Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Beschlagnahme durch vermeintlichen Amtsträger


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Klassisches Klausurproblem

A wird mit einem gefälschten Durchsuchungsbeschluss bei B vorstellig und gibt sich als Amtsträger aus. B lässt ihn daraufhin in die Wohnung hinein. Dort erblickt A eine Armbanduhr des B, erklärt ihm diese sei nun "konfisziert" und nimmt sie an sich. B denkt, dass es zwecklos sei sich zur Wehr zu setzen und lässt A, den er tatsächlich für einen Amtsträger hält, gewähren.

Einordnung des Falls

Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Beschlagnahme durch vermeintlichen Amtsträger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat B die Armbanduhr weggenommen, wenn er den Gewahrsam hieran gebrochen hat.

Ja, in der Tat!

Wegnahme (§ 242 Abs. 1 StGB) meint den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft. Dieser wird gebrochen wenn er ohne oder gegen den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird.

2. B hat die Sachentziehung nur geduldet. Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis liegt nicht vor.

Ja!

Ein Einverständnis mit dem Gewahrsamswechsel schließt eine Wegnahme aus. Das bloße Dulden der Wegnahme ist indes kein Einverständnis. So liegt auch bei Aushändigung der Sache durch das Opfer nach h.M. kein Einverständnis vor, wenn der Gewahrsamsinhaber unabhängig von seinem Einverständnis oder seiner Mitwirkung die Sache dem Zugriff des Täters preisgegeben glaubt, z.B. bei einer vorgetäuschten Beschlagnahme durch falsche Kriminalbeamten (BeckOK StGB/Wittig, 51. Ed. 1.11.2021, § 242 RdNr. 23).B hat A gewähren lassen, weil er dachte, dass Widerstand zwecklos sei. Das ist aber nur als Duldung einzustufen, die die Wegnahme nicht ausschließt.Unfreiwillige Vermögensaufgabe = Wegnahme = Diebstahl (Fremdschädigungsdelikt); Freiwillige Vermögensaufgabe = Betrug (Selbstschädigungsdelikt)

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MK-

MK-

23.5.2023, 15:53:59

wäre das nicht eher eine Vermögensverfügung und eher als Betrug anzusehen oder ist eher Diebstahl einschlägig, weil A selbst die Uhr nimmt und B ihm sie nicht gibt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.5.2023, 17:04:47

Hallo MatthiasK, danke für deine Frage. Diese Abgrenzung bereitet immer wieder Probleme - vorliegend hat B gedacht, A wäre ein Amtsträger und könne die "Konfiszierung" notfalls mit Gewalt durchsetzen. Er ist also davon ausgegangen, dem nichts entgegen setzen zu können. Ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

bzw. eine Vermögensverfügung liegt daher nicht vor, er duldet lediglich die Wegnahme. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

5.11.2023, 18:13:17

Ich weiß nicht, ob das noch an anderer Stelle behandelt wird, aber hier würde es sich noch anbieten zum Betrug abzugrenzen. Wesentliches Abgrenzungskriterium ist nicht nicht das äußere Erscheinungsbild eines Wegnehmens oder Weggebens. „In Beschlagnahmefällen sieht das Opfer wegen der Täuschung und durch den darauf basierenden Irrtum keine Handlungsmöglichkeiten, es ist der staatlichen Gewalt ausgeliefert. Hinsichtlich der inneren Willensrichtung befindet sich das Opfer deshalb zumeist in einer Zwangslage, welche eine freie Willensentscheidung nicht zulässt. Das Opfer sieht in dieser Situation keine Handlungsmöglichkeiten. Deshalb liegt bei Unfreiwilligkeit Diebstahl, bei Freiwilligkeit Betrug vor.“

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.12.2023, 11:48:44

Vielen Dank für den Vorschlag, David! Wir haben einen entsprechenden Hinweis noch eingebaut :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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