Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Entstehung von Schuldverhältnissen
Vorvertragliches Schuldverhältnis: Mitteilung über Produktionsverfahren einer Brennstoffzelle
Vorvertragliches Schuldverhältnis: Mitteilung über Produktionsverfahren einer Brennstoffzelle
19. Mai 2025
8 Kommentare
4,7 ★ (39.733 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hersteller H hat eine neue Brennstoffzelle entwickelt. Er wendet sich an den Automobilhersteller A, der die Brennstoffzelle in seine Autos einbauen könnte. H teilt auf As Verlangen das Produktionsverfahren mit. A verwendet das Wissen für die eigene Produktion.
Diesen Fall lösen 90,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Vorvertragliches Schuldverhältnis: Mitteilung über Produktionsverfahren einer Brennstoffzelle
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zwischen H und A ist ein Vertrag zustande gekommen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen H und A besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Ja!
3. Mit dem vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen für H und A Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB).
Genau, so ist das!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lea
4.12.2023, 13:19:22
Würde man ein
vorvertragliches Schuldverhältnisauch in dem Fall annehmen? Jemand ist in einem Bekleidungsgeschäft, lässt
Warezurücklegen, holt diese nicht ab bzw. kauft diese nicht. Die
Warehätte in der Zeit auch an andere, die danach gefragt haben, verkauft werden können.

Bubbles
4.12.2023, 13:54:50
Ja, ich denke schon. Dabei dürfte es sich um eine
VertragsanbahnungiSd § 311 II Nr. 2 handeln. Das erinnert mich auch an den Fall bzgl einer Tischreservierung: https://applink.jurafuchs.de/Pd8hB5vUfFb
hagenhubl
4.5.2024, 10:34:18
Die Kleidung frisst aber kein Brot und kann später noch verkauft werden.
benjaminmeister
29.11.2024, 11:04:09
@[Bubbles](216309) sehe das genauso. Bei Kleidung könnte man zunächst argumentieren, dass der Verkäufer vielleicht das Kleidungsstück mehrfach vorrätig hat und dann schon gar kein
Schadeneintritt, wenn es nicht mehr abgeholt wird, weil kein Verkauf ausgeblieben ist. Handelt es sich hingegen um das letzte Kleidungsstück einer Kollektion könnte das schon wieder anders aussehen. Aber hier wird man wohl sagen müssen, dass wenn es dem Verkäufer wirklich darauf ankommt, kein weiteres Geschäft ausschlagen zu müssen, dass er dies ausreichend kommunizieren oder eben einen bereits wirksamen Vertrag abschließen muss. Den maßgebliche Unterschied zum Tischreservierungsfall sehe ich darin, dass im Restaurant nach Ausbleiben der Gäste, die Einnahmen wegen
Unmöglichkeitnicht mehr nachgeholt werden können (für diesen spezifischen Zeitraum). Beim zurückgelegten Kleidungsstück hingegen bleibt die Sache ja erhalten und der Verkäufer kann seine Leistungsmöglichkeit weiterhin (nur zu einem anderen Zeitpunkt) verwerten. Also ein
vorvertragliches Schuldverhältniskann man annehmen, aber ein
Schadendurch das ausbleibende Abholen wird a) sehr selten eintreten und b) dürfte eine verletzbare Schutzpflicht nicht so leicht zu konstruieren sein, wie bei der Tischreservierung.
cornelius.spans
30.11.2024, 23:07:32
Hi, zusätzlich zu den Ausführungen von @[benjaminmeister](216712) müsste man sich noch mit der Frage beschäftigen, was denn die aus dem vorvertraglichen
Schuldverhältnis resultierenden Pflichten des Reservierenden sind. Ähnlich des Tischreservierungsfalls dürften sich die Rücksichtnahmepflichten durch die Reservierung des Kleidungsstücks darauf beschränken, dass die Reservierung aufgehoben wird, sobald die Entscheidung getroffen wurde, das Kleidungsstück nicht kaufen zu wollen. Darüber hinaus gehende Pflichten können schon deshalb nicht bestehen, weil eine Reservierung obj. erkennbar offen lässt, ob es später zu einem Kauf kommt. Sollte dann aber wegen der verspäteten Absage ein Einzelstück an einen Käufer, der genau in der Zeit konkret anfragt und dann später kein Interesse mehr hat und das Stück auch anderweitig mangels potentiellen Käufern nicht mehr verkauft wird, dann könnte man über einen
Schadensersatz bzgl. des negativen Interesses nachdenken. MfG
Lt. Maverick
19.4.2025, 14:21:05
Schließe mich meinem Vorredner an. Man müsste sich ja die Frage stellen, welche Pflicht überhaupt verletzt sein könnte. Hierbei sind auch die Umstände und der Zweck zu berücksichtigen. Bei zurückgelegten
Waren trifft den Kunden keine Pflicht zum Kauf. Der Kunde möchte die
Warevielleicht zunächst anprobieren oder sich in anderen Geschäften nach vergleichbaren Produkten umsehen, um seine Kaufentscheidung zu festigen. Der Händler weiß von diesen Umständen, die
Warewird regelmäßig für einen bestimmten/bestimmbaren Zeitraum zurückgelegt und bei Nichtabholung wieder im Verkaufsraum ausgestellt (z.B. bis Ladenschluss am selben Tag). Den Kunden trifft insoweit keine Informationspflicht, da diesem gerade dieser Zeitraum eingeräumt wird eine Kaufentscheidung zu treffen. Wenn der Kunde die
Warealso nicht abholt, kann der Händler nicht sagen: „Na das hätte ich heute Mittag an den Kunden X gewinnbringend verkaufen können“, denn insoweit hätte den Händler dann doch ebenso eine Pflichtverletzung getroffen. Der Händler hat sich doch gerade dem Kunden gegenüber dazu verpflichtet die
Warefür diesen bestimmten Zeitraum zur Überlegung zurückzulegen. Der Kunde verhält sich doch entsprechend der Vereinbarung, wenn er den ihm eingeräumten Zeitraum zur Überlegung auch nutzt. Das ist etwas anders gelagert bei der Tischreservierung. Hier muss der Kunde zum vereinbarten Zeitpunkt da sein. Die Reservierung verfolgt nicht den Zweck dem Kunden Überlegungszeit einzuräumen. Der Tisch wird zwecks Abschluss eines
Bewirtungsvertrags reserviert. Insoweit trifft den Gast eine Rücksichtnahmepflicht den Gastwirt über die Nichtwahrnehmung der Reservierung in Kenntnis zu setzen. Denn durch Nichterscheinen kann der Zweck nicht gewahrt werden und aufgrund der Reservierung auch nicht durch einen anderen Kunden. Bei zurückgelegten
Waren würde es mMn dann eine Pflichtverletzung darstellen, wenn der Kunde den Händler darum bittet über die Ladenschließzeit hinaus geöffnet zu bleiben, damit der Kunde die
Waren anprobieren und ggf. kaufen kann. Hier dient ja das Zurücklegen und die längere Ladenöffnung nicht der Überlegungszeit des Kunden, sondern konkret schon der Vorbereitung eines Kaufvertragsabschlusses. Hat der Händler extra einen Ladenangestellten dabehalten und erscheint der Kunde nicht, dann hätte der Händler bei
rechtzeitiger Mitteilung wie gewohnt schließen können. Der Händler hat ja ein berechtigtes Interesse daran nur dann Angestellte einzusetzen und für Überstunden zu zahlen, wenn hierfür auch ernsthafter Bedarf besteht.
Paul Hendewerk
4.12.2024, 11:03:06
Besonders gelungen finde ich an dieser Aufgabe die Gegenüberstellung der beiden häufig in Betracht kommenden SE-Anspruchsgrundlagen (§§ 280 I, 311 II, 241 II BGB auf der einen und § 823 I BGB auf der anderen Seite) sowie das Aufzeigen der Unterschiede: § 823 I BGB schützt nur absolute Rechte, dagegen ist der Schutz von §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB umfassend; bei § 823 I BGB trägt der Geschädigte die Beweislast für ein Ver
schulden des Schädigers, dagegen nimmt §
280 I 2 BGBeine Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten vor. Sehr gelungen, vielen Dank!

Linne_Karlotta_
4.12.2024, 20:10:24
Hallo Paul Hendewerk, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team