Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Diebstahl (§ 242 StGB)

Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Abgrenzung Diebstahl und Betrug

Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Abgrenzung Diebstahl und Betrug

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die T spricht O auf der Straße an und bittet ihn, ihr für einen Anruf sein Handy zu leihen. Als T das Handy in den Händen hält, beginnt sie davonzurennen, was ihr gelingt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Abgrenzung Diebstahl und Betrug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Gewahrsam des O am Handy gebrochen und neuen (eigenen) Gewahrsam begründet, indem sie davongerannt ist. Es liegt eine Wegnahme (§ 242 StGB) vor.

Genau, so ist das!

Der Gewahrsam wird gebrochen, wenn der Gewahrsamswechsel ohne oder gegen den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers geschieht. Es könnte allerdings ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des O vorliegen, da dieser das Handy aufgrund eines eigenen Entschlusses an T übergeben hat. Fraglich ist jedoch, ob zu diesem Zeitpunkt bereits sein Gewahrsam endete. Gewahrsam ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Inhalt und Reichweite sich nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Zur trennscharfen Abgrenzung vom Betrug als Selbstschädigungsdelikt, ist es erforderlich, dass O durch die Weggabehandlung unmittelbar vermögensverfügend gehandelt hat.Jedoch liegt hier keine bewusste Vermögensverfügung vor. Zu dem Zeitpunkt, als T mit dem Handy des O in dessen unmittelbarer Nähe steht, ordnet die Verkehrsanschauung dem O weiterhin zumindest gelockerten Mitgewahrsam zu. Diesen hat T im Moment des Wegrennens gebrochen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

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jurafuchsles

6.7.2022, 16:37:20

Ist es richtig, dass bei sehr kleinen Gegenständen direkt ein Gewahrsamswechsel stattfindet, da es keinen zweiten Akt zum

Gewahrsamsbruch

braucht (Enklave) und damit hier durch die freiwillige Verfügung ein Betrug vorliegt, da dann eine unmittelbare Vermögensminderung vorliegt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 16:56:38

Hallo jurafuchsles, es ist durchaus möglich, dass schon mit Ergreifen neuer Gewahrsam begründet wird bei kleinen Gegenständen. Für Geld ist dies zum Beispiel von der Rechtsprechung schon mal bejaht worden. Es ist aber immer streng zu unterscheiden zwischen

Gewahrsamsbruch

und

Gewahrsamslockerung

. Übergibt das Opfer dem Täter das Handy für ein Telefonat mit der Vorstellung es anschließend zurückzuerhalten liegt zunächst nur eine

Gewahrsamslockerung

vor, erst anschließend wenn der Täter wegrennt mit dem Handy erfolgt der

Gewahrsamsbruch

. Das heißt es liegt weiterhin auch kein Einverständnis vor und damit weiterhin Diebstahl, denn bei

Gewahrsamslockerung

besteht weiterhin Gewahrsam des bisherigen Gewahrsamsinhabers. Du merkst also - grundsätzlich ist es möglich, es sollte aber nicht zu voreilig ein Betrug bejaht werden. Dies kann man verhindern, wenn man das Konzept des gelockerten Gewahrsams im Hinterkopf behält und genau prüft ob ein solcher Fall vorliegt. Ein persönlicher Tipp von mir wäre noch sich mal durch die Rechtsprechung zu lesen um hier ein Gefühl dafür zu bekommen. Es ist durchaus Einzelfallabhängig. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

23.4.2023, 09:24:51

Ich würde zum besseren merken/abgrenzen beim Verdacht des

Sachbetrug

s auch immer an das Verfügungsbewusstsein denken, also ob mir bewusst ist dass ich gerade vermögensmindernd handel. Wenn ja ist es doch unabhängig von der Größe Betrug, wenn nein Diebstahl (etwas vereinfacht dargestellt ) oder ? Die

Gewahrsamsenklave

wird doch eher in der Hinsicht relevant ob ich neuen Gewahrsam begründet habe oder?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

14.11.2024, 10:08:47

Liebes Jurafuchs-Team, Zwar verstehe ich den Ansatz, die Fälle in gebotener Kürze zu behandeln, dies jedoch auch in diesem Beispiel zu beachten, halte ich nicht für richtig. Diese Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist höchst umstritten und gerade den "Handyfall" habe ich im Studium mehrmals als Paradefall dafür kennengelernt, dass man beides vertreten könne. Zur Sicherheit habe ich einmal nachgelesen und auch der BeckOK, § 263 StGB, Rn. 38.1 (Beukelmann) vertritt, dass hier ein Betrug vorliegt: "Wer sich ein modernes Mobiltelefon unter Vortäuschung der Rückgabebereitschaft auf öffentlicher Straße geben lässt, begründet am Telefon bereits mit dessen Ergreifen alleinigen Gewahrsam und macht sich nicht des Diebstahls, sondern des Betruges schuldig (AG Berlin-Tiergarten NStZ 2009, NSTZ Jahr 2009 Seite 270)" Ich bin mir sicher, es lassen sich zahlreiche weitere Stimmen für diese Meinung finden. Daher plädiere ich dafür, diese Aufgabe deutlich differenzierter aufzubauen oder jedenfalls im Hinweiskasten anzumerken, dass durchaus eine andere Ansicht vertretbar ist. (Auch, wenn ihr hier problematisiert, ob Gewahrsam ob der unmittelbaren Nähe des "Besitzers" schon übergehen konnte, ist es für mich hier zu vereinfacht und einseitig argumentiert) Danke euch.


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