Tierhalterhaftung (Haltereigenschaft)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E ist Eigentümer des Pferdes "Sultan". Er gibt Sultan zu Ausbildungszwecken in die Verwahrung von Reitstallbesitzerin R. Diese verwendet Sultan für Reitstunden. Bei einer Reitstunde scheut Sultan und Reitschüler F wird abgeworfen und verletzt.
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Einordnung des Falls
Tierhalterhaftung (Haltereigenschaft)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. F hat eine Rechtsgutsverletzung erlitten.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Rechtsgutsverletzung des F wurde durch eine tierspezifische Gefahr verursacht (§ 833 BGB).
Ja, in der Tat!
3. E ist Tierhalter von Sultan, obwohl das Pferd bei R in Verwahrung war.
Ja!
4. E kann sich exkulpieren, weil es sich bei Sultan um ein Nutztier handelt (§ 833 S. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sven
3.10.2020, 09:06:26
Angenommen, R setzt das Pferd entgegen dem Vertragszweck der Ausbildung als Reittier ein - kommen dann ggf. vertragliche Schadensersatzansprüche des E gegen R in Betracht?
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.10.2020, 16:35:52
Hallo Sven, viel Dank für deine sehr gute Frage. Das kommt darauf an, was die Parteien vereinbart haben. Schaut man sich das Urteil des BGH an, fällt auf, dass dieser mehrmals von Verwahrung spricht. Diese ist in §§ 688 ff. BGB geregelt und gewährt anders als die
Leihe(§§ 598 ff. BGB) und die Miete (§§ 535 ff. BGB) grundsätzlich kein Nutzungsrecht an der Sache / dem Tier. Hier soll das Pferd ja von R verwahrt (insbesondere auch unterhalten (§ 6
93 BGB), also bspw. gefüttert) werden, aber auch (zum Kutschpferd) ausgebildet werden. Die Ausbildung stellt wohl einen Werkvertrag (§§ 631 ff.) oder einen Dienstvertrag (§§ 611 ff.) dar, je nachdem ob ein konkreter Erfolg geschuldet ist.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.10.2020, 16:44:02
Insgesamt würde ich hier von einem typengemischten Vertrag aus Verwahrung und Dienstvertrag ausgehen. Wenn die Parteien jetzt nur abgesprochen haben, dass R das Pferd unterhalten und ausbilden soll, ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Nutzung als Reitpferd nicht vom Vertrag umfasst ist. Eine vertragswidrige Nutzung von E's Sultan durch R als Reitpferd, stellt eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB dar, die R auch zu vertreten hat (
Vorsatz, § 276 Abs. 1 BGB). Da E nach
§ 833 BGBder F hier haften muss, kann er daher Regress bei R nach §§ 688, 611, 276 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB nehmen. Wenn auch der R der F haftet (z.B. aus Vertrag, cic oder Delikt), dann wären E und R Gesamtschuldner nach § 421 BGB, sodass E den R auch nach § 426 Abs. 1 BGB in Regress nehmen kann.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.10.2020, 16:46:32
Im Innenverhältnis ist dabei, wegen der vertraglichen Pflichtverletzung des R, bestimmt, dass der R voll haften muss (es sei denn E wäre auch ein Vorwurf zu machen, beispielsweise, dass er dem R verschwiegen hat, dass das Pferd sehr leicht scheut oä.). Des weiteren geht der Anspruch der F gegen R nach § 426 Abs. 2 BGB auf den E über (
cessio legis, § 412 BGB). Auch daraus kann E gegen R vorgehen. LG :)
Sven
3.10.2020, 16:46:42
Super, vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort! :D
Isabell
28.12.2020, 16:20:49
Eine eigene Pferde-Fälle-Kategorie wie die ebay-Fälle wäre super. Die JPAs in NRW haben da eine Vorliebe für.
Eigentum verpflichtet 🏔️
28.12.2020, 17:21:04
Gute Idee!
Tr(u)mpeltier junior
30.12.2020, 11:40:02
Einen sehr guten Überblick über typische Examen probleme liefert hier njw 2020, 2840 mit Verweis auf die entsprechenden Entscheidungen. Ggfs kann das als Grundlage für die neue Kategorie dienen :)
Kafkathustra
30.12.2020, 18:38:00
افقی test
paulmachtexamen
28.7.2024, 19:29:18
Ich finde der Sachverhalt ist hier zu kurz gefasst und damit ungenau, denn ich sehe eher R als Halterin an. Nach der Definition ist Halter diejenige Person, der das BestimmungsR über das Tier zusteht und die aus eigenem Interesse für eine Kosten aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt. Diese Voraussetzungen stehen meines Wissens nach nebeneinander. (1) Das Bestimmungsrecht trägt für die Zeit der Verwahrung R und nicht E, denn R kann entscheiden, wann und wie das Pferd von wem geritten wird. (2) Das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt vermutlich E als Eigentümer. (3) Daher kommt es mE entscheidend darauf an, wer für die laufenden Kosten des Pferdes aufkommt. Denn dadurch dass R eigene Reitstunden mit dem Pferd gibt, verfolgt sie eigene Interessen. Schließlich sei erwähnt, dass die Tierhaltereigenschaft ein faktisches Verhältnis ist, bei dem es nicht auf die Eigentumslage oder den Eigenbesitz ankommt. Falls ich was falsch beurteilt habe, freue ich mich auch über eine Rückmeldung.
paulmachtexamen
28.7.2024, 19:31:57
Um die Haltereigenschaft beurteilen zu können, ist es mE auch relevant, wie lange die Verwahrung dauert bzw. dauern soll.
paulmachtexamen
28.7.2024, 19:34:24
Läge dann ein Nutztier vor, weil sie das Pferd dann für ihre berufliche Tätigkeit (Reitunterricht / Reitstunden) verwendet? Das hätte ja zur Folge, dass sie sich dann möglicherweise hätte exkulpieren können.
Gigachad1
22.9.2024, 00:17:35
Das Frage ich mich auch?