Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Klassiker: Der Jungbullenfall (BGH, Urt. v. 11.01.1971 - VIII ZR 261/69) - gegen Dieb

Klassiker: Der Jungbullenfall (BGH, Urt. v. 11.01.1971 - VIII ZR 261/69) - gegen Dieb

29. März 2025

21 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jungbullenfall

D stiehlt von L zwei Jungbullen (Wert: € 200) und veräußert sie für € 300 an die gutgläubige Fleischerin F. F verarbeitet die Bullen zu Schinken (Wert: € 500). L möchte gegen D vorgehen.

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Einordnung des Falls

Klassiker: Der Jungbullenfall (BGH, Urt. v. 11.01.1971 - VIII ZR 261/69) - gegen Dieb

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L hat das Eigentum an den Bullen durch Verarbeitung an die F verloren (§ 950 BGB). Kann L dennoch von D Herausgabe der Bullen verlangen nach § 985 BGB verlangen?

Nein!

Der Anspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchstellers (2) Besitz des Anspruchsgegners (3) Fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB).L hat das Eigentum an den Bullen durch Verarbeitung an die F verloren (§ 950 BGB). Ferner ist D zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens schon nicht mehr Besitzer der Bullen. Die Voraussetzungen des § 985 BGB liegen damit nicht vor. In einer Klausur müsstest Du im Rahmen der Eigentumsstellung der L den § 950 BGB inzident prüfen. Aus didaktischen Gründen haben wir Dir an dieser Stelle vorgegeben, dass § 950 BGB einschlägig ist.
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2. L könnte von D jedoch die Herausgabe des Kaufpreises i.H.v. € 300 nach §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB verlangen. Regelt § 687 Abs. 2 BGB die sog. angemaßte Eigengeschäftsführung?

Genau, so ist das!

Ein Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) besteht, wenn der Geschäftsführer (1) ein objektiv fremdes Geschäft (2) mit Eigengeschäftsführungswille (3) ohne Berechtigung führt (4) obwohl er von der fehlenden Berechtigungweiß. Eigengeschäftsführungswille liegt vor, wenn der Geschäftsführer das Geschäft erkennbar als sein eigenes führen will.Der Verkauf einer fremden Sachen ist ein objektiv fremdes Geschäft. D hat den Verkauf nach dem Diebstahl auf eigene Rechnung, damit nach außen hin mit Eigengeschäftsführungswillen vorgenommen, obwohl er dazu nicht berechtigt war und er dies wusste. Einzelheiten zur angemaßten Eigenschäftsführung findest Du hier in unserem Kurs zur GoA!

3. L steht gegen D auch ein Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB zu, da die Verfügung der Bullen ihr gegenüber wirksam war.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass ein (1) Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine (2) Verfügung trifft, die dem (3) Berechtigten gegenüber wirksam ist. Dann ist der Nichtberechtigte verpflichtet, dem Berechtigten das durch die Verfügung Erlangte herauszugeben.Da D die Bullen gestohlen hat, konnte er nicht wirksam über sie verfügen. Damit liegt zunächst keine Verfügung vor, die gegenüber L wirksam ist.

4. Genehmigt L die Veräußerung (§ 185 Abs. 2 S. 1 BGB) kann sie von D nach h.M. die Herausgabe der € 300 nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen.

Ja!

§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass ein (1) Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine (2) Verfügung trifft, die dem (3) Berechtigten gegenüber wirksam ist. Dann ist der Nichtberechtigte verpflichtet, dem Berechtigten das durch die Verfügung Erlangte herauszugeben. Nach hM ist dies nicht nur der objektive Wert, sondern der erlangte Kaufpreis.Grundsätzlich ist die Veräußerung der Bullen von D an F wegen § 935 BGB unwirksam. Allerdings wird die Verfügung gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB wirksam, wenn der Berechtigte (hier: L) sie genehmigt. Diese Genehmigung macht die Verfügung wirksam, D aber nicht zum Berechtigten. Nach hM kann L sodann den Kaufpreis herausverlangen.

5. Auch über etwaige Schadensersatzansprüche kann L den Kaufpreis von D herausverlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im vorliegenden Fall kommen verschiedene Schadensersatzansprüche der L in Betracht (etwa §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB; §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989 BGB; §§ 951, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, §§ 992, 823 Abs. 1 BGB, §§ 992, 823 II i.V.m § 242 StGB; §§ 992, 823 II i.V.m § 858; 826 BGB ). Zwar kann L gem. § 251 Abs. 1 Alt. 1 BGB Geldersatz fordern, dieser ist aber auf den objektiven Wert der Bullen begrenzt, also €200. Anders wäre dies nur, wenn L selbst nachweisen kann, dass dass sie die Bullen zu einem höheren Preis als dem objektiven Wert hätte veräußern können, ihr durch den Diebstahl also ein Gewinn entgangen ist (§ 252 S. 1 BGB).
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