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Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)
Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)
5. Februar 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (21.160 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A, B und C bohren nachts mit einem Bohrhammer ein Loch in die Tresorwand einer Bank, um dort einzubrechen. Bevor sie die Bank mit der Beute verlassen können, hören sie die Sirenen eines sich nähernden Polizeiautos. Sie fliehen mit dem von D organisierten Fluchtauto. Die Beute und die Werkzeuge lassen sie liegen.
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Einordnung des Falls
Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A, B und C könnten sich wegen versuchten mittäterschaftlichem Diebstahls strafbar gemacht haben, indem sie die Tresorwand durchbrachen, um aus dem Tresor Wertsachen zu entwenden (§§ 242 Abs. 1. Abs.2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wegen des von A, B und C mitgeführten Bohrhammers könnten sie sich außerdem wegen versuchten Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht haben (§§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. Setzt das „bei sich führen“ i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB voraus, dass A, B und C den Bohrhammer ununterbrochen in den Händen hielten?
Nein!
4. Der Bohrhammer ist eine Waffe i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 1 StGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Bohrhammer ist keine Waffe. Könnte er aber ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB sein?
Ja, in der Tat!
6. Der schwere Diebstahl bedeutet eine erhebliche Erhöhung des Strafrahmens im Vergleich zum einfachen Diebstahl (§ 242 StGB). Spricht das dafür, den Anwendungsbereich von § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB zu begrenzen?
Ja!
7. Für die Frage, ob ein anderes gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB vorliegt, kommt es gerade nicht auf die konkrete Art der Verwendung des Werkzeuges an.
Genau, so ist das!
8. Nach einer Ansicht kann § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB nur dann erfüllt sein, wenn der Täter die Werkzeuge im konkreten Fall zur Verletzung eines Menschen einsetzen will, sofern dies erforderlich ist. Hatten A, B und C diese Absicht ganz offensichtlich?
Nein, das trifft nicht zu!
9. Nach Ansicht des BGH reicht es aus, wenn ein Gegenstand seiner objektiven Beschaffenheit nach geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Haben A, B und C sich danach gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?
Ja!
10. Die Verwendungsabsicht ist bereits in § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB normiert. Spricht das für die subjektive Ansicht hinsichtlich der Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB?
Nein, das ist nicht der Fall!
11. D sollte nur das Fluchtauto beschaffen und dafür nur gering an der Beute beteiligt sein. Ist hier aufgrund seines Tatbeitrages abzugrenzen, ob er Täter oder Teilnehmer des Waffendiebstahls ist?
Ja, in der Tat!
12. D hat sich allein deswegen wegen eines versuchten mittäterschaftlichen Bandendiebstahl strafbar gemacht, weil der Diebstahl ohne ein Fluchtauto gar nicht stattgefunden hätte (§§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 25 Abs. 2 StGB).
Nein!
13. Könnten A, B und C sich weiter wegen versuchtem Bandendiebstahls strafbar gemacht haben (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)?
Genau, so ist das!
14. A, B und D hatten bereits vor dieser Tat gemeinsam Diebstähle begangen, C war „neu dabei“. Scheidet ein Bandendiebstahl von C von vornherein aus?
Nein, das trifft nicht zu!
15. Könnte D grundsätzlich Bandenmitglied sein, wenn er lediglich Beihilfe zu dem versuchten Diebstahl geleistet hat?
Ja!
16. Angenommen, A, B, C und D stellen eine Bande dar. Scheidet der Bandendiebstahl trotzdem aus, weil D bei Begehung der Tat nicht vor Ort war und er damit nicht „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ begangen wurde?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
HanDerenoglu
7.12.2024, 07:28:44
Da es hier verschiedene Arten von Diebstählen sind - wäre es eventuell hilfreich, wenn wir am Ende eine Übersicht/kurze Skizze bekommen würden, wie das geprüft wird - also welche Tatbestände getrennt und welche aber auch zusammen getan werden können
Konrad1522
14.12.2024, 22:15:35
Der Begriff der Waffenersatzfunktion wird hier mE nicht passend genutzt. Dieser wird eher im Zusammenhang mit einer Literaturansicht verwendet, die aber im Gegensatz zum BGH, der eine generelle Eignung zum Hervorrufen schwerer Verletzungen genügen lässt, fordert, dass das gef. Werkzeug im konkreten Fall sinnvollerweise keine andere Funktion als die als Waffe haben KANN (zB Baseballschläger oder Küchenmesser beim Bank
überfall). Dies ist hier gerade nicht der Fall, da der Bohrer ja zum Bohren verwendet wird. Diese Ansicht wird hier (im Gegensatz zu anderen Fällen bei
Jurafuchs) nicht dargestellt und mit der des BGH vermengt.
Linne_Karlotta_
21.12.2024, 15:48:59
Hey @[Konrad1522](153272), danke für den Hinweis. Du hast Recht, der BGH verwendet eine Definition des gefährlichen Werkzeuges, wonach es ausreicht, „wenn ein Gegenstand seiner objektiven
Beschaffenheitnach geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen“ (5. Strafsenat), Urteil vom 03.07.2024 – 5 StR 535/23). Danach läge nach der BGH-Ansicht bei dem Bohrer ein gefährliches Werkzeug vor. Bei der anderen Ansicht, die du angesprochen hast, handelt es sich nicht um eine Ansicht im engeren Sinne, sondern mehrere Argumentationsansätze innerhalb der Ansicht, die sich für die Auslegung des „anderen gefährlichen Werkzeuges“ für eine objektive Lösung ausspricht. Es handelt sich hierbei also nicht um Ansätze, die innerhalb der subjektiven Ansicht vertreten werden. Innerhalb der objektiven Lösung werden unterschiedliche Bestimmungskriterien vertreten (gefährliche Werkzeuge sind z.B. solche, die in der konkreten Tatsituation keine andere Funktion erfüllen können, als ggf. zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden oder die potenziell zu Verletzungszwecken eingesetzt werden können oder die „Waffenähnlichkeit“ oder eine „Waffenersatzfunktion“ aufweisen). Wir haben den Fall noch mal überarbeitet, um das deutlich zu machen. In der wichtigen Entscheidung BGH 52, 257, in der der BGH sich gegen subjektive Kriterien ausgesprochen hat, sah der Senat davon ab, das
Tatbestandsmerkmal„anderes gefährliches Werkzeug“ allgemeingültig zu definieren. Er wies darauf hin, dass eine Auslegung, „die unter Anwendung allgemeiner und für jeden
Einzelfallgleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung“ gewährleisten könne, nicht möglich sei. Insofern kritisieren Fischer und Schönke/Schröder eine
einzelfallorientiere, mitunter unsystematische Rechtsprechung zu dem
Tatbestandsmerkmal, der häufig eine konkret gefährliche Verwendung zugrunde liegt (Fischer, 71. Aufl. 2024, § 244, RdNr. 16; Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 244, RdNr. 5). Für das Examen ist es nicht erforderlich, alle unterschiedlichen Ansätze, die innerhalb der objektiven Ansicht vertreten werden, zu kennen. Es kommt vor allem darauf an, die objektive und subjektive Lösung zur Bestimmung des
Tatbestandmerkmals zu kennen und für und gegen diese argumentieren zu können. Viele Grüße – Linne, für das
Jurafuchs-Team
Dogu
4.1.2025, 14:44:02
Die Angabe, dass D nur geringwertig an der Beute beteiligt wird, sollte in den Sachverhalt aufgenommen werden und taucht so leider erstmals in der Subsumtion auf.
Linne_Karlotta_
4.1.2025, 15:13:13
Hey @[Dogu](137074), danke für Deine Rückmeldung. Wir arbeiten an dieser Stelle mit „nachgeschobenem Sachverhalt“. Das bedeutet, dass wir in der Frage (hier in Frage 11) eine
Aussagetreffen, die weiteren Sachverhalt enthält, bevor wir die Frage stellen. Auf diese Weise wird der Ausgangsfall nicht zu lang und ihr bekommt den für die Subsumtion notwendigen Sachverhalt an der Stelle, an der er für eure Bearbeitung relevant wird. Gerade, wenn wir Fälle aus der Rechtsprechung ausarbeiten, ist es oftmals nicht möglich, alle wichtigen Informationen so in den Sachverhalt aufzunehmen, dass die Aufgabe noch gut (auch auf dem Smartphone) zu bearbeiten ist. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das
Jurafuchs-Team
Alex
10.1.2025, 08:39:11
Hallo
Jurafuchs-Team. Danke für die Fallaufarbeitung! Ich hätte aber noch ein generelles Anliegen. Vielleicht wäre es möglich, neben „richtig“ und „falsch“, eine dritte Antwortmöglichkeit und zwar „strittig“ einzuführen. Erstens wäre dies nach meiner Meinung sinnvoll, da es ja bei Jura bekannterweise immer „darauf ankommt“. Zweitens würde das einige „unklare“ Fragestellungen etwas entschärfen (ich erwische mich oft dabei, dass ich weder „richtig“ noch „falsch“ drücken möchte, weil zB der Sachverhalt relativ kompakt ist). Drittens würde es Problembewusstsein zeigen, was ja gerade in den Klausuren wichtig ist. Viertens könnte dann in den darauffolgenden Fragen auf die einzelnen Meinungen eingegangen werden und somit direkt ein Streitaufbau simuliert werden. Viele Grüße!