Handeln unter fremden Namen: Identitätstäuschung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A möchte seine alte Miniatureisenbahn auf eBay verkaufen. Weil er keinen eigenen Account hat, nutzt er den gut bewerteten Account „Butterblume123“ seiner Freundin F ohne deren Wissen. Das Passwort lag offen auf dem Schreibtisch. B ist Höchstbietender und verlangt Lieferung von F.
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Einordnung des Falls
Handeln unter fremden Namen: Identitätstäuschung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat durch Einstellen des Gebots eine Willenserklärung zum Verkauf der Miniatureisenbahn an den Höchstbietenden abgegeben.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat in fremdem Namen gehandelt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Regeln der Stellvertretung sind auf das Handeln unter fremdem Namen im Falle einer Identitätstäuschung (analog) anzuwenden.
Ja!
4. A ist zur Stellvertretung der F bevollmächtigt (§ 167 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. A ist durch den Rechtsschein der Duldungsvollmacht zur Stellvertretung berechtigt.
Nein, das trifft nicht zu!
6. A ist durch den Rechtsschein der Anscheinsvollmacht zur Stellvertretung der F berechtigt.
Nein!
7. B kann von A wahlweise Erfüllung oder Schadensersatz verlangen (§ 179 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DonQuiKong
1.3.2020, 17:34:06
Bei der zweiten Frage wird die Antwort “falsch“ akzeptiert, im Text steht dann jedoch, es läge ein Handeln in fremdem Namen vor
Marilena
1.3.2020, 22:21:23
Danke für den Hinweis! Das ist so richtig. Im Text steht, dass ein „
Handeln UNTER fremdem Namen“ vorliegt. Es liegt gerade kein ausdrückliches oder konkludentes „Handeln IN fremdem Namen“ vor, wie es in der zweiten Frage lautet und womit das
Offenkundigkeitsprinzipder Stellvertretung (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB: „Eine Willenserklärung, die jemand [...] im Namen des Vertretenen abgibt...“) gewahrt wäre. Verstehst Du den Unterschied?
DonQuiKong
11.4.2020, 18:09:38
Ja, das war mir entgangen, danke.
PB_14
24.3.2020, 18:22:06
Ich finde die Frage "Auf ein
Handeln unter fremden Namenfinden die Grundsätze der Stellvertretung Anwendung" unpassend, da die Antwort weder "ja" noch "nein" lauten dürfte, sondern "kommt drauf an". Bei der
Namenstäuschungwird der Handelnde selbst gebunden, sodass die §§ 164 ff. BGB keine Anwendung finden. Bei der
Identitätstäuschungsind die §§ 164 ff. BGB hingegen anwendbar. Man sollte die Fallfrage mehr auf den konkreten Fall zu schneiden, sodass man ruhigen Gewissens mit "ja" antworten kann.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.9.2020, 15:39:04
Hallo PB_14, danke für den super Kommentar! Du hast mit der Unterscheidung absolut recht und diese ist auch, gerade im Hinblick vor der Entscheidung BGH NJW 2013, 1946, die im 1. Examen 2020/I in Rheinland-Pfalz lief, äußerst wichtig! Wir haben das bei dem betreffenden Frage/Antwort-Paar ergänzt!
Elisabeth
31.8.2020, 11:29:07
Warum kommt in dem Fall keine Bindungswirkung für die B auf Grund von allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen in Betracht? Ich finde, dadurch dass man einen Account erstellt, entsteht für den objektiven Verkehrskreise schon der Rechtsschein hinter dem Account steht eine Person, die für Verpflichtungen/Angebote auf ihrem Account verantwortlich wird. Und die besondere Zurechnung an die B dadurch, dass das Passwort offen herumlag? Oder ist dieses Institut der Allgemeinen Rechtsscheinhaftung einfach nur in bestimmten Fallgruppen anzuwenden?
Elisabeth
31.8.2020, 11:30:31
Übrigens auf einer der ersten Fragen gibt es einen Tippfehler, es müsste „Das Einstellen“ heißen und nicht „Das Einstellung“ ;)
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.9.2020, 15:28:04
Hallo Elisabeth, danke für deine Frage. Für das BGB anerkannte Rechtsscheinsgrundsätze im Bezug auf die Stellvertretung, abseits der gesetzlichen Fälle (§§ 171, 172, 173 BGB, 56 HGB), sind nur
Duldungs- und
Anscheinsvollmacht. Deren besondere Voraussetzungen würden unterlaufen, wollte man wie es teilweise etwa im Handelsrecht angenommen wird, eine allgemeine Rechtsscheinshaftung annehmen. Da hier (vgl unsere Lösung) A nicht von B bevollmächtigt wurde und die Voraussetzungen der
Duldungs- und
Anscheinsvollmachtnicht vorliegen, muss sich B die WE des A nicht zurechnen lassen. Den Tippfehler haben wir korrigiert, nochmal vielen Dank!
Lulu 🐙
17.11.2020, 09:50:17
Ich sehe zum ersten Mal die Tags streitig/examensrelevant. Plant ihr die Fälle zum Beispiel auch oben als eigenen Reiter neben Favoriten und Wiederholen aufzuführen oder in einer eigenen Kategorie zusammenzufassen? Das wäre bestimmt sehr hilfreich. Ich bin gerade zufällig auf den Fall gestoßen, nachdem wir ihn heute im Rep gemacht haben ✌🏻😊
Wendelin Neubert
13.5.2021, 20:00:35
Hi Lulu! Danke für deine Frage und sorry für die späte Antwort. Für die Fälle mit den Tags streitig bzw examensrelevant gibt es eigene playlists, die du aufrufen kannst 😊 einen eigenen Reiter in der Kapitelübersicht haben wir dafür bislang nicht geplant. Beste Grüße - Wendelin, für das Jurafuchs-Team
Faby
6.4.2022, 14:23:14
Durch das Einblenden dieser Tags kann man den eingeblendeten Auszug aus den eBay-AGB nicht lesen 😕
ErdbärIn
12.5.2021, 21:08:26
Bei der letzten Frage: Müsste es dann nicht § 179 BGB analog heißen?
Tigerwitsch
12.5.2021, 22:07:34
Du hast recht 👍🏻 Der BGH führt hierzu aus: „Das Gesetz (vgl. §§ 164, 177, 179 BGB [analog]) weist das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht des Handelnden dem Geschäftsgegner und nicht demjenigen zu, in oder unter dessen Namen jemand als Vertreter oder scheinbarer Namensträger auftritt.“ (Rn. 25 der o. g. Entscheidung)
Wendelin Neubert
13.5.2021, 20:16:57
Hallo ErdbärIn! Danke für deine Frage! Die Rechtsfrage, ob die 164ff., 177, 179 hier direkt oder analog anwendbar sind, ist umstritten. Die Entscheidung kann jedoch dahinstehen, da über die Anwendung der Regeln hier Einigkeit besteht. Deshalb haben wir in den Hinweistexten lediglich darauf hingewiesen, dass die Regeln entweder direkt oder analog angewandt werden können. Du kannst es dir also aussuchen 🙂! Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
jomolino
7.2.2022, 12:47:06
Es ist immer noch irreführend da es häufig vergleichbare Konstellationen gibt, in denen dann in der Folgefrage kommt ob die Regeln analog anwendbar sind nachdem die erste Frage zu verneinen war. Vielleicht könnte man das einfach in Klammern dahinter setzen wenn es eh egal ist, dann verwirrt es einen nicht :)
Cocos.lawstudy
4.5.2022, 20:29:23
Es steht jetzt nichts, ob sie ein Paar sind und wie lange oder nur freundschaftliche Freunde. Aber ich hatte die Idee, wenn sie schon länger zusammen sind, sodass sie ganz eng sind -> könnte man vielleicht die § von Eheleuten analog anwenden? Dass jeder den Partner vertreten darf, für und gegen ihn handeln darf? Weil im Alltag ist das ja fast schon normal, dass man mal ne sms für die Freundin schreibt oder mal in ihrem Account ist.
Lukas_Mengestu
5.5.2022, 10:09:12
Liebe Corina, schöner Gedanke. In der Tat könnte man an die sog. Schlüsselgewalt denken (§
1357 BGB) und ob eine analoge Anwendung auch auf nichteheliche Gemeinschaften in Betracht kommt. Dies wird indes ganz herrschend abgelehnt (vgl. Hahn, in: BeckOK BGB, 61.Ed. 01.02.2022, § 1357 RdNr. 7). Wenn die Nutzung des Accounts des anderen in der Beziehung normal ist, dann dürfte regelmäßig bereits eine
Duldungsverfügung vorliegen. Denn dann weiß der/die Partnerin ja von der Nutzung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Cocos.lawstudy
5.5.2022, 15:47:51
ok. Danke lieber Lukas 👍
Lukas_Mengestu
5.5.2022, 16:22:08
Sehr gerne :-)
Gnu
9.1.2023, 05:46:25
Hallo liebes Team, auf dem Banner steht ja explizit, dass das strittig ist. In den Antworten kommt aber nicht heraus, was strittig ist und wie die andere Meinung aussieht bzw. was deren Argumente sind. Könntet ihr das ergänzen? :)
lennart20
5.4.2023, 15:34:48
In der Box steht, dass dieser Sachverhalt strittig ist. Ich kann leider nicht herauslesen, was die Ansichten bzw die Argumente zu diesen Ansichten sind? Könntet ihr mir auf die Sprünge helfen?
Seriouz0G
1.5.2023, 18:25:31
Wie ist denn der Umstand iRd Haftung zu bewerten, dass F die Zugangsdaten „ungeschützt“ hat liegen lassen?
silasowicz
9.8.2023, 18:32:21
Mir ist aufgefallen, dass ihr in vorherigen Aufgaben nach "
Handeln unter falschem Namen"und "
Handeln unter fremdem Namen" differenziert. Das war für mich so auch schlüssig, allerdings bin ich jetzt irritiert, weil ihr hier nur noch "
Handeln unter fremdem Namen" aufführt und dann im Rahmen dieser Bezeichnung nach Identitäts- und
Namenstäuschungdifferenziert. Wird das andererseits so vertreten? "Falsch" und "fremd" sind ja nicht so verschieden, im Ergebnis ist ein falscher Name auch ein fremder Name, aber vielleicht gibt es ja noch eine überzeugendere Erklärung, was hier der Standard ist?
Leo Lee
10.8.2023, 16:20:00
Hallo silasowicz, die Begriffe sind synonym, d.h. mit "falscher" Name ist "fremder" Name gemeint :). D.h., die Geschichte mit Identitäts- und
Namenstäuschungkönnte genauso unter handeln unter "falschem" Namen thematisiert werden :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
JCF
31.7.2024, 19:27:17
Im ersten Fall steht in einem Maßstabskasten "Vom Handeln in fremden Namen [...] sind das
Handeln unter falschem Namen(
Namenstäuschung) und das
Handeln unter fremdem Namen(
Identitätstäuschung) abzugrenzen". 🧐🤔
JCF
31.7.2024, 19:39:57
Bei diesen beiden Fällen wird explizit zwischen
Handeln unter falschem Namenund
Handeln unter fremdem Namendifferenziert: https://applink.jurafuchs.de/s7NUH3HzGLb https://applink.jurafuchs.de/ddWW8BOzGLb
Afrim
26.9.2023, 13:24:01
Wie würde man das Problem in der Prüfung aufbauen, wenn nach Ansprüchen gegen A oder F gefragt wird? Fängt man mit dem Accountinhaber an oder mit demjenigen, der sich unbefugt einloggt? Es soll eine gute Struktur ergeben und nicht durcheinander geprüft werden.
Jonas22
5.12.2023, 23:11:01
Liebes Jurafuchsteam, bei der Aufgabe wird mir nicht so richtig klar, was die verschiedenen Ansichten sind. Dabei wird explizit geschrieben, dass die Lösung des Falles streitig sei. Daher wäre es gut, wenn man die verschiedenen Ansichten + Argumente lesen könnte. Das ist mir auch im StrafR AT aufgefallen, dass oft vor allem die h.M bzw. die des BGH genannt wird. Aber im ersten Examen kommt es doch vor allem auf die Darstellung von verschiedenen Ansichten bei Streits an. Insofern wäre es super, wenn die verschiedenen Ansichten + Argumente gennant wären.
QuiGonTim
23.2.2024, 17:17:35
Scheitern die Anscheins- und die
Duldungsvollmacht nicht schon daran, dass beide ein mehrfaches Auftreten im Namen des Geschäftsherren voraussetzen? Es würde im vorliegenden Fall also schon daran scheitern, dass der fremde Account bloß einmalig genutzt wurde.
Leo Lee
26.2.2024, 17:20:41
Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wird bei der
Anscheinsvollmachtgefordert (so auch in der Entscheidung bei Rn. 23, findest du hier: https://lexetius.com/2011,2193), dass bereits mehrmals als Vertreter aufgetreten wurde. Beachte, noch, dass ein wiederholtes Auftreten auch in der Rsrp. Nicht einheitlich gehandhabt wird! Wir haben uns vorliegend auf die Kenntnis bzw.
fahrlässige Unkenntniskonzentriert, da dieser Aspekt das „Herzstück“ der Entscheidung bildete und den Kern dieser Aufgabe sein sollte. Wir bitten insofern um Verständnis, dass wir nicht alle Aspekte (wie eben das von dir zutreffend genannte wiederholte Auftreten) einbeziehen können :). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre der oben zitierten Randnummer und auch des MüKo-BGB 9. Auflage, Schubert § 167 Rn. 107 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Unterfertigter
16.4.2024, 00:23:24
Ich stehe gerade auf dem Schlauch: Wieso ergibt sich nach dem
objektiven Empfängerhorizont, dass A eine Willenserklärung abgegeben hat? Es ist doch nicht sein Konto. Ein
objektiver Dritterwürde doch davon ausgehen, dass der Kontoinhaber das Angebot unterbreitet, nicht ein Dritter
Paulah
3.5.2024, 03:20:05
Eine wirksame Stellvertretung liegt nicht vor. A hat
unter fremdem Namengehandelt (
Identitätstäuschung, weil der objektive Dritte davon ausgeht, dass er mit dem Kontoinhaber kontrahiert). § 179 BGB ist dann analog anzuwenden (analog, weil derjenige, der die
Identitätstäuschungvornimmt, kein Vertreter ist) und das Angebot wirkt für und gegen A.
simon175
21.5.2024, 17:37:01
Bei der zweiten Frage steht in der Subsumtion, dass A im fremden Namen gehandelt hat, dies stimmt nicht mit der vermeintlich richtigen Antwort auf die Frage überein. Auch im späteren Teil der Aufgabe heißt es, dass bei der Nutzung von fremden eBay Konten ein Handeln im *fremden* Namen vorliegt.
Lukas_Mengestu
6.6.2024, 13:20:10
Hi Simon, vielen Dank für die Nachfrage. Hier musst Du aber zwei Konstellationen unterscheiden, nämlich das Handeln "IN fremdem Namen" =
Offenkundigkeitsprinzipgewahrt, d.h. der Vertretene wird verpflichtet, sofern eine Vollmacht bestand und einem Handeln "
UNTER fremden Namen". Deswegen war die zweite Aussage falsch. Auf das
Handeln unter fremden Namenwerden die Regelungen der Stellvertretung nach h.M. aber analog angewandt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Niklas3461
2.7.2024, 15:02:16
Ist für eine
Anscheinsvollmachtnicht nach h. M. ein mehrfaches Handeln erforderlich, dass würde das einmalige Benutzen des Ebay Accounts in diesem Fall ja auch nicht darstellen. Oder sehe ich das falsch?