Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

Grundwissen beschränkte Geschäftsfähigkeit, lediglich rechtlich vorteilhaft

Grundwissen beschränkte Geschäftsfähigkeit, lediglich rechtlich vorteilhaft

6. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 14jährige M bietet dem 20jährigen T ein aufgemotztes Mofa zum Preis von €450 an.

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Einordnung des Falls

Grundwissen beschränkte Geschäftsfähigkeit, lediglich rechtlich vorteilhaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M ist mit einem Alter von 14 Jahren beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt (§ 106 BGB). Wirksame Willenserklärungen können beschränkt Geschäftsfähige nur abgeben, wenn (1) diese lediglich rechtlich vorteilhaft (oder neutral) sind (§ 107 BGB) oder (2) die gesetzlichen Vertreter einwilligen oder nachträglich genehmigen (§§ 107, 108 BGB) oder (3) er die Leistung mit eigenen Mitteln bewirkt (§ 110 BGB) oder (4) ein Fall der §§ 112, 113 BGB vorliegt (selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts/Dienst- oder Arbeitsverhältnis).M ist in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.Die §§ 107-113 eröffnen Minderjährigen einen begrenzten (und kontrollierten) Freiraum zur selbständigen Teilnahme am Rechtsverkehr, indem sie ein rechtsgeschäftliches Handeln dieses Personenkreises nicht von vornherein unterbinden, sondern von der Zustimmung (§§ 182 ff.) des gesetzlichen Vertreters abhängig machen.
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2. Das gegenüber T geäußerte Angebot zum Verkauf des Mofas ist für M lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB).

Nein!

Beschränkt Geschäftsfähige können, wie sich im Umkehrschluss aus § 107 BGB ergibt, Willenserklärungen abgeben, die rechtlich lediglich vorteilhaft sind. Eine Willenserklärung ist lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn der Minderjährige nicht persönlich verpflichtet wird oder ein Recht des Minderjährigen aufgehoben oder beschränkt wird. Es kommt also (wiederum aus Gründen der Rechtssicherheit) nicht darauf an, ob die Willenserklärung wirtschaftlich vorteilhaft ist. M würde mit Abschluss des Kaufvertrags verpflichtet, dem T die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). Somit ist das Angebot für M nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kathi

Kathi

1.6.2024, 11:27:27

Liebe Alle, liebes Jurafuchs-Team, eine kurze Verständnisfrage: Angebote zum Verkauf oder Kauf AN einen beschränkt Geschäftsfähigen sind

rechtlich vorteilhaft

, weil sie erst einmal nur die Möglichkeiten eröffnen? Aber Angebote zum Verkauf oder Kauf VON einem beschränkt Geschäftsfähigen sind rechtlich nachteilhaft?

Niklas3461

Niklas3461

18.6.2024, 18:06:02

Liebe Kathi, würde ich so sehen, weil ja nach § 145 eine rechtliche Bindung an das Angebot besteht, soweit diese nicht ausgeschlossen ist. Würde man dann zulassen, dass der Mdj. Angebote abgeben kann so könnte der andere diese annehmen und der Minderjährige hätte dann ein Geschäft abgeschlossen was rechtlich nachteilig ist. Hoffe ich konnte dir helfen.

Skra8

Skra8

10.10.2024, 11:42:35

Hi @[Kathi](189118), so absurd es auch klingen mag, im Großen und Ganzen ist das, was du sagst, korrekt: Der Unterschied zwischen den Konstellationen „Von einem Minderjährigen“ und „An den Minderjährigen“ lässt sich besser verstehen, wenn man die dahinterstehende Systematik genauer betrachtet. Während sich die Konstellation „Von einem Minderjährigen“ direkt nach §

107 BGB

richtet, ist bei der Frage der Wirksamkeit der Willenserklärung in der Konstellation „An den Minderjährigen“ zunächst § 131 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB zu beachten. In der ersten Konstellation stellt sich sofort die Frage, ob das Angebot zum Kauf oder Verkauf eines Gegenstandes

lediglich rechtlich vorteilhaft

im Sinne des §

107 BGB

ist. Hierfür muss sich die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessern. (MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, BGB § 107 Rn. 38, beck-online) Das ist natürlich nicht der Fall, denn bei einem Kauf muss der Minderjährige gemäß § 433 Abs. 2 BGB den Kaufpreis zahlen, und bei einem Verkauf muss er gemäß § 433 Abs. 1 BGB die Kaufsache übergeben und das Eigentum daran verschaffen. Anders sieht es aus, wenn ein Kauf- oder Verkaufsangebot an den Minderjährigen gerichtet wird: Hier stellt sich zunächst die Frage, ob diese Willenserklärung des Anderen überhaupt wirksam geworden ist. Nach §§ 130 Abs. 1, 131 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1 BGB muss die Willenserklärung grundsätzlich dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen zugehen, um wirksam zu werden. § 131 Abs. 2 S. 2 BGB lässt jedoch ausnahmsweise den Zugang einer Willenserklärung zu, wenn sie

lediglich rechtlich vorteilhaft

ist. Der Begriff „

lediglich rechtlich vorteilhaft

“ im Sinne von § 131 Abs. 2 S. 2 BGB ist identisch mit dem in §

107 BGB

(BeckOGK/Gomille, 1.9.2022, BGB § 131 Rn. 17, beck-online). Betrachtet man ein an einen Minderjährigen gerichtetes Vertragsangebot, so sind die unmittelbaren Folgen dieses Angebots, dass der beschränkt Geschäftsfähige die Wahl zwischen „Annahme und Nichtannahme“ hat, wodurch der Minderjährige technisch gesehen sogar einen Zuwachs an Rechten erlangt (BeckOGK/Gomille, 1.9.2022, BGB § 131 Rn. 17, beck-online). Problematisch wird es dann allerdings wieder bei der Annahme dieses Angebots.

BEN

benjaminmeister

12.11.2024, 15:54:58

Naja, das Ergebnis ist genau genommen alles andere als absurd 😉 Ein gegenüber dem Minderjährigen gemachtes Angebot erweitert - wie mehrfach jetzt richtigerweise festgestellt wurde - dessen Rechtskreis nur, weshalb es folgerichtig

lediglich rechtlich vorteilhaft

ist. Die Annahme dieses gegenüber dem Minderjährigen gemachten Angebots durch den Minderjährigen wiederrum ist dann natürlich nicht mehr

lediglich rechtlich vorteilhaft

, weil dem Rechtskreis nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten hinzugefügt werden würden.

Skra8

Skra8

13.11.2024, 11:02:38

Hi @[benjaminmeister](216712), bitte verstehe mich nicht falsch; ich meine nicht, dass die Systematik nicht folgerichtig wäre. Das Vorgehen ist durchaus konsequent. Allerdings meine ich schon, dass es für jemanden, der sich ggf. das erste Mal damit beschäftigt, absurd klingen mag, dass das Angebot

lediglich rechtlich vorteilhaft

ist, weil man a) annehmen kann, was dann wiederum nicht mehr

lediglich rechtlich vorteilhaft

ist, oder b) ablehnen kann, was zu keiner Rechtsfolge führt. Ich meine nicht, dass das Thema so trivial zu verstehen ist. LG


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