Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Handeln unter fremdem Namen: Namenstäuschung

Handeln unter fremdem Namen: Namenstäuschung

10. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Politiker P möchte mit seiner Geliebten für ein Wochenende in ein edles Hotel am Starnberger See fahren. Damit seine Frau und die Presse davon nichts mitbekommen, bucht er das Zimmer unter dem Namen M.

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Einordnung des Falls

Handeln unter fremdem Namen: Namenstäuschung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P hat eine eigene Willenserklärung abgegeben.

Ja!

Tritt eine Person nach außen erkennbar als Hilfsperson auf, muss untersucht werden, ob sie eine eigene Willenserklärung im Sinne des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB abgibt oder lediglich die Willenserklärung ihres Geschäftsherrn überbringt. Dies dient der Abgrenzung der Stellvertretung von der Botenschaft. Wenn die handelnde Person jedoch gar nicht als Hilfsperson auftritt, sondern nach außen erkennbar ein Eigengeschäft tätigen möchte, bedarf es einer solchen Untersuchung nicht. In diesem Fall liegt denklogisch eine eigene Willenserklärung vor. P hat nicht zu erkennen gegeben, dass er für eine Person namens M handelt. Vielmehr hat er selbst behauptet, sein Name sei M.
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2. P hat die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vom Handeln in fremdem Namen nach § 164 Abs. 1 BGB ist das Handeln unter fremden Namen abzugrenzen. Beim Handeln unter fremden Namen möchte die handelnde Person nach außen erkennbar ein Eigengeschäft abschließen und behauptet dabei, Träger eines Namens zu sein, der nicht ihrem eigenen entspricht. P wollte die Hotelbuchung nach außen erkennbar als Eigengeschäft abschließen. Dabei behauptete er, dass sein Name M sei.

3. Es liegt eine bloße Namenstäuschung vor.

Ja!

Eine Namenstäuschung liegt vor, wenn die handelnde Person bei Abgabe einer Willenserklärung einen Namen verwendet, der nicht ihrem eigenen entspricht, ein objektiver Erklärungsempfänger jedoch davon ausgeht, mit der vor ihm stehenden Person und nicht mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Dies ist dann der Fall, wenn die Identität des Vertragspartners für die Art des konkreten Rechtsgeschäfts nicht von Bedeutung ist. Bei Hotelbuchungen ist die Identität des Vertragspartners wegen der kurzen Vertragsdauer und der direkten Bezahlung regelmäßig nicht wichtig. Ein objektiver Erklärungsempfänger wird davon ausgehen, mit P selbst zu kontrahieren. Damit liegt eine bloße Namenstäuschung vor.

4. P und das Hotel haben einen Vertrag geschlossen.

Genau, so ist das!

Im Falle einer bloßen Namenstäuschung kommt ein Vertrag zwischen dem unter falschem Namen Handelnden und dem Vertragspartner zustande.

5. Jemand, der den von P benutzten Namen M hat, kann das Rechtsgeschäft nach § 177 BGB an sich ziehen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die §§ 164ff. BGB und somit auch § 177 BGB finden bei einer bloßen Namenstäuschung keine Anwendung. Eine Person, die Träger des für die Namenstäuschung verwendeten Namens ist, kann einen solchen Vertrag nicht nach § 177 BGB genehmigen und dadurch selbst Vertragspartei anstelle des Handelnden werden.

6. Wer beim Handeln unter fremden Namen aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet wird, richtet sich danach, wer aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers Vertragspartner wird.

Ja!

Entscheidend ist, ob bei der Art des konkreten Rechtsgeschäfts nach objektivem Empfängerhorizont die Identität des Vertragspartners von Bedeutung ist. Bei einem Geschäft, bei dem die Identität des Vertragspartners nicht relevant ist, erwartet ein objektiver Erklärungsempfänger, einen Vertrag mit der Person zu schließen, die vor ihm steht. Verwendet diese nicht ihren eigenen Namen, ist dies eine bloße sog. Namenstäuschung. Ist die Identität des Vertragspartners dagegen für ein Geschäft von Bedeutung, erwartet ein Erklärungsempfänger, mit dem wahren Namensträger zu kontrahieren. Ist dies nicht die Person, die den Namen für sich verwendet, liegt eine sog. Identitätstäuschung vor. Die Namenstäuschung wird teils auch als "Handeln unter falschem Namen" bezeichnet. Zur Abgrenzung zwischen Namenstäuschung und Identitätstäuschung siehe Grüneberg, 83.A. 2024, § 164 BGB RdNr. 10ff.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

20.3.2022, 16:30:03

Könnte mir jemand nochmal ein paar Fallbeispiele zur Namens-/

Identitätstäuschung

oder die Abgrenzungskriterien nennen? Im vorliegenden Fall wäre ich schon davon ausgegangen, dass die Identität des Hotelgastes von Bedeutung ist, um beispielsweise Schadenersatzforderungen wegen Beschädigungen der Einrichtung des Hotelzimmers geltend machen zu können.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.3.2022, 09:01:33

Hallo QuiGonTIm, im Laufe der Session kommen noch einige weitere Abgrenzungsfälle - ich hoffe, dadurch wird es etwas klarer. Grundsätzlich gilt, dass bei Bargeschäften oder Verträgen, wo die Bonität keine/wenig Bedeutung hat, von einer reinen

Namenstäuschung

gesprochen wird. Als typisches Beispiel wird dhier die Hotelbuchung, Tisch- oder Taxireservierung herangezogen (vgl. Schubert, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 164 RdNr. 151). Die Möglichkeit, dass es im Nachgang noch zu weiteren Schadensersatzforderungen kommen könnte, spielt insoweit hier nur eine untergeordnete Rolle. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Philipp M.

Philipp M.

12.1.2024, 12:59:00

kann der/die "richtige" M im Falle einer

Identitätstäuschung

gem. § 177 I BGB genehmigen und - wie ihr es nennt - an sich ziehen? also geht das nur im Falle einer

Namenstäuschung

nicht oder schließen beide Variationen (Namens- sowie

Identitätstäuschung

) den § 177 I BGB aus?

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 16:00:05

Hallo Philipp M., vielen Dank für die gute Frage! Bei der sogenannten

Namenstäuschung

(also der Erklärende handelt unter einem „falschen Namen“), kommt es etwas darauf an, wie die Konstellation genau gelagert ist. Wenn die „falsche“ Identität dem Gegenüber (also Hotel) egal ist, dann kommt der Vertrag zustande. D.h., wenn der Erklärende (der Mayer heißt) behauptet, er sei Horst Müller und es dem Hotelier egal ist welcher Horst Müller vor ihm steht, dann kommt ein Vertrag mit dem Mayer zustande, eben nur unter dem Namen „Horst Müller“. D.h., wenn eine reine

Namenstäuschung

vorliegt (wo die Identität egal ist für den andere Teil), dann kann derjenige, der wirklich so heißt, sich den Vertrag nicht an sich ziehen gem. 177 I. Bei der

Identitätstäuschung

hingegen kommt es gerade dem anderen Teil auf diese genaue Identität an, weshalb eine solche Genehmigungsmöglichkeit noch besteht. Wenn also unser Mayer diesmal erklärt, er sei Boris Becker und die Identität dem Hotelier wichtig ist, dann liegt ein Fall der ID-Täuschung vor, womit die Möglichkeit der Genehmigung greift. Summa summarum: Nur der Fall der

Namenstäuschung

schließt die Genehmigungsmöglichkeit aus. Hierzu kann ich vertiefend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Schubert § 164 Rn. 151 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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