Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 832 BGB

Keine Haftung der aufsichtspflichtigen Mutter für die Überschwemmung des Badezimmers durch dreieinhalb Jahre altes Kind

Keine Haftung der aufsichtspflichtigen Mutter für die Überschwemmung des Badezimmers durch dreieinhalb Jahre altes Kind

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F bringt den dreieinhalb Jahre alten S ins Bett und stellt ihm noch ein Hörspiel an. Danach schläft sie (unbeabsichtigt) in Hörweite selbst ein. S geht zur Toilette. Er verstopft dabei mit Papier den Abfluss. Da seit Einzug in die Mietwohnung der Spülknopf hakt, überschwemmt die Wohnung.

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Einordnung des Falls

Keine Haftung der aufsichtspflichtigen Mutter für die Überschwemmung des Badezimmers durch dreieinhalb Jahre altes Kind

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S ist deliktsfähig.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) setzt Deliktsfähigkeit voraus. Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, die Konsequenzen seines Handelns intellektuell absehen zu können. Die Verantwortlichkeit von Kindern unter sieben Jahren ist ausgeschlossen (§ 828 Abs. 1 BGB). S ist dreieinhalb Jahre alt und damit nicht deliktsfähig.
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2. F hat den Mietvertrag verletzt. Sie muss dem Vermieter den Schaden ersetzen, der durch die Überschwemmung entstanden ist (§ 280 Abs. 1 BGB).

Nein!

Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter richten sich nach allgemeinem Schuldrecht. Das Verschulden Dritter ist dann zurechenbar, wenn der Dritte Erfüllungsgehilfe ist (§ 278 BGB). Der Spülknopf war bereits bei Mietbeginn defekt. F hatte keine Pflicht (§ 280 Abs. 1 BGB), die Spülung zu reparieren. Ob eine mietvertragliche Pflicht bestand, den Knopf nach dem Spülen zurückzustellen, kann offen bleiben. Ein etwaiges Verschulden des S ist der F nicht zurechenbar, da die mit im Haushalt lebenden Personen keine Erfüllungsgehilfen bzgl. der mietvertraglichen Pflichten sind.

3. F haftet dem Vermieter auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt eine Verletzungshandlung des Schädigers voraus. Bei einem pflichtwidrigen Unterlassen ist erforderlich eine Handlungspflicht des Schädigers. Diese kann sich unter anderem aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Geschädigten ergeben. Hier kommt allein ein pflichtwidriges Unterlassen der Beaufsichtigung des S in Betracht. Zwar treffen die F als Mieterin Verkehrssicherungspflichten bezüglich der Mietsache, diese erstrecken sich allerdings nicht auf die Beaufsichtigung Dritter.

4. Für eine Haftung nach § 832 Abs. 1 S. 1 BGB kommt es nur darauf an, dass der Aufsichtsbedürftige den Schaden widerrechtlich, nicht aber schuldhaft verursacht hat.

Ja, in der Tat!

Die Haftung aus § 832 BGB knüpft an widerrechtliches Verhalten und damit an ein Delikt des Aufsichtsbedürftigen an. Eine Verschuldensfähigkeit des Minderjährigen im Sinne des § 828 BGB ist dementsprechend nicht erforderlich. Das vorwerfbare Verhalten ist somit allein die Missachtung einer Aufsichtspflicht.

5. F hat ihre Aufsichtspflicht verletzt (§ 832 Abs. 1 S. 1 BGB), als sie eingeschlafen ist, obwohl ihr Sohn S noch wach war.

Nein!

Das Maß der gebotenen Aufsicht über Minderjährige richtet sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Damit ist es zur Erfüllung der Aufsichtspflicht ausreichend, wenn sich der Aufsichtspflichtige in Hörweite befindet. F war zwar eingeschlafen, befand sich aber in Hörweite. Damit hat sie ihre Aufsichtspflicht erfüllt und kann sich exkulpieren (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Maitre68

Maitre68

29.3.2024, 15:42:02

Hey, ich finde das nicht besonders überzeugend, dass die Mutter sich exkulpieren kann, weil sie zwar eingeschlafen, aber in Hörweite war. Die Idee hinter dem Erfordernis der Hörweite ist ja, dass die Aufsichtspflichtige mitbekommt, was der Aufsichtsbedürftige treibt. Genau das ist ja aber bei einer schlafenden Aufsichtspflichtigen nicht der Fall. LG Maitre

Steinfan

Steinfan

12.4.2024, 15:40:13

Hey, das sehe ich anders, die Grenze der Aufsichtspflicht ist doch die Zumutbarkeit. Eine dauerhafte vollständige Überwachung ist nicht zumutbar. Außerdem kann wohl kaum sicher festgestellt werden, ob das Kind bereits fest eingeschlafen ist, oder nur die Augen geschlossen hat oder im Einschlafen begriffen ist. Hier übermäßige Prüfpflichten hinsichtlich des “Eingeschlafenseins” für die Eltern aufzustellen (damit diese sich nicht haftbar machen), würde mich nicht überzeugen. Ohne weitere Anhaltspunkte dürfen die Eltern demnach davon ausgehen, dass das Kind nach dem regelmäßigen Geschehensablauf einschläft und nicht die Wohnung unter Wasser setzt. LG

LS2024

LS2024

19.4.2024, 18:29:36

Finde ich auch nicht überzeugend, aber der Maßstab ist stark verkürzt wiedergegeben: "In einer geschlossenen Wohnung müssen 3-jährige Kinder bereits nicht mehr unter ständiger Beobachtung stehen. Kindern in diesem Alter ist mit Blick auf die persönliche Entfaltung und Entwicklung die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu beschäftigen. Auch der Gang zur Toilette bedarf mangels erhöhter Gefahrenlage keiner unmittelbaren Aufsicht mehr. Ausreichend ist es deshalb, wenn sich der Aufsichtspflichtige in Hörweite aufhält. Ebensowenig stellt es eine Aufsichtspflichtverletzung dar, wenn der Aufsichtspflichtige im Vertrauen darauf, dass seine vier und zwei Jahre alten Kinder schlafen oder selbständig im Kinderzimmer spielen, um 6 Uhr morgens noch Nachtruhe hält, während die Kinder aus dem Fenster Spielzeug auf parkende Autos werfen" So das OLG. Wenn man diesen Maßstab heranzieht halte ich es für überzeugend.


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