Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hausmann M kümmert sich um das Eigenheim, während seine Ehefrau F auf Geschäftsreise ist. Als die Waschmaschine kaputt geht, kauft M ohne Rücksprache mit F ein neues Gerät bei U auf Rechnung zum Preis, der den Lebensverhältnissen der Ehegatten entspricht. U verlangt Zahlung von F, weil M kein eigenes Einkommen besitzt.

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Einordnung des Falls

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat F wirksam gegenüber U vertreten (§ 164 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Voraussetzung für eine wirksame Stellvertretung sind: (1) die Zulässigkeit der Stellvertretung, (2) die Abgabe einer eigenen Willenserklärung des Vertreters, (3) im Namen des Vertretenen, (4) innerhalb seiner Vertretungsmacht. M hat jedoch nicht deutlich gemacht, dass er in fremden Namen handelt. Nach dem Offenkundigkeitsprinzip muss der Vertreter entweder ausdrücklich (§ 164 Abs. 1 S. 2. Alt. 1 BGB) oder konkludent (§ 164 Ab. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft Fremdwirkung entfalten soll. Damit fehlt es hier an der Offenkundigkeit für eine wirksame Stellvertretung, da M nicht offengelegt hat, F zu vertreten.
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2. Es handelt sich um ein Geschäft für den, den es angeht, bei dem eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz gemacht wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip liegen immer dann vor, wenn der Geschäftspartner nicht schutzwürdig in Bezug auf die Fremdwirkung ist. Das liegt insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens vor, bei denen die Leistungen sofort ausgetauscht werden (sog. verdeckte Geschäft für den, den es angeht). Dem Geschäftsgegner ist sein Geschäftspartner hier völlig gleichgültig. Hier kauft M die Waschmaschine auf Rechnung, es handelt sich somit um kein Bargeschäft. Gleichzeitig haben Waschmaschinen einen erheblichen Wert, weshalb der Verkäufer Interesse an einem liquiden Vertragspartner hat.

3. Ehepartner können auch ohne wirksame Stellvertretung durch den anderen Ehegatten verpflichtet werden (§ 1357 BGB).

Ja!

Nach § 1357 Abs. 1 ist jeder Ehegatte dazu berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten durch Gesetzeskraft berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Sinn und Zweck ist es dabei beiden Ehepartnern eine eigenverantwortliche Haushaltsführung zu ermöglich, unabhängig davon, ob sie eigenes Einkommen oder Vermögen besitzen (sog. Schlüsselgewalt).

4. Der Kauf der Waschmaschine ist ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB).

Genau, so ist das!

Als Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs zählt dazu alles, was zur Haushaltsführung und der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse der Ehepartner und der Kinder erforderlich ist. Der Begriff ist weit zu verstehen, da jeder Ehegatte auch außergewöhnliche Geschäfte vornehmen können, die keinen Aufschub dulden, z.B. die Unterbringung eines Kindes im Krankenhaus. Grundlagengeschäfte wie z.B. Abschluss und Kündigung von Mietverträgen sind jedoch nicht umfasst. Angemessen ist das Geschäft, wenn es von einem Ehegatten selbstständig ,also auch ohne vorheriger Absprache mit dem anderen Ehegatten, getätigt werden kann; hierbei kommt es auf den äußerlich erkennbaren Zuschnitt der individuellen Verhältnisse, wie es sich für den objektiven Betrachter darstellt, an Bei dem Kauf der Waschmaschine handelt es sich um ein Geschäft zur Haushaltsführung, die auch den Verhältnissen der Ehegatten entspricht.

5. U kann von F Zahlung des Kaufpreises für die Waschmaschine verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für die Zahlung des Kaufpreisanspruchs ist bestehen eines wirksamen Kaufvertrags (§ 433 BGB). Vorliegend haben sich nur M und U über den Kauf der Waschmaschine geeinigt. Für eine Stellvertretung der F durch M mangelte es der Offenkundigkeit. Jedoch wurde sie als Ehepartner des M durch Gesetzeskraft mitverpflichtet, da es sich bei dem Kauf um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs handelt (§ 1357 BGB). Damit sind M und F Gesamtschuldner (§ 421 BGB). Mithin kann U Zahlung des Kaufpreises sowohl von M als auch von F verlangen. Gleiches gilt auch für die eingetragene Lebenspartnerschaft (§ 8 Abs. 2 LPartG).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

22.12.2020, 18:01:15

Hintergrundfrage: Wenn M nirgendwo klar zu erkennen gab, dass es da seine F gibt, wie kommt V dann auf die Idee, seinen Anspruch gegen F statt M zu richten?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

23.12.2020, 00:36:06

Hey Isabel, das einzige was mir (neben einer Bemerkung des M) einfällt, ist, dass F und M einen Ehevertrag haben, was dann im Güterrechtsregister einzutragen wäre.

EI

Eike-Christian

9.4.2023, 11:36:06

Ist zwar sehr spät, aber: Der M trägt einen Ehering. Es scheint also eine(n) F zu geben ... Das Güterrechtsregister war ja nie Pflicht, soweit ich weiß, und ist mangels Nutzung jetzt abgeschafft worden, so dass es außer dem Ring keinen Hinweis mehr gibt.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

7.7.2023, 10:52:09

Der Vertrag wird erst geschlossen. Anschließend teilt M mit, dass die Rechnung an F adressiert werden soll.

SI

silasowicz

9.8.2023, 16:20:41

Kleine Aufbaufrage: Ich würde also aus dem § 164er-Schema komplett rausfliegen unter "im Namen des Vertretenen" und dann komplett neu ansetzen mit § 1357. Würde ich das im Ergebnis dann auch Stellvertretung nennen? In gewisser Weise wäre das ja dann eine gesetzliche Vertretungsmacht (Wortlaut § 1357 "mit Wirkung für")...

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 16:31:51

Hallo silasowicz, es gibt natürlich - wie auch sonst in der Juristerei - keine klare Antwort. Jedoch ist die gängige Methode, dass man zunächst bei der fehlenden Offenkundigkeit i.R.d. § 164 I BGB rausfliegt und dann einen neuen Gliederungspunkt aufmacht mit der Überschrift "Mitverpflichtung gem.

1357 BGB

" :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Rechthaber

Rechthaber

13.4.2024, 19:50:49

fehlt in der Prüfung nicht noch das Merkmal der Angemessenheit, das doch das entscheidende Merkmal ist ? Könntet ihr die Prüfung der Angemessenheit bitte noch ergänzen ?

LELEE

Leo Lee

14.4.2024, 09:03:00

Hallo Marcel A., vielen Dank für den wichtigen Hinweis! In der Tat hat da noch eine Ausführung zur Angemessenheit gefehlt, weshalb wir entsprechende Ausführungen mit aufgenommen haben, damit keine Missverständnisse mehr künftig entstehen können. Wir möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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