Zivilrechtliche Nebengebiete
Familienrecht
Eheliches Güterrecht und Verfügungsbeschränkungen
Zugewinngemeinschaft – § 1365 (Fall)
Zugewinngemeinschaft – § 1365 (Fall)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M und F sind verheiratet. Sie haben keinen Ehevertrag geschlossen. Ohne ihren Mann zu informieren, verkauft F ein ihr gehörendes Grundstück an den Makler A. In der Auflassungserklärung versichert sie A, dass sie noch weitere erhebliche Vermögenswerte besitzt. Tatsächlich stellt das Grundstück 95% ihres Vermögens dar.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zugewinngemeinschaft – § 1365 (Fall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M und F leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Liegt nach der herrschenden Einzeltheorie objektiv ein Gesamtvermögensgeschäft im Sinne des § 1365 BGB vor?
Genau, so ist das!
3. Wurde zwischen A und F ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
26.8.2023, 13:25:28
Ich verstehe das gerade nicht so ganz. Ist der Vertrag ohne Einwilligung des anderen Ehegatten
schwebend unwirksamoder doch wirksam wie ihr das hier darstellt?
Blan
13.9.2023, 09:41:00
Der Vertrag ist hier auch ohne die Einwilligung wirksam, da es bei der Einzeltheorie für eine Verfügung des Vermögen im Ganzen nach h.M.(subjektive Theorie) notwendig ist, dass der andere Teil (hier der Makler) Kenntnis darüber hat, dass es sich um das Vermögen im Ganzen handelt. Die Einzeltheorie wird aufgrund ihrer Ausdehnung (im Vergleich zur Gesamttheorie) durch die subjektive Theorie eingeschränkt.
Juratiopharm
28.12.2023, 15:56:20
Da hier gar nicht über das Vermögen als Ganzes verfügt wird (so das Ergebnis nach subjektiven Einzeltheorie) braucht es gar keine Einwilligung, sodass deren Fehlen auch nicht zur schwebenden Unwirksamkeit führen kann.
HGWrepresent
4.1.2024, 20:37:02
@[Juratiopharm](137466) Nein, das hast du falsch verstanden. Es geht in diesem Fall darum, uns beizubringen, dass trotz Erfüllung der Voraussetzungen der Einzeltheorie diese aus Gründen der Verkehrsschutzes nicht zur schwebenden Unwirksamkeit führt (natürlich muss der Gläubiger dafür gutgläubig sein). Oder irre ich mich?
Juratiopharm
5.1.2024, 15:23:31
Meiner Ansicht nach werden hier zwar die Voraussetzungen der Einzeltheorie, nicht aber der subjektiven Einzeltheorie (Kenntnis des Dritten vom Umfang des Vermögens) erfüllt. Deine Erwägung (die Gründe des Verkehrsschutzes) sind ja grade der Grund für subjektive Erweiterung der Einzeltheorie. Insoweit würde ich sagen, dass deine Ansicht (normative Korrektur der objektiven Einzeltheorie wg. Verkehrsschutz) und meine Ansicht (kein Fall des § 1365 wg. fehlender Kenntnis des Dritten - mMn
subjektive Einzeltheorie) im Grunde identisch sind.
Merle_Breckwoldt
6.4.2024, 10:56:35
Hallo ihr drei, danke für die angeregte Diskussion! Wie ihr richtig erkannt habt, ist der Vertrag hier nicht gem. § 1366 Abs. 1 BGB
schwebend unwirksam, da § 1365 BGB nicht zur Anwendung kommt. Vielmehr konnte F den Vertrag ohne Einwilligung des M wirksam schließen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen, die ich gerne etwas nach den von euch benannten Theorien zu ordnen versuche: Zwar ist § 1365 BGB („Vermögen im Ganzen“) nach der ganz herrschenden Einzeltheorie auch auf Verfügungen über Einzelgegenstände – wie Fs Grundstück – anwendbar. Aber: Folgt man dieser Einzeltheorie, so ist (wieder nach ganz h.M.) aus Gründen des Verkehrsschutzes einschränkend erforderlich, dass der Vertragspartner des Ehegatten (hier A) auch subjektiv Kenntnis darüber hatte, dass der Einzelgegenstand faktisch das Gesamtvermögen des verfügenden Ehegatten darstellte. Das war hier nicht der Fall, also ist § 1365 BGB im Ergebnis nicht erfüllt. Zum Teil wird diese Einschränkung dediziert als „subjektive Theorie“ (im Rahmen der Einzeltheorie) oder ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1365 BGB gehandhabt (etwa bei Wellenhofer, FamR, 7. Auflage 2023, § 14 Rn. 10; Scheller/Sprink in: BeckOK BGB, § 1365 Rn. 17). Teilweise ist aber auch schlicht die Rede von der herrschenden „subjektiven Einzeltheorie“. Danach liegt eine Verfügung über das „Vermögen im Ganzen“ vor, wenn (1.) ein einzelner Vermögensgegenstand veräußert wird, der im Wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, und (2.) wenn der Vertragspartner dies weiß. (Dethloff, FamR, 33. Auflage 2022, § 5 Rn. 60, s.a. BGH, NJW 2013, 1156, 1156). Wie @juratiopharm sagt, habt ihr also gewissermaßen alle recht und es dürfte im Ergebnis unerheblich sein, ob ihr die subjektive Beschränkung neben oder im Rahmen der Einzeltheorie (dann:
subjektive Einzeltheorie) prüft. Wichtig ist nur, beide Elemente anzusprechen. Ich hoffe ich konnte damit helfen! Beste Grüße Merle für das Jurafuchs-Team, @[Lukas_Mengestu](136780)