§ 105a Geschäfte des täglichen Lebens
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 30jährige dauerhaft Geisteskranke K kauft im Bioladen der V Erdnussbutter für €4. In Vorfreude auf ein leckeres Erdnussbuttersandwich läuft er glücklich nach Hause.
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Einordnung des Falls
§ 105a Geschäfte des täglichen Lebens
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K ist geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB). Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. § 105a BGB fingiert bei kleineren und ungefährlichen Geschäften des täglichen Lebens im Hinblick auf den Leistungsaustausch eine Wirksamkeit, und zwar ex nunc ab der wechselseitigen Leistungserbringung.
Ja, in der Tat!
3. Bei dem Kauf der Erdnussbutter handelt es sich um ein ungefährliches Geschäft des täglichen Lebens. Leistung und Gegenleistung sind bewirkt.
Ja!
4. § 105a BGB begründet keine Teil-Geschäftsfähigkeit für Geschäfte des täglichen Lebens. Sie fingiert einen wirksamen Vertragsschluss in Ansehung von Leistung und Gegenleistung und schafft damit einen Rechtsgrund.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ANY
1.3.2021, 21:56:36
Anstelle von geistig Behindert müsste es geistig oder seelisch Behindert heißen. Wobei auch das unpräzise ist, schließlich führt eine geistige oder seelische Behinderung nicht stets zur Geschäftsunfähigkeit.
Eigentum verpflichtet 🏔️
1.3.2021, 23:15:21
Hallo ANY, danke für deinen Kommentar. Wir beziehen uns hier auf den Gesetzestext in § 104 Nr. 2 BGB. Die Formulierung dort stimmt wohl nicht mehr mit der heutigen psychologischen Fachliteratur überein, ist aber die Formulierung, die in der juristischen Literatur und Rechtsprechung breit verwendet wird. Vgl. BGH NJW 2021, 63
HGWrepresent
11.1.2024, 17:22:59
Frage 1: WE nichtig? Antwort: Ja gem. § 105 I Frage 2: Geschäft geschlossen? Antwort: Ja. Wie passt das zusammen? Wie kann ohne WE ein Geschäft geschlossen werden? Die WE muss auch wirksam sein unter den besonderen Voraussetzungen des § 105a BGB oder nicht? Viele Grüße
Emil
12.1.2024, 11:37:50
Es handelt sich um eine WE iSd § 105a BGB dieser fingiert in diesem Fall eine wirksame WE.
HGWrepresent
12.1.2024, 14:12:12
Dann kann sie aber nicht nichtig sein, wie Frage 1 es impliziert.
Timurso
12.1.2024, 17:08:25
Doch, die Willenserklärung ist nichtig, sie wird nur fingiert, damit der Vertrag nicht rückabgewickelt werden muss. Vergleiche hier den Gesetzeswortlaut: § 105 BGB: Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. § 105a BGB: ... so GILT der ... geschlossene Vertrag ... ALS WIRKSAM Daraus folgt: Die Willenserklärung ist und bleibt nichtig. Es gibt keinen wirksamen Vertrag. Dieser wird nur im Rahmen der Fiktion ausnahmsweise als solcher behandelt.
Blotgrim
7.3.2024, 10:06:40
Ist zwar eine eher theoretische Frage, aber wie weit darf man die Gefahr im Rahmen des 105a verstehen. Geht man da auch vom Durchschnitt aus oder ist das individuell. Man könnte ja auch eine Erdnussallergie haben, dann ist so ein Glas Erdnussbutter sehr gefährlich, für den Durchschnitt ist es aber halt nur Erdnussbutter. Ist zwar wahrscheinlich eine Frage mit geringer Relevanz aber ich finde sie interessant.
Nora Mommsen
8.3.2024, 12:30:21
Hallo Blotgrim, danke für deine Frage! Der Telos der Ausschlusswirkung ist, dass der Geschäftsunfähige unter bestimmten Umständen vor sich selbst geschützt werden muss. Daher sind alle Gefahren umfasst, die eine Schädigung persönlicher oder wirtschaftlicher Güter droht. Das umfasst natürlich insbesondere Gesundheit, oder im Falle einer schweren Allergie sogar Lebensgefahren. Die Gefährdung kann auch von der erworbenen Sache selbst ausgehen, und nicht durch durch ihre (ggfs. missbräuchliche) Verwendung. Dies ist natürlich für jeden Falle einzeln zu beurteilen, insofern fiele dein Fall darunter. Dabei ist die einzige Rechtsfolge, dass kein fingierter Vertrag i.S.d. § 105a S. 1 BGB vorliegt wenn Leistung und Gegenleistung erbracht sind. Vertragspflichten entstehen sowieso nicht, die Fiktion schützt den Geschäftsunfähigen vor einem Rückgriff (§§ 812 oder
985 BGB). Eine etwaige Schädigung wäre über das Deliktsrecht oder andere Rechtsinstitute abzuwickeln. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team