Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Geschäftsfähigkeit
Geschäftsunfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 1 BGB)
Geschäftsunfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 1 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Chemikerin C ist aufgrund akuter schizophrener Psychose geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB). Sie steht unter Betreuung des B. Arbeitgeber A will ihr ordentlich kündigen. Er übergibt C persönlich die an sie adressierte Kündigung.
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Einordnung des Falls
Geschäftsunfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 1 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kündigung wird in dem Moment wirksam, in dem A sie der C übergibt.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die an C gerichtete Kündigung wird wirksam, wenn C sie an ihren Betreuer B weiterleitet.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Wenn C die Kündigung an B weiterleitet und B tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist die Kündigung wirksam geworden
Nein!
4. Die Kündigung wird wirksam, wenn A sie willentlich in Richtung des B entäußert und sie so in Bs Machtbereich gelangt, dass B Kenntnis nehmen kann und unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
12.4.2022, 09:09:45
Ist es in solchen Fällen von Bedeutung, ob der Erklärende Kenntnis von der Geschäftsunfähigkeit bzw. von den Umständen, die ebendiese begründen, hatte?
Lukas_Mengestu
13.4.2022, 18:32:16
Hallo QuiGonTim, die Kenntnis des Erklärenden dürfte letztlich nicht maßgeblich sein. Denn weder der Wortlaut der Norm (§ 131 Abs. 1 BGB) enthält eine diesbezügliche Einschränkung, noch entspräche es dem
Schutzzweck der Norm(Schutz des Geschäftsunfähigen) den Schutz von der Kenntnis des Erklärenden abhängig zu machen. Im Kommentar habe ich hierzu allerdings nichts gefunden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Onur
26.2.2024, 03:45:44
Wie würde der erklärende kündigen wenn er niemals von der Geschäftsunfähigkeit der C erfährt und nicht von der Existenz des B Bescheid weiß und dementsprechend davon ausgeht, dass C fristgerecht gekündigt ist?
Blotgrim
2.3.2024, 09:09:09
Es würde ja spätestens dann deutlich werden, wenn C nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht ausgezogen ist. Dann würde A vermutlich klagen und dann würde es aufgedeckt und dann müsste A gegenüber dem B kündigen. Das ist aber das Risiko des A. Er hat das Risiko zu tragen dass seine Erklärung die richtige Person erreicht. Es wäre ja zum Beispiel auch sein Risiko wenn er die C als Botin einsetzt.
Isabelle.Sophie
6.11.2023, 10:21:31
Hätte A die C als Erklärungsbotin einsetzen können?
Nora Mommsen
7.11.2023, 11:06:04
Hallo Isabelle.Sophie, danke für deine Frage! Das ist möglich. Diese Konstellation wird in der letzten Frage dargestellt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
deliaco
12.1.2024, 03:15:44
Sind die Erläuterungen bzgl. des Zuganges hier nicht etwas ungenau? Die Definition des Zugangs lautet weitläufig: Ein wirksamer Zugang liegt vor, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Die Definition der Abgabe lautet weitläufig: Eine wirksame Abgabe liegt vor, wenn sie mit Willen des Erklärenden derart in Richtung auf den Empfänger in Bewegung gesetzt wird, dass unter normalen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann. Hier wurde die Definition der Abgabe in Bezug auf den Zugang genutzt. Wie könnte man das etwas eleganter schreiben, um die Gefahr zu vermeiden, dass der Korrektor die Vermischung der beiden Begriffe als Mangel ansieht? Oder wird die Formulierung, die ihr in der Lösung verwendet so oder so ähnlich auch von der Rspr./Literatur verwendet?
deliaco
12.1.2024, 03:23:36
Verwirrend wird v.a. folgender Satz: "§ 1
31 BGBbezieht zwar dem Wortlaut nach die Abgabe der WE nur auf den Geschäftsunfähigen. Nach Systematik sowie Sinn und Zweck soll § 1
31 BGBaber kein von
§ 130 BGBabweichender Zugangsbegriff zugrunde liegen." Hier wird zunächst richtigerweise auf die Abgabe abgestellt, aber dann ein Gegenargument mit dem ZUGANGSbegriff geführt.
Timurso
12.1.2024, 10:32:26
Finde ich nicht widersprüchlich oder ungenau. Die Abgabe ist nach meinem Verständnis ein Teil bzw. eine Voraussetzung des Zugangs. Insofern kann man auch behaupten, dass eine andere Auslegung der Abgabe zu einem anderen Zugangsbegriff führen würde.
Leo Lee
20.1.2024, 09:46:43
Hallo JCF, vielen Dank für dein Feedback! Zu den Kommas im letzten Satz des Sachverhalts: In der Tat könnten sie auf den ersten Blick als überflüssig rüberkommen. Wir haben uns allerdings hierfür entschieden, damit wir die Information, die in der Tat wichtig ist (denn die Kündigung muss eben an den BETREUER adressiert sein), als Nebensatz einschieben können und bitten insoweit um dein Verständnis und Nachsicht :). Die Anmerkung zum Satz mit der Willenserklärung mit Wirkung…ist völlig zutreffend, weshalb wir den Fehler nun korrigiert haben. Wir danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und würden uns riesig freuen, wenn du auch künftig Feedback zu Grammatikfehlern geben würdest :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Kind als Schaden
8.4.2024, 16:30:50
Es wäre schön, wenn sich der Gesetzgeber dazu durchringen würde, in § 131 I 1 hineinzuschreiben, dass die Erklärung auch an den Vertreter gerichtet sein muss. Mit der aktuellen Gesetzesfassung ist dieser Fall ohne den "Spezial-§ 131-Fantasie-Zugangsbegriff" des BAG schlicht nicht lösbar.
Timurso
8.4.2024, 19:41:59
Das BAG ist leider bekannt für seine Lösungen vorbei am eindeutigen Gesetzeswortlaut. Wäre auch eine gute Frage, ob der BGH das anders sieht.
Lilyphant
20.7.2024, 11:38:51
Mich verwirrt ein wenig die Lösung zum vorherigen Fall: Dem Kind ist das Angebot gemacht worden, den Hund zu verkaufen, welches mit Zugang bei den Eltern wirksam werden würde. Bei der Kündigung hier ist aber erforderlich, dass diese an den gesetzlichen Vertreter gerichtet war, damit sie mit den Zugang bei ihm wirksam wird. Gilt das nur für spezifisch für das Arbeitsrecht oder verstehe ich den Unterschied nicht?
Leo Lee
21.7.2024, 09:57:08
Hallo Lilyphant, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man sich die Frage nach dem Unterscheid zum vorigen Fall stellen. Beachte allerdings, dass es im vorliegenden Fall um eine geschäftsUNFÄHIGE Person geht, während beim vorigen Fall eine 16-Jährige – also eine BESCHRÄNKT geschäftsfähige Person – betroffen war. Darin dürfte der Unterscheid in der – sonst eigentlich vom Wortlaut des 131 her nicht mal so verschiedenen – Bewertung liegen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
wooclstock
2.9.2024, 08:53:55
Ich denke das dürfte die Verwirrung nicht lösen, da es doch im vorherigen Fall um eine Fünfjährige und damit ebenfalls Geschäftsunfähige ging!? Ich würde es mir aber so erklären: In der dortigen Lösung wird nur gesagt, dass die Willenserklärung erst mit Zugang (nicht aber bloße Weiterleitung) bei den Eltern wirksam wird, ohne näher auf den Zugangsbegriff und dessen Voraussetzungen einzugehen. Zu diesen gehört aber nach den Ausführungen dieses Falls hier auch die Adressierung an den gesetzlichen Vertreter. Für einen wirksamen Zugang im Sinne der vorherigen Lösung müsste also vermutlich auch die Hundeverkäuferin ihr Angebot an die Eltern der Fünfjährigen richten. Eine bloße Weiterleitung durch die Fünfjährige selbst dürfte nicht reichen.
YI
29.8.2024, 09:18:27
Wenn A laut Lösung nicht damit rechnet dass C die Kündigung weiter gibt warum sollte er sie denn übergeben?
Leo Lee
1.9.2024, 09:30:20
Hallo YI, vielen Dank für die sehr gute Frage! Der A hat hier nicht damit gerechnet, dass C die Erklärung weiterreichen wird, weil er hier davon ausging, dass es ausreicht, wenn C - egal ob weitergeleitet wird oder nicht - den Brief erhält, weshalb er den Brief auch an den C gerichtet hat. D.h., diese Information gibt es deshalb, damit die Problemlage etabliert wird :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo