Abgetrennte Körperteile | Eigenblutspende

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Aus Angst vor einer Ansteckung spendet P vor seiner Herz-Operation eigenes Blut, damit ihm dieses (und nicht fremdes) während der Operation zugeführt wird. A entwendet das Blut, um es zu verkaufen.

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Einordnung des Falls

Abgetrennte Körperteile | Eigenblutspende

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Blut ist nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH eine "Sache".

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Sache im Zivilrecht ist jeder körperliche Gegenstand (§ 90 BGB). Der lebende menschliche Körper ist aufgrund der ihm zustehenden Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG keine Sache. Nach einer Entscheidung des BGH im Zivilrecht (BGH NJW 1994, 127) bilden aber lediglich vorübergehend entnommene Teile mit dem Körper weiterhin eine funktionale Einheit und stellen insofern ebenfalls keine Sache dar. Das Blut des P ist nur vorübergehend von seinem Körper getrennt, da es ihm während der OP wieder zugeführt werden soll.
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2. Das Blut ist aus strafrechtlicher Sicht eine "Sache" (§ 242 Abs. 1 StGB).

Ja!

Der strafrechtliche Begriff der Sache ist grundsätzlich unabhängig von dem zivilrechtlichen Sachbegriff. Auch im Strafrecht stellt der menschliche Körper für sich genommen keine Sache dar. Ob dies im Strafrecht auch für abgetrennte Körperteile gilt, die wieder mit dem Körper verbunden werden sollen, ist höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden. In der Literatur wird dies überwiegend abgelehnt. Die Sachqualität dürfe nicht von dem eher zufälligen Umstand abhängig sein, ob das entnommene Blut als Eigenblut (dann (-) )oder Blutspende (dann (+) ) Verwendung findet. Eine einheitliche Betrachtung bewirke Rechtssicherheit. Durch die Trennung vom Körper hat das Blut vorliegend Sachqualität erlangt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SH

ShiVa

8.5.2020, 21:04:56

Welcher Straftatbestand kommt dann für das Handeln des A in Erwägung? Oder bleibt das Entwenden des Blutes straffrei?

XY

Xyzzaxy

6.2.2021, 17:52:37

Vielleicht Betrug, wenn der Arzt das von Anfang an so vorhatte, aber ich weiß es nicht

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2021, 17:46:54

Hallo ShiVa, hallo Xyzzaxy, wir haben den Fall noch einmal überarbeitet. Die Auffassung, dass das Blut keine Sache darstellt, beruht auf der zivilrechtlichen Rechtsprechung des BGH. Im Strafrecht ist hier noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit sprechen aber die besseren Argumente dafür, im Strafrecht - anders als im Zivilrecht - keine Unterscheidung zwischen vorübergehend und dauerhaft abgetrennten Körperteilen zu ziehen. Vorliegend ist hier als das Blut als "Sache" im Sinne des § 242 I StGB einzuordnen und damit kommt hier eine Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 I StGB) durchaus in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

4.2.2024, 18:11:18

Aber wenn die Sache schon zivilrechtlich keine Sache ist, kann sie ja niemals fremd sein, da an ihr überhaupt kein Eigentum besteht.

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

11.6.2024, 23:32:41

@Dogu nicht ganz. Der strafrechtliche Begriff der „Sache“ ist von der zivilrechtlichen Definition zu trennen. Lediglich das Merkmal der „Fremdheit“ wird im Strafrecht über die zivilrechtlichen Wertungen bestimmt. Wenn also nun eine (im strafrechtlichen Sinne) Sache vorliegt, kann sie nach zivilrechtlicher Bewertung auch fremd sein. Selbst wenn sie strikt betrachtet nach bürgerlichem Recht keine Sache darstellen würde. Die Trennung ermöglicht die Schließung von Strafbarkeitslücken; außerdem bedarf es aufgrund der Autonomie des Strafrechts keiner Angleichung an Normen des BGB (letztendlich auch, weil das StGB wesentlich älter ist als das BGB). Im Detail ist das aber auch umstritten. Die hM geht aber in die oben dargestellte Richtung.

Dogu

Dogu

12.6.2024, 12:07:27

@[MayonnaiseOperator](214944) Das sehe ich anders. Das würde ja darauf herauslaufen, dass man Eigentumsvorschriften analog anwendet, um überhaupt das Eigentum bestimmen zu können, und strafbegründende Analogien sind verfassungswidrig.

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

12.6.2024, 12:18:24

Na irgendwie muss man ja die Fremdheit bestimmen. „Alles, was nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist“ - das wird wohl nicht gegen Art. 103 II GG und die Wortlautgrenze verstoßen. Hier seh ich keineswegs einen Fall der analogia in malem partem. Höchstens in bonam, da ich mir lediglich Fälle vorstellen kann, in denen eine solche Begriffsbestimmung zugunsten (statt zulasten) des Täters ausfallen würde.

GEL

gelöscht

10.5.2020, 04:43:51

Ich denke da wäre KV nach 223 einschlägig

XY

Xyzzaxy

6.2.2021, 17:51:53

Das kann kaum sein, das Fehlverhalten geschah ja erst, nachdem die (einvernehmliche) Körperverletzung abgeschlossen war

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2021, 17:51:40

Hallo ihr beiden, wir haben den Fall nunmehr noch einmal angepasst. Anders als im Zivilrecht, sprechen im Strafrecht die besseren Argumente dafür, dass hier das Blut eine "Sache" darstellt. Die Auffassung, die hier die Sachqualität ablehnt, beruft sich auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1994, 127). Diese ist allerdings im Zivilrecht ergangen und im Zusammenhang mit einem Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB. Da der strafrechtliche Sachbegriff jedoch autonom definiert wird, kann man diese Wertungen nicht ohne weiteres übertragen. Würde man das Blut hier als "Körper" und nicht als "Sache" verstehen, so müsste man bei der Beschädigung/Zerstörung des Blutes konsequenterweise auch Körpverletzung (§ 223 I StGB) annehmen. Auch wäre die strafrechtliche Bewertung davon abhängig, ob die

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2021, 17:54:18

Entnahme dauerhaft oder vorübergehend wäre und letztlich somit ausschließlich abhängig von der subjektiven Vorstellung des P. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit und die Überschreitung der Wortlautgrenze des § 223 I StGB sprechen insoweit dagegen die zivilrechtliche Unterscheidung auch in das Strafrecht zu übertragen. Im Ergebnis ist ein abgetrenntes Körperteil im Strafrecht also eine Sache, unabhängig davon, ob es vorübergehend oder dauerhaft abgetrennt wurde. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PH

Philipp

11.5.2020, 20:39:07

Find ich lit

Simon

Simon

23.4.2021, 00:38:56

Mich überzeugt die hM nicht so recht. Es gibt hier mE zwei Möglichkeiten: Entweder man sieht das Blut des P nach der Entnahme als Sache an, sodass man zum § 242 kommt, oder man muss es noch als zum Körper des P gehörend betrachten. Dann müsste man aber konsequenterweise bei einer "Beschädigung" des Blutes (zB durch Verunreinigungen) auch eine Körperverletzung des P bejahen.

Simon

Simon

23.4.2021, 00:40:01

Letzteres halte ich jedoch - mit Blick auf Art. 103 II GG - für problematisch. Schon das Wort "Körper" setzt mMn ein einheitliches Ganzes voraus. Eine Körperverletzung könnte man in meinen Augen daher nur aufgrund der bei P mittelbar (durch Nichtrückführung des Blutes) auftretenden Schäden, nicht aber wegen der "Beschädigung" des Blutes selbst annehmen. Das Bild einer Einheit mit dem Körper des P stellt für mich eine - wenig überzeugende - Fiktion dar.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2021, 17:41:12

Lieber Simon, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben uns den Fall noch einmal angeschaut und stimmen mit Dir hier überein. Soweit vertreten wird, dass auch im Strafrecht vorübergehend abgetrennte Körperteile nicht als "Sache" eingestuft wird, wird lediglich auf die ergangene Entscheidung des BGH im Zivilrecht verwiesen (BGH, NJW1994, 127). Die dort vorgenommene Ausdehnung des Begriffes "Körper", die v.a. zum Zweck hatte zur Bejahung eines Schmerzensgeldanspruches zu kommen, passt indes nicht ins Strafrecht. Hier verweist du zurecht auch auf das Analogieverbot des Art. 103 II GG. Insofern sprechen die überzeugenderen Argumente dafür, die "Sachqualität" von abgetrennten Körperteilen zu bejahen, ungeachtet davon, ob sie nur vorübergehend oder dauerhaft entnommen sind. Beste Grüße, Lukas

CR7

CR7

24.9.2021, 07:46:42

Meiner Meinung nach kommt dem Blut Sachqualität zu: 1. Durch die Entnahme in einen speziellen Behälter, ist damit räumlich abgrenzbar. Es ist wegnahmefähig, also transport- und sicherungsfähig.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.10.2021, 20:09:02

Hallo Harvey, in der Tat ist es bisher bei einer vereinzelten BGH Entscheidung im Zivilrecht verblieben, in der vorübergehend entnommene Körperteile (Samen) nicht als Sachen eingestuft wurden. Hintergrund war dort aber vermutlich, dass ein konkreter Schaden nicht festgestellt werden konnte und insoweit die Bejahung als Körperteil der einzige Weg war, um dem Kläger einen Ersatz über den Weg des Schmerzensgeldes zuzubilligen (§ 253 BGB). Im Strafrecht dürfte dies allerdings insbesondere im Hinblick auf das Analogieverbot nicht tragbar sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LO

Lorbeerbekränzte🦩

26.10.2021, 08:32:35

Ich bin etwas verwirrt, haben wir nicht ein paar Fälle weiter vorne gesagt, dass vorübergehend entnommene Teile mit dem Körper weiterhin eine funktionale Einheit bilden? Das hatte ich so verstanden, dass diesen Teilen die Sachqualität dann fehlt…Kann mir jemand den Unterschied erklären?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2021, 09:25:46

Danke für den Hinweis, Lorbeerbekränzte. Die Trennung in vorübergehend/dauerhaft getrennte Körperteile beruht auf einer zivilrechtlichen Entscheidung des BGH zu Spendersamen. Diese hat er als Teil des Körpers deklariert, da andernfalls der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 BGB erhalten hätte und auch sonst ein ersatzfähiger Schaden für die zerstörten Spendersamen ausschied. Im Strafrecht gibt es allerdings keinen vergleichbaren Fall, der vor den BGH gelangt ist, weswegen es hier an einer abschließenden Klärung fehlt. Wir haben diese Unterscheidung nun auch in dem anderen Fall nochmal deutlicher hervorgehoben. Im Strafrecht wird insoweit überwiegend vertreten, dass egal ob Körperteile vorübergehend oder dauerhaft getrennt sind, diesen jedenfalls Sachqualität zuerkannt wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

15.12.2021, 15:49:02

Hallo wir haben heute im Rep besprochen, dass es nur getrenntes vom Körper nur eine Sache ist, wenn es nicht in den Körper zurück soll. Hier soll doch das Blut des P wieder in dessen Körper?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.12.2021, 17:51:58

Vielen Dank für Deine Nachfrage, Caldza. In der Tat ist dieser Punkt umstritten. Im Zivilrecht hat der BGH in einer einzigen (!) Entscheidung bezüglich der Sachqualität danach differenziert, ob ein Körperbestandteil (Spendersamen) vorübergehend oder dauerhaft entfernt werden soll. Ob er im Zivilrecht daran noch festhält, ist fraglich. Jedenfalls im Strafrecht lehnt der überwiegende Teil der Literatur die Unterscheidung aus den in der Aufgabe genannten Gründen ab (s. Quellen). Die Unterscheidung Deines Repetitoriums würden wir insofern jedenfalls im Strafrecht nicht teilen :-). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

15.12.2021, 18:11:05

Vielen Dank Lukas. Ich habe nochmal im Skript nachgelesen. Hier wird auch das Beispiel einer Spende genannt. Aber naja nun kennt man beide Ansichten 🙂

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.12.2021, 18:52:49

Alles klar, danke für die Rückmeldung! Das schöne in der Klausur ist, dass Du Dich letztlich frei entscheiden darfst. Du darfst nur nicht vergesen, deinen Weg zu begründen :-)

FO

forste35

21.11.2024, 11:40:20

Ob Blut laut BGH eine Sache ist, wenn es zurückgeführt werden soll ist umstritten! Bitte um eine Ergänzung dahingehend :)

Juraganter

Juraganter

21.11.2024, 13:32:08

Falls damit die uneindeutige Fragestellung gemeint ist, stimme ich zu. In der Erklärung wird es nämlich erwähnt.


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