Landesrecht (im Aufbau)
Polizei- und Ordnungsrecht NRW
Grundlagen
Wiederholungsfall zum Zusammenspiel verschiedener Handlungsformen (2)
Wiederholungsfall zum Zusammenspiel verschiedener Handlungsformen (2)
16. April 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (6.681 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde G erlässt eine Leinenzwang-Verordnung für alle Hunde ungeachtet ihrer Gefährlichkeit. H, der einen kleinen Pudel hält und gegen die Verordnung verstößt, wird durch die Polizei sofort des Ortes verwiesen.
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Einordnung des Falls
Wiederholungsfall zum Zusammenspiel verschiedener Handlungsformen (2)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Platzverweisung wegen Hs Verstoß gegen den Leinenzwang aus der Rechtsverordnung ist auf § 27 Abs. 1 OBG zu stützen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Platzverweisung ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG NRW.
Ja!
3. Gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur für polizeiliche Einzelfallmaßnahmen, mit der Folge, dass die Leinenzwang-Verordnung sich nicht daran messen lassen muss?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die Rechtswidrigkeit der Verordnung hätte H vor der Platzverweisung feststellen lassen müssen. Auch wenn sie rechtswidrig ist, hilft ihm das nun nicht mehr. Das Recht ist für die Wachen da!
Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Platzverweisung wegen des Verstoßes gegen den Leinenzwang ist rechtswidrig und verletzt H in seinen Rechten.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dogu
6.1.2024, 10:13:24
Ist hier die Anfechtungsklage gegen die
Platzverweisung mit einer inzidenten Prüfung der RMK der
Polizeiverordnungausreichend oder muss ein Normenkontrollverfahren angestrengt werden?
Dogu
20.1.2024, 12:41:07

Irina95
22.1.2024, 18:29:14
Ich hätte gesagt, da der VA sich bereits erledigt hat. Wäre die FKK § 113 Abs. 1 S.4. VwGO Für die FKK müsste die
Erledigungnach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung eingetreten sein. Dies ergibt sich aus dem Wort „vorher“ welches sich aufgrund der systematischen Stellung des §
113 VwGOim 10. Abschnitt auf das Urteil bezieht. Ein Urteil kann aber nur ergehen wenn die Klage schon erhoben wurde. Hier trat die
Erledigungvor Klageerhebung ein. Deswegen scheidet eine direkte Anwendung der FKK aus. Demnach wäre die richtige Klageart, meines Erachtens die FKK gem. § 113 Abs. 1 S.4 analog.

Charliefux
8.8.2024, 10:34:35
Hallo @[Dogu](137074) sowohl eine
FFKals auch ein Normenkontrollverfahren kommen in Betracht. In einer Klausur musst du dich nach dem Begehren des Klägers richten und danach deine Klausur aufbauen.

Nocebo
19.1.2025, 11:43:32
Hier nicht zwangsläufig naheliegend aber grundlegend möglich auch:
Feststellungsklagemit dem Antrag, dass man dem Tatbestand der Verordnung schon gar nicht unterfalle. Gibt es bspw. öfter bei Sondernutzungssatzungen.

Irina95
22.1.2024, 18:45:08
So wie in dem Fall geschildert könnte ja dann jede Verordnung welche einen Leinenzwang fordert gekippt werden? Es könnte ja sein, dass die Verordnung zum Schutz von Jungvögeln erlassen wird und es egal ist um welche Hunderasse es sich handeln würde. Ggf. rennen ja auch kleine Hunde Vögeln hinterher. Ist die Verordnung im Sachverhalt demnach nur
rechtswidrigweil keine Begründung genannt wurde? (Naturschutz etc.) In der Subsumtion steht ja lediglich „Im Fall wird nicht zwischen verschiedenen Hundearten differenziert, sodass der sich (abstrakt) ungefährliche Pudel ebenso erfasst ist, wie auch größere und abstrakt gefährliche Hunde. Die Verordnung verstößt somit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist daher
rechtswidrig“ Aber im meinem Beispiel mit dem Schutz der Vögel, wäre die Begründung dann gegeben und könnte dann pauschal für alle Hunderassen gelten?

Nocebo
19.1.2025, 11:41:19
Finde das auch äußerst fragwürdig. Warum sollte ein pauschaler Leinenzwang unwirksam sein? Es geht hier auch um Menschen, die Angst vor Hunden haben, um unkontrollierte Hunde im Straßenverkehr, um Konflikte zwischen Hunden, um Wildtiere etc. Ich habe noch nie gehört, dass bei solchen Verordnungen eine Ausnahme für Chihuahuas bestünde ... Ergo: Die Verordnung ist rechtmäßig. Aber der
Platzverweiskann trotzdem
rechtswidrigsein, denn nur weil die TB-Vss. vorliegen (Gefahr durch Verstoß gegen VO) muss ja die Rechtsfolge nicht rechtmäßig sein (sofortiger Verweis statt Hinweis). Das überzeugt mich deutlich mehr.
Dini2010
29.3.2025, 19:35:39
mE muss differenziert werden, ob der Leinzwang aufgrund von Eigenschaften der Hunde erfolgt oder aufgrund bestimmter Begebenheiten/Gegenden. Es gibt ja reell sowohl Gegenden, wo pauschal alle Hunde an der Leine zu führen sind, als auch Gegenden, wo dies nur für sog. Listenhunde gilt. Von daher ist es in meinen Augen auch nicht schlüssig, die Verordnung bloß mit dem Argument "gilt für alle" als
rechtswidrigweil unverhältnismäßig einzuordnen. Ganz abgesehen davon, dass die reine Größe des Hundes mal so gar nichts über seine potentielle Gefährlichkeit aussagt :)
Vanilla Latte
24.2.2024, 04:57:16
Also würde ich eine
FFKprüfen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des
Platzverweises. Bei der materiellen RM in der Begründetheit lande ich dann bei der Voraussetzung einer "konkreten Gefahr für
öffentliche Sicherheitund Ordnung". Ich nehme hier eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheitan, wegen Verletzung der objektiven Rechtsordnung und prüfe dann inzident die Rechtmäßigkeit der Verordnung. Bei der materiellen RM dieser im Rahmen der Verhältnismäßigkeit fliege ich dann raus, weil nicht zwischen gefährlichen und ungefährlichen Hunden unterschieden wurde. Ist das richtig?

Nocebo
19.1.2025, 11:44:26
Nach der Lösung hier schon, für die Klausur würde ich es nicht unbedingt empfehlen, sondern hier eher die VHMK des
Platzverweisim Einzelfall angreifen. Siehe anderer Thread.