+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B entfernt einen PKW älteren Baujahres des O von dessen Grundstück und benutzt diesen, um damit Getränkekisten zu einer Feier an einem einige Kilometer entfernten See zu verbringen. Er plant, den PKW nach dem Ende der Feier und dem Verbrauch der Getränke an einem entlegenen Ort am Seeufer zurückzulassen.

Einordnung des Falls

Preisgabe der Sache nach Gebrauch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Absicht der rechtswidrigen Zueignung besteht aus einer Ent- und einer Aneignungskomponente.

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Ja!

Die Zueignungsabsicht zerfällt in eine Ent- und eine Aneignungskomponente. Erforderlich ist (1) der (mindestens Eventual-)Vorsatz dauerhafter Enteignung sowie (2) die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung.

2. B kam es nicht darauf an, den O für immer aus der Eigentümerposition zu verdrängen. Es liegt eine bloße Gebrauchsanmaßung vor. Deshalb fehlt es an einer Zueignungsabsicht.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Absicht der dauerhaften Enteignung ist keine Voraussetzung der Zueignungsabsicht. Dass es B nicht darauf ankommt, den O für immer zu verdrängen, ist also unerheblich. Auch der Eventualvorsatz dauerhafter Enteignung wäre allerdings dann ausgeschlossen, wenn B zum Zeitpunkt der Tat einen konkreten Rückführungswillen aufweist. Gegen einen solchen Willen spricht das Belassen des PKW an einem Ort, wo dieser dem Zugriff Dritter preisgegeben ist. B nimmt daher zumindest billigend in Kauf, dass O dauerhaft aus seiner faktischen Eigentümerstellung verdrängt wird. Nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Billigungstheorie liegt somit ein Eventualvorsatz hinsichtlich der dauerhaften Enteignung vor, was für die Bejahung der Enteignungskomponente ausreicht.

3. Da B den PKW nicht auf Dauer in sein Vermögen einverleiben möchte, liegt mangels Aneignungskomponente keine Zueignungsabsicht vor. Es handelt sich um eine schlichte Sachentziehung.

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Nein, das trifft nicht zu!

Vorliegend will B zumindest vorübergehend wie ein Eigentümer mit der Sache verfahren, sich also wie ein Eigentümer gerieren (se ut dominum gerere). Dabei reicht schon ein kurzer Zeitraum aus, in dem die Sache für Zwecke des Täters verwendet wird.

4. Außerdem ist eine Strafbarkeit wegen § 248b Abs. 1 StGB gegeben, diese tritt jedoch auf Konkurrenzebene im Wege der formelle Subsidiarität zurück.

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Ja!

Die Ingebrauchnahme bezeichnet die bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrzeugs gegen den Willen des Berechtigten. § 248b Abs. 1 StGB ist ein Auffangtatbestand für Fälle, in denen eine Zueignungsabsicht nicht besteht, eine Gebrauchsanmaßung an sich aber schon als strafwürdig angesehen wird, was nur bei den Tatobjekten Kraftfahrzeug und Fahrrad der Fall ist. Liegt wie hier neben der Gebrauchsanmaßung gleichzeitig eine Zueignungsabsicht vor, ist § 248b Abs. 1 StGB formell subsidiär, was sich anhand des Passus "wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist" erkennen lässt. Deshalb wird B im vorliegenden Fall alleine aus dem Tatbestand des § 242 Abs. 1 StGB bestraft.

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Helena

Helena

21.12.2021, 19:00:38

Eselsbrücke, die zumindest mir hilft: Du musst UnENTlich Enteignen Aber nicht Aneignen Nicht die beste, aber sie hilft.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.12.2021, 11:00:10

Danke Dir fürs Teilen, Helena :-) Solange sie Dir hilft, ist es eine gute Eselsbrücke! Das ist alles, was zählt! Mir hat auch die Eselsbrücke "AaA+EeE" geholfen: Absicht der aktuellen Aneignung + Eventualvorsatz der endgültigen Enteignung. Beste Grüße, Lukas

BL

Blotgrim

2.11.2022, 23:23:04

Uns wurde empfohlen mit den Begriffen Enteignungsvorsatz und Aneignungsabsicht. Da Absicht dol. dir. 1. Gr. ist, ist im Umkehrschluss auch leicht zu merken dass das bei der Enteignung nicht notwendig ist

AN

Anonym

22.4.2024, 07:08:30

leider habe ich es immer noch nicht ganz durchblickt. wo liegt der unterschied im subjektiven tatbestand zwischen 242 und 246? was ich bis jetzt verstanden habe ist dass 246 ein auffangtatbestand des 242 ist.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

22.4.2024, 16:49:54

Hallo, danke für deine Frage! Der Diebstahl besteht im objektiven Tatbestand aus der Wegnahme (Enteignung und Aneignung des Gewahrsams). Im subjektiven Tatbestand ist diesbezüglich Vorsatz erforderlich und zwar Aneignungsabsicht (!) und Eventualvorsatz hinsichtlich der Enteignung. Zudem ist im subjektiven Tatbestand ZUSÄTZLICH eine Zueignungsabsicht erforderlich ist. Diese spiegelt sich aber nicht in einer Zueignungshandlung im objektiven Tatbestand, dort ist gerade Ent- und Aneignung ausreichend, aber eben keine Zueignung erforderlich. Daher spricht man von einem Tatbestand mit überschießender Innentendenz. Dagegen ist für die Unterschlagung nicht nur ein Enteignungsvorsatz, sondern auch eine Enteignungshandlung erforderlich - der Enteignungsvorsatz muss sich nach außen sichtbar in einer Handlung manifestieren! Ein weniger hingegen liegt darin, dass keine Wegnahme erforderlich ist bei der Unterschlagung. Die Unterschlagung tritt zurück hinter anderen Delikten, die Eigentum und/oder Vermögen schützen. Sie ist also subsidiär. Glaubt der Täter (irrig) fremden Gewahrsam zu brechen, auch wenn dies nicht der Fall ist, liegt ein versuchter Diebstahl vor, der dem § 246 StGB vorgeht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Nora Mommsen

Nora Mommsen

22.4.2024, 16:49:58

Hallo, danke für deine Frage! Der Diebstahl besteht im objektiven Tatbestand aus der Wegnahme (Enteignung und Aneignung des Gewahrsams). Im subjektiven Tatbestand ist diesbezüglich Vorsatz erforderlich und zwar Aneignungsabsicht (!) und Eventualvorsatz hinsichtlich der Enteignung. Zudem ist im subjektiven Tatbestand ZUSÄTZLICH eine Zueignungsabsicht erforderlich ist. Diese spiegelt sich aber nicht in einer Zueignungshandlung im objektiven Tatbestand, dort ist gerade Ent- und Aneignung ausreichend, aber eben keine Zueignung erforderlich. Daher spricht man von einem Tatbestand mit überschießender Innentendenz. Dagegen ist für die Unterschlagung nicht nur ein Enteignungsvorsatz, sondern auch eine Enteignungshandlung erforderlich - der Enteignungsvorsatz muss sich nach außen sichtbar in einer Handlung manifestieren! Ein weniger hingegen liegt darin, dass keine Wegnahme erforderlich ist bei der Unterschlagung. Die Unterschlagung tritt zurück hinter anderen Delikten, die Eigentum und/oder Vermögen schützen. Sie ist also subsidiär. Glaubt der Täter (irrig) fremden Gewahrsam zu brechen, auch wenn dies nicht der Fall ist, liegt ein versuchter Diebstahl vor, der dem § 246 StGB vorgeht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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