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Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)

Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)

5. Februar 2025

6 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A, B und C bohren nachts mit einem Bohrhammer ein Loch in die Tresorwand einer Bank, um dort einzubrechen. Bevor sie die Bank mit der Beute verlassen können, hören sie die Sirenen eines sich nähernden Polizeiautos. Sie fliehen mit dem von D organisierten Fluchtauto. Die Beute und die Werkzeuge lassen sie liegen.

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Einordnung des Falls

Versuch des schweren Bandendiebstahls mit Waffen (BGH, Urt. v. 03.07.2024 - 5 StR 535/23)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A, B und C könnten sich wegen versuchten mittäterschaftlichem Diebstahls strafbar gemacht haben, indem sie die Tresorwand durchbrachen, um aus dem Tresor Wertsachen zu entwenden (§§ 242 Abs. 1. Abs.2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Weil der Sachverhalt nicht zwischen den Tatbeiträgen von A, B und C differenziert, bietet sich eine gemeinsame Prüfung der Strafbarkeit von A, B und C an. Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls setzt voraus: (1) Vorprüfung: Nichtvollendung und Strafbarkeit des Versuchs (2) Tatentschluss (a) Vorsatz bezüglich der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache (b) Zueignungsabsicht (c) Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung (d) Vorsatz bezüglich der mittäterschaftlichen Begehung (3) Unmittelbares Ansetzen (4) Rechtswidrigkeit (5) Schuld (6) Kein Rücktritt Die Tat ist nicht vollendet. Der Versuch ist nach §§ 242 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar. A, B und C wollten in den Tresor einbrechen, um Wertsachen zu entwenden. Sie haben bereits ein Loch in die Tresorwand gebohrt und die Wertsachen aus dem Tresor genommen. Damit haben sie zur Wegnahme unmittelbar angesetzt. Sie handelten ferner rechtswidrig und schuldhaft. Ein Rücktritt scheidet mangels freiwilliger Tataufgabe aus.
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2. Wegen des von A, B und C mitgeführten Bohrhammers könnten sie sich außerdem wegen versuchten Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht haben (§§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Du kannst die Qualifikation des § 244 StGB auch direkt zusammen mit dem Grunddelikt aus § 242 StGB prüfen. Aber gerade in den Fällen, in denen das Grunddelikt unproblematisch erfüllt, aber die Qualifikation problematisch erscheint, bietet sich eine getrennte Prüfung an. Ein Diebstahl mit Waffen nach §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1, Nr. 1a StGB setzt voraus, dass der Täter einen (versuchten) Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Auch hier ist bereits der Versuch strafbar (§ 244 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB).

3. Setzt das „bei sich führen“ i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB voraus, dass A, B und C den Bohrhammer ununterbrochen in den Händen hielten?

Nein!

Der Täter führt die Waffe oder das gefährliche Werkzeug bei sich, wenn ihm das Mittel während des Tathergangs zur Verfügung steht, d.h. so in seiner räumlichen Nähe ist, dass er es jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten benutzen kann. Der Bohrhammer, den A, B und C benutzten, um ein Loch in die Tresorwand zu machen, lag während der gesamten Zeit auf dem Boden vor dem Loch. Damit war er in A, B und Cs räumlicher Nähe. Sie konnten jederzeit, ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten, auf ihn zugreifen. Sie haben den Bohrhammer bei sich geführt.

4. Der Bohrhammer ist eine Waffe i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 1 StGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bevor Du § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB prüfst, solltest Du zunächst immer (zumindest gedanklich) prüfen, ob eine Waffe als „spezielles“ gefährliches Werkzeug vorliegt. Waffen sind solche Gegenstände, die nicht nur objektiv dazu geeignet, sondern nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Zustand allgemein dazu bestimmt sind, Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen. Der Bohrhammer mag zwar grundsätzlich dazu geeignet sein, Menschen erhebliche Verletzungen zuzuführen. Er ist aber dazu bestimmt, handwerkliche Tätigkeiten auszuführen, um Bauvorhaben durchzuführen. Er ist seiner Beschaffenheit und seinem Zustand nach nicht allgemein dazu bestimmt, Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen. Der Bohrhammer ist keine Waffen i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 1 StGB.

5. Der Bohrhammer ist keine Waffe. Könnte er aber ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB sein?

Ja, in der Tat!

Kommst Du zu dem Schluss, dass der Bohrhammer keine Waffe ist, solltest Du immer noch (zumindest kurz) auf die Frage eingehen, ob es sich um ein gefährliches Werkzeug handeln könnte. Als gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand anzusehen, der im Fall seines Einsatzes gegen Personen aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit die Eignung besitzt, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Wenn der Bohrhammer gegen Personen eingesetzt wird, kann er aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit erhebliche Verletzungen herbeiführen. Somit könnte er grundsätzlich „ein anderes gefährliches Werkzeug“ i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB sein.

6. Der schwere Diebstahl bedeutet eine erhebliche Erhöhung des Strafrahmens im Vergleich zum einfachen Diebstahl (§ 242 StGB). Spricht das dafür, den Anwendungsbereich von § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB zu begrenzen?

Ja!

Es besteht Einigkeit darüber, dass man das Tatbestandsmerkmal „ein anderes gefährliches Werkzeug“ restriktiv auslegen, also den Anwendungsbereich der Norm begrenzen, muss. Sonst wäre jeder Diebstahl, bei dem der Täter ein Werkzeug bei sich führt, das potenziell gefährlich sein könnte, bereits ein schwerer Diebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB. Dies würde letztlich dem Verhältnis des strafschärfenden Regelbeispiels zum einfachen Diebstahl widersprechen. Ansonsten könnte sich jemand schon wegen eines schweren Diebstahls strafbar machen, nur weil er einen Schraubenzieher oder einen Stock dabei hat.

7. Für die Frage, ob ein anderes gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB vorliegt, kommt es gerade nicht auf die konkrete Art der Verwendung des Werkzeuges an.

Genau, so ist das!

Hast Du festgestellt, dass das Merkmal des „gefährlichen Werkzeugs“ grundsätzlich eng ausgelegt werden muss, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, wie man das Merkmal begrenzen beziehungsweise definieren kann. Tappe nicht in die Falle und wende einfach die Definition an, die dir aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB bekannt ist! Auf die konkrete Verwendung kommt es bei einer gefährlichen Körperverletzung an. Dort wird ein gefährliches Werkzeug definiert als jeder körperliche, bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Diese Definition ist nicht auf die Bestimmung des gefährlichen Werkzeugs nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB übertragbar. Denn bei der gefährlichen Körperverletzung setzt der Täter das Werkzeug gerade zur Verletzung seines Opfers ein. Der Täter des § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB führt das gefährliche Werkzeug lediglich bei sich. Somit kann es i.R.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB nicht auf die konkrete Art der Verwendung des Werkzeugs ankommen.

8. Nach einer Ansicht kann § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB nur dann erfüllt sein, wenn der Täter die Werkzeuge im konkreten Fall zur Verletzung eines Menschen einsetzen will, sofern dies erforderlich ist. Hatten A, B und C diese Absicht ganz offensichtlich?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der konkret-subjektiven Betrachtung muss für das Merkmal eines anderen gefährlichen Werkzeuges i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB durch ein subjektives Element begrenzt werden. Der Täter führt danach ein gefährliches Werkzeug bei sich, wenn er den mitgeführten Gegenstand bei der Tat erforderlichenfalls so verwenden will, dass dieser im Falle des Einsatzes nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Fall erhebliche Verletzungen hervorrufen kann. Eine Begrenzung allein durch objektive Kriterien sei nicht möglich, weil jeder Gegenstand, je nach Verwendungsabsicht, dazu geeignet sein könne, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. A, B und C wollten das Werkzeug nur nutzen, um das Loch in die Wand zu bohren. Dafür spricht, dass sie nachts in die (menschenleere) Bank einbrechen wollten und dass sie es bei der Flucht nicht mitnahmen, um es gegen die eintreffenden Polizisten einzusetzen. Nach dieser Ansicht scheidet § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB aus. Weil der Täter seine Absicht i.d.R. nicht ausdrücklich erklären wird, kann eine Wertung der objektiven Umstände erforderlich sein, um auf den Täterwillen zu schließen.

9. Nach Ansicht des BGH reicht es aus, wenn ein Gegenstand seiner objektiven Beschaffenheit nach geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Haben A, B und C sich danach gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht?

Ja!

Nach der abstrakt-objektiven Betrachtung (BGH) ist als gefährliches Werkzeug jeder Gegenstand anzusehen, der aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Eine einschränkende Auslegung ist erforderlich, damit Alltagsgegenstände wie Krawatten, Stifte oder Gürtel nicht umfasst werden und das Tatbestandsmerkmal nicht uferlos wird. Ein Bohrhammer ist aufgrund seiner soliden, harten Materialien und der Fähigkeit, durch starke mechanische Einwirkung erheblichen Druck oder Stoßkraft zu erzeugen, dazu geeignet, bei einem Einsatz gegen Personen schwere Verletzungen zu verursachen. Somit ist er nach Ansicht des BGH ein anderes gefährliche Werkzeuge i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB. Im zweiten Examen solltest Du – ohne weiteren Begründungsaufwand – der Ansicht der Rspr. folgen. Im Zweifel hilft hier der Kommentar!

10. Die Verwendungsabsicht ist bereits in § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB normiert. Spricht das für die subjektive Ansicht hinsichtlich der Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Definition des § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB ist im ersten Examen ein klassisches Problem. Oft handelt es sich hier um Grenzfälle, bei denen eine gute Argumentation gefragt ist. Gegen die subjektive Ansicht spricht, (1) dass der Wortlaut der Norm keine Rückschlüsse auf das Erfordernis eines subjektiven Elements zulässt, (2) dass eine Verwendungsabsicht bereits in § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB normiert ist und so kein eigenständiger Anwendungsbereich für § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bliebe (Systematik), (3) dass § 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB nach seinem Sinn und Zweck gerade Fälle erfassen soll, die abstrakt-objektiv gefährlich sind, weil der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt und dadurch die latente Gefahr des Einsatzes als Nötigungsmittel besteht. Es ist daher der Ansicht der Rspr. zu folgen und die Strafbarkeit gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB zu bejahen. Daneben kommen die §§ 242 Abs. 1, Abs. 2, 243 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB in Betracht. § 303 Abs. 1 StGB und § 123 Abs. 1 StGB solltest Du nur ganz kurz ansprechen.

11. D sollte nur das Fluchtauto beschaffen und dafür nur gering an der Beute beteiligt sein. Ist hier aufgrund seines Tatbeitrages abzugrenzen, ob er Täter oder Teilnehmer des Waffendiebstahls ist?

Ja, in der Tat!

Wenn eine Beteiligte Person eine geringere Tatbeteiligung zu haben scheint, solltest Du immer kurz überlegen, ob diese Beteiligung noch für eine Täterschaft ausreicht oder „nur“ eine Teilnahme in Betracht kommt. Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gibt es unterschiedliche Theorien. Nach der subjektiven Theorie ist Täter, wer die Tat als eigene will. Danach ist allein der Täterwillen maßgeblich. Nach der Tatherrschaftslehre ist Täter derjenige, der als Zentralgestalt das Tatgeschehen nach seinem Willen hemmen, mitgestalten und lenken kann und daher das Tatgeschehen in seinen Händen hält. Nach der gemäßigt-subjektiven Theorie ist derjenige Täter, der die Tat als eigene will. Wann dies der Fall ist, soll anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände beurteilt werden, zu denen das Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Tatherrschaftswille gehören.

12. D hat sich allein deswegen wegen eines versuchten mittäterschaftlichen Bandendiebstahl strafbar gemacht, weil der Diebstahl ohne ein Fluchtauto gar nicht stattgefunden hätte (§§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 25 Abs. 2 StGB).

Nein!

Nach der subjektiven Theorie ist Täter, wer die Tat als eigene will. Nach der Tatherrschaftslehre ist Täter derjenige, der als Zentralgestalt das Tatgeschehen nach seinem Willen das Tatgeschehen in seinen Händen hält. Nach der gemäßigt-subjektiven Theorie ist derjenige Täter, der die Tat als eigene will, wobei es auf eine wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände ankommt. D war selbst nicht am Diebstahl beteiligt. Ihm sollte auch nur ein kleiner Teil der Beute zustehen. Er war damit nur in geringen Maßstab an der Tat selbst beteiligt und konnte sie nicht nach seinem Willen ablaufen lassen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass D die Tat als eigene wollte, wofür auch die geringe Tatbeteiligung spricht. A, B und C hätten den Diebstahl auch ohne Ds Fluchtauto begehen können. Damit scheidet nach allen Theorien eine Täterschaft aus. Hingegen ist eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) anzunehmen.

13. Könnten A, B und C sich weiter wegen versuchtem Bandendiebstahls strafbar gemacht haben (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Dafür müssten A, B und C eine Bande sein, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, und sie müssten unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds gestohlen haben (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB).

14. A, B und D hatten bereits vor dieser Tat gemeinsam Diebstähle begangen, C war „neu dabei“. Scheidet ein Bandendiebstahl von C von vornherein aus?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Vorliegen einer Bandenabrede könne nach dem BGH zwar auch aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken hergeleitet werden, es könne sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine bandenmäßige Begehung komme bereits ab der ersten von einer Tätergruppierung begangenen Tat in Betracht, wenn eine Übereinkunft, in Zukunft die im Gesetz genannten Delikte zu begehen, vorliegt (RdNr. 26). Anders die Vorinstanz: Das LG hatte keinen Bandendiebstahl bezüglich C geprüft. Der BGH hob dieses Urteil wegen rechtsfehlerhaften Feststellungen zum Vorliegen eines Bandendiebstahls auf. Das LG muss hier erneut prüfen. Bezüglich der Bandeneigenschaft, also der Frage, ob sie auch in Zukunft stehlen wollen, gibt der Sachverhalt hier nicht genügend Informationen. Insofern kann kein Bandendiebstahl angenommen werden.

15. Könnte D grundsätzlich Bandenmitglied sein, wenn er lediglich Beihilfe zu dem versuchten Diebstahl geleistet hat?

Ja!

Bandenmitglied kann auch sein, wer an den Straftaten lediglich als Gehilfe teilnimmt. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Die Beteiligung (Täterschaft oder Teilnehme) ist dabei zu trennen von der Frage der Bandenmitgliedschaft. Die Bandenmitgliedschaft stellt keine „intensivere Form“ der Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB dar, sondern ein „aliud“ (RdNr. 18). Die abstrakte Gefahr, die aus der bandenmäßigen Begehung von Diebstählen hervorgeht, besteht auch dann, wenn ein Mitglied regelmäßig nur Gehilfentätigkeiten ausführt. Es ist geradezu typisch für eine Bande, dass nicht jedes Bandenmitglied gleichwertige Tatbeiträge ausführt und die Bande hierarchisch und arbeitsteilig gegliedert ist.

16. Angenommen, A, B, C und D stellen eine Bande dar. Scheidet der Bandendiebstahl trotzdem aus, weil D bei Begehung der Tat nicht vor Ort war und er damit nicht „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ begangen wurde?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Merkmal „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds“ ist umstritten. Nicht erforderlich ist, dass die gesamte Bande die konkrete Tat begeht. Es genügt, wenn ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied beim Diebstahl in irgendeiner Weise zusammenwirken. Nach dem BGH braucht weder der Täter noch ein anderes Bandenmitglied am Tatort zu sein, es genüge sogar, wenn ein Dritter, der kein Bandenmitglied ist, die Wegnahmehandlung vornimmt. Für die Argumentation solltest Du dir den Strafgrund des Bandendiebstahls vor Augen führen. Durch die Bandenmitgliedschaft besteht eine erhöhte Motivation zur Begehung weiterer Taten (abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit durch erhöhte Organisationsgefahr). Aufgrund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens sind die Taten effektiver (erhöhte Ausführungsgefahr). Beide Gefahren bestehen auch, wenn nicht alle Täter am Tatort sind.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HANDE

HanDerenoglu

7.12.2024, 07:28:44

Da es hier verschiedene Arten von Diebstählen sind - wäre es eventuell hilfreich, wenn wir am Ende eine Übersicht/kurze Skizze bekommen würden, wie das geprüft wird - also welche Tatbestände getrennt und welche aber auch zusammen getan werden können

KO

Konrad1522

14.12.2024, 22:15:35

Der Begriff der Waffenersatzfunktion wird hier mE nicht passend genutzt. Dieser wird eher im Zusammenhang mit einer Literaturansicht verwendet, die aber im Gegensatz zum BGH, der eine generelle Eignung zum Hervorrufen schwerer Verletzungen genügen lässt, fordert, dass das gef. Werkzeug im konkreten Fall sinnvollerweise keine andere Funktion als die als Waffe haben KANN (zB Baseballschläger oder Küchenmesser beim Bank

überfall

). Dies ist hier gerade nicht der Fall, da der Bohrer ja zum Bohren verwendet wird. Diese Ansicht wird hier (im Gegensatz zu anderen Fällen bei

Jurafuchs

) nicht dargestellt und mit der des BGH vermengt.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

21.12.2024, 15:48:59

Hey @[Konrad1522](153272), danke für den Hinweis. Du hast Recht, der BGH verwendet eine Definition des gefährlichen Werkzeuges, wonach es ausreicht, „wenn ein Gegenstand seiner objektiven

Beschaffenheit

nach geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen“ (5. Strafsenat), Urteil vom 03.07.2024 – 5 StR 535/23). Danach läge nach der BGH-Ansicht bei dem Bohrer ein gefährliches Werkzeug vor. Bei der anderen Ansicht, die du angesprochen hast, handelt es sich nicht um eine Ansicht im engeren Sinne, sondern mehrere Argumentationsansätze innerhalb der Ansicht, die sich für die Auslegung des „anderen gefährlichen Werkzeuges“ für eine objektive Lösung ausspricht. Es handelt sich hierbei also nicht um Ansätze, die innerhalb der subjektiven Ansicht vertreten werden. Innerhalb der objektiven Lösung werden unterschiedliche Bestimmungskriterien vertreten (gefährliche Werkzeuge sind z.B. solche, die in der konkreten Tatsituation keine andere Funktion erfüllen können, als ggf. zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden oder die potenziell zu Verletzungszwecken eingesetzt werden können oder die „Waffenähnlichkeit“ oder eine „Waffenersatzfunktion“ aufweisen). Wir haben den Fall noch mal überarbeitet, um das deutlich zu machen. In der wichtigen Entscheidung BGH 52, 257, in der der BGH sich gegen subjektive Kriterien ausgesprochen hat, sah der Senat davon ab, das

Tatbestandsmerkmal

„anderes gefährliches Werkzeug“ allgemeingültig zu definieren. Er wies darauf hin, dass eine Auslegung, „die unter Anwendung allgemeiner und für jeden

Einzelfall

gleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung“ gewährleisten könne, nicht möglich sei. Insofern kritisieren Fischer und Schönke/Schröder eine

einzelfall

orientiere, mitunter unsystematische Rechtsprechung zu dem

Tatbestandsmerkmal

, der häufig eine konkret gefährliche Verwendung zugrunde liegt (Fischer, 71. Aufl. 2024, § 244, RdNr. 16; Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 244, RdNr. 5). Für das Examen ist es nicht erforderlich, alle unterschiedlichen Ansätze, die innerhalb der objektiven Ansicht vertreten werden, zu kennen. Es kommt vor allem darauf an, die objektive und subjektive Lösung zur Bestimmung des

Tatbestand

merkmals zu kennen und für und gegen diese argumentieren zu können. Viele Grüße – Linne, für das

Jurafuchs

-Team

Dogu

Dogu

4.1.2025, 14:44:02

Die Angabe, dass D nur geringwertig an der Beute beteiligt wird, sollte in den Sachverhalt aufgenommen werden und taucht so leider erstmals in der Subsumtion auf.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

4.1.2025, 15:13:13

Hey @[Dogu](137074), danke für Deine Rückmeldung. Wir arbeiten an dieser Stelle mit „nachgeschobenem Sachverhalt“. Das bedeutet, dass wir in der Frage (hier in Frage 11) eine

Aussage

treffen, die weiteren Sachverhalt enthält, bevor wir die Frage stellen. Auf diese Weise wird der Ausgangsfall nicht zu lang und ihr bekommt den für die Subsumtion notwendigen Sachverhalt an der Stelle, an der er für eure Bearbeitung relevant wird. Gerade, wenn wir Fälle aus der Rechtsprechung ausarbeiten, ist es oftmals nicht möglich, alle wichtigen Informationen so in den Sachverhalt aufzunehmen, dass die Aufgabe noch gut (auch auf dem Smartphone) zu bearbeiten ist. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das

Jurafuchs

-Team

Alex

Alex

10.1.2025, 08:39:11

Hallo

Jurafuchs

-Team. Danke für die Fallaufarbeitung! Ich hätte aber noch ein generelles Anliegen. Vielleicht wäre es möglich, neben „richtig“ und „falsch“, eine dritte Antwortmöglichkeit und zwar „strittig“ einzuführen. Erstens wäre dies nach meiner Meinung sinnvoll, da es ja bei Jura bekannterweise immer „darauf ankommt“. Zweitens würde das einige „unklare“ Fragestellungen etwas entschärfen (ich erwische mich oft dabei, dass ich weder „richtig“ noch „falsch“ drücken möchte, weil zB der Sachverhalt relativ kompakt ist). Drittens würde es Problembewusstsein zeigen, was ja gerade in den Klausuren wichtig ist. Viertens könnte dann in den darauffolgenden Fragen auf die einzelnen Meinungen eingegangen werden und somit direkt ein Streitaufbau simuliert werden. Viele Grüße!


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