verstoß hiergegen stellt einen absoluten Revisionsgrund dar, der das Urteil im Zuge einer zulässigen Revision zu Fall bringt (§§ 338 Nr. 1, 353 StPO). Die vorschriftswidrige Besetzung kann gerügt werden (§ 222b StPO, Besetzungseinwand). Zweck der §§ 222a, 222b StPO ist es, den unnützen Aufwand und die erhebliche Verfahrensverzögerung zu vermeiden, die entstehen, wenn das Revisionsgericht wegen eines Besetzungsfehlers ein Urteil aufheben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückverweisen muss. A kann rügen (§ 222b StPO).

3. A kann die fehlerhafte Besetzung auch noch nach Ergehen des Urteils rügen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rügemöglichkeit ist beschränkt (Rügepräklusion). Wurde die Besetzung des Gerichts mindestens eine Woche vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt, kann sie nur noch bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung gerügt werden (§§ 222b Abs. 1 S. 1, 338 Nr. 1 Hs. 2 StPO). Ist sie später als eine Woche vor dem Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, so hat der Angeklagte ein Recht auf Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 222a Abs. 2 StPO), und zwar so lange, dass insgesamt eine Woche zur Verfügung steht. A muss die Spruchkörperbesetzung bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache rügen. Wartet sie stattdessen das Urteil ab, so verliert sie ihre Rügemöglichkeit.Die Norm ist nur in erstinstanzliche Verfahren vor dem LG und OLG nicht dagegen vor dem Amtsgericht, vor dem Landgericht in zweiter Instanz und vor dem Bundesgerichtshof.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TJU

Tr(u)mpeltier junior

8.1.2021, 09:55:12

Hier wäre ggfs noch der Hinweis wichtig, dass sich §222a Abs 1 nur auf Verhandlungen vor dem LG oder OLG bezieht. Bei fehlerhafter Besetzung der Schöffen am AG gibt es insofern meines Wissens nach keine

Rügepräklusion

.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 15:33:02

Danke Dir, das haben wir nun ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

flari0n

flari0n

22.4.2024, 12:11:56

Mir erschließt sich nicht wirklich, woraus sich ergeben soll, dass die Besetzungsrüge bis zum Beginn der Vernehmung der Angeklagten erhoben werden kann. § 222b Abs. 1 S. 1 StPO ordnet doch ziemlich eindeutig eine Wochenfrist ab Zustellung der Besetzungsmitteilung an. Wenn die jetzt schon vor dem Beginn der ersten Vernehmung abgelaufen ist, dürfte eine Besetzungsrüge nicht mehr zulässig sein, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

22.4.2024, 17:18:21

Hallo flari0n, danke für deine Frage! Das kann sich dir auch unmöglich erschließen. Das Gesetz wurde umformuliert, in § 222b a.F. hieß es "Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden." Es hat eine Neuregelung stattgefunden, sodass mittlerweile ein "härterer Maßstab" anzulegen ist, auch wenn man in der Kommentarliteratur vereinzelt noch die alte Frist findet. Ist die Frist früher als eine Woche vor Beginn der Vernehmung abgelaufen, ist eine Besetzungsrüge daher nicht mehr zulässig und auch der entsprechende Revisionsgrund aus § 338 StPO

präkludiert

. Wir überarbeiten die Aufgabe! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

flari0n

flari0n

22.4.2024, 18:47:48

Ich verstehe, danke für die besonders schnelle Antwort! :)


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