Wahndelikt 4
17. April 2025
8 Kommentare
4,6 ★ (13.415 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft am Montag an K ein Auto. K soll das Auto Mittwoch bezahlen und abholen. Dabei geht V davon aus, dass das Eigentum bereits durch Kaufvertrag übergegangen ist. Dienstag bietet D dem V einen höheren Kaufpreis. V nimmt an und übergibt D noch am selben Tag das Auto.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch einer Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V hat nach der herrschenden Meinung „Tatentschluss“ bezüglich einer Unterschlagung.
Genau, so ist das!
3. Eine Mindermeinung nimmt in dem vorliegenden Fall lediglich ein Wahndelikt an.
Ja, in der Tat!
4. V hat durch die Übergabe an D „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Ja!
5. V handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mogli
26.6.2021, 18:12:40
Inwieweit liegt hier jetzt ein Unterschied zu dem Fall mit dem Vater vor, der den Hund seines Sohnes als „anderen Mensch sieht“ und diesen versucht zu töten. Dort wurde ja der
Tatentschlusseinen andern Menschen zu töten verneint, da es sich um ein falsches Tatobjekt handelt. Hier könnte man doch auch eine falsches Tatobjekt annehmen, da die Sache nicht fremd war. Oder ist der Unterschied darin zu sehen, dass der Laie im ersten Fall klar erkennen kann dass es nicht um einen „Menschen“handelt

Simon
23.2.2022, 00:04:31
MMn liegt der Unterschied darin, dass der Vater einen Straftatbestand verwirklichen will, den es gar nicht gibt, wohingegen dies bei V anders ist. § 212 verlangt die Tötung eines anderen Menschen. Der Vater weiß natürlich, dass ein Hund kein Mensch ist. Er denkt aber, auch die Tötung eines Tieres, dessen Eigentümer eine innige Beziehung zu diesem hat (vglb. mit der Beziehung zu einem Menschen), sei strafbar. § 246 verlangt das Vorliegen einer fremden Sache. Dabei hat V durchaus verstanden, was "fremd" idS heißt (Stichwort:
Parallelwertung in der Laiensphäre): nämlich dass die Sache rechtlich einem anderen zugeordnet ist und dieser damit grds. nach Belieben verfahren und andere von der Nutzung ausschließen kann. V irrt sich lediglich darüber, wann diese Zuordnung einer Sache zu einer Person eintritt. MaW: Im ersten Fall verlangt das Gesetz, dass der Täter einen Menschen töten will. Der Täter versteht aber den Begriff des "Menschen" anders als es das Gesetz tut. Im zweiten Fall verlangt das Gesetz, dass sich der Täter eine fremde Sache zueignen will. Der Täter versteht den Begriff der "Fremdheit" wie es das Gesetz tut, irrt aber über das Vorliegen des Merkmals in der Realität.

lennart20
26.4.2023, 15:15:04

Nora Mommsen
27.4.2023, 12:57:52
Hallo lennart20, der
Tatentschlussmuss sich auf alle objektiven und deliktsspezifischen subjektiven
Tatbestandsmerkmalebeziehen. Die
Parallelwertung in der Laiensphärekommt dort zu tragen, wo dem Tatbestandsmerkmal nicht nur ein tatsächlicher Sinn anhaftet (wie z.B. Mensch) sondern einer juristischen Würdigung bedarf. Dort kommt es nicht darauf an, dies im einzelnen korrekt erfasst zu haben, sondern eben darauf dass die die Vorstellung des Täter im Rahmen einer
Parallelwertung in der Laiensphäreauf das Tatbestandsmerkmal bezog. Die Parallelwertung kommt also auch im Rahmen des
Tatentschlusszum Tragen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
nmew
8.3.2025, 14:09:41
Leo Lee
10.3.2025, 14:27:39
Hallo nmew, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es. Da V hier meint, dass das Eigentum bereits übergegangen sei (was nicht stimmt nach dem Zivilrecht), unterliegt er einem Irrtum, hat jedoch
Vorsatzbzgl. der Unterschlagung, was aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Folglich kommt sehr wohl ein
untauglicher Versuchin Betracht. Da hier jedoch ein rechtliches TBM betroffen ist, ist der berüchtigte Streit zur Abgrenzung zw. dem untauglichen Versuch und dem
Wahndeliktzu bringen, wonach entweder 16 oder 17 StGB einschlägig sein wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage Hoffmann-Holland § 23 Rn. 45 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo