+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T entwendet die zu Anatomiezwecken vorgesehene Leiche des O, um die Organe des Toten im Ausland zu verkaufen.

Einordnung des Falls

Menschliche Leichen (2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Leichnam des O ist eine Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB.

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Genau, so ist das!

Eine Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB ist nach dem vom Zivilrecht grundsätzlich unabhängigen strafrechtlichen Sachbegriff jeder körperliche Gegenstand vergleichbar mit § 90 BGB, unabhängig von seinem Aggregatzustand. Der lebende Mensch ist als Subjekt von Rechten keine Sache. Ob der Leichnam eine Sache darstellt, ist umstritten. Eine Mindermeinung verneint dies. Im Leichnam verbleibe ein "Rückstand des Persönlichkeitsrechts". Nach h.M. ist der Leichnam eine Sache. Der Begriff „Rückstand des Persönlichkeitsrechts“ sei nicht fassbar. Zudem sei unbestritten, dass Leichen in Museen (Moorleichen, Mumien) oder in anatomischen Instituten zu Forschungszwecken Sachqualität aufwiesen.

2. Der Leichnam des O ist eigentumsfähig und war daher für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Eine Sache ist für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Die Fremdheit der Sache bestimmt sich nach den Regeln des BGB. Eigentumsfähig ist eine Sache, wenn jemand Eigentum an ihr erwerben kann. Grundsätzlich kann an Leichen, die zur Bestattung vorgesehen sind, kein Eigentum erworben werden. Anders ist dies bei Leichen, die zu Anatomiezwecken bestimmt sind und somit einer wissenschaftlichen Einrichtung überlassen werden. Da der Leichnam des O im Eigentum der Einrichtung steht, ist er für T fremd.

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Helena

Helena

21.12.2021, 18:25:43

Es wäre vielleicht gut darauf hinzuweisen, dass die Eigentumsfähigkeit von Leichen umstritten ist. Die gegen Meinung, die sagt, dass Leichen nicht eigentumsfähig sind ist nämlich nicht so klein. (Zumindest nach dem was ich gelesen habe.)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2021, 18:52:45

Hallo Helena, in der Tat hast Du recht, dass der Umgang mit Leichen (und daran anknüpfend auch mit Leichenteilen, wie zB Zahngold, Implantaten) nicht ganz unumstritten ist. Das sollte letztlich aber auch durch den Hinweistext und die vorangegange Aufgabe zum Ausdruck kommen. Sofern eine Leiche zur Bestattung vorgesehen ist, wird ihre Eigentumsfähigkeit von der herrschenden Meinung verneint. Im Übrigen wird die Verkehrs- und Eigentumsfähigkeit dagegen angenommen, da hierfür letztlich praktische Bedürfnisse (Schmitz, in: MüKoStGB, 4.A. 2021, § 242 RdNr. 37) bestehen (vgl. Körperwelten-Ausstellung, anatomische Untersuchungen an Leichen...). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

NI

Nickname

29.9.2023, 12:47:56

Hallo, also führe ich bei Bestattungs-Leichen dann den Streit mit der Mindermeinung, die die Eigentumgsfähigkeit von Leichen aus praktischen Gründen bejaht und der herrschenden Meinung, die dies verneint? Lediglich bei Forschungszwecken ist es nicht umstritten, da hier ja auch nach der herrschenden Meinung die praktischen Bedürfnisse berücksichtigt werden?


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