+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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T sieht, wie O auf D sitzt und mit seinen Fäusten auf diesen einschlägt. T zieht seine Pistole und droht dem O erst mit dieser. Auch ein Warnschuss beeindruckt O nicht. T möchte vermeiden, O ernsthaft zu verletzen und schießt daher noch einmal eng an dessen Körper vorbei, wobei er billigend in Kauf nimmt, O zu töten. O erschrickt und flieht. Dabei geht T davon aus, dass der Gebrauch von Schusswaffen nie gerechtfertigt ist.

Einordnung des Falls

Wahndelikt 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. T hat „Tatentschluss“ hinsichtlich des Tatbestandserfolges.

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Ja, in der Tat!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T hat Eventualvorsatz, O zu töten.

3. T hat „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

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Ja!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Durch den Schuss hat T alles nach seiner Vorstellung Erforderliche getan, da O bereits dadurch hätte umkommen können.

4. T handelte rechtswidrig.

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Nein, das ist nicht der Fall!

T wollte den Angriff von D, d.h. einem anderen, abwehren und handelte im Rahmen der Nothilfe (§ 32 StGB). Seine Verteidigungshandlung war insbesondere erforderlich, da er sich nicht selbst gefährden und versuchen musste, den D mit eigener Körperkraft zu verteidigen. Darüber hinaus handelte er mit der Absicht, den D zu retten, und hatte insoweit Verteidigungsabsicht.

5. T ist trotzdem zu bestrafen, weil er sein Handeln für rechtswidrig hielt.

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Nein, das trifft nicht zu!

Wer sich eine Strafbarkeit vorstellt, ist nicht allein aufgrund dieser Vorstellung zu bestrafen. Ansonsten würde dies auch dazu führen, dass Juristen, die die Auffassung der Rechtsprechung kennen, nicht rechtswidrig handeln und in diesen Fällen privilegiert würden. Im umgekehrten Fall muss der Laie die Anforderungen des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) einhalten, was selten der Fall sein wird. Auch der vorliegende umgekehrte Erlaubnisirrtum ist daher ein strafloses Wahndelikt und führt nicht zur Strafbarkeit.

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