§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff ("Pervertierung") – verkehrsfeindliche Absicht fehlt


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Klassisches Klausurproblem

Der rasante Fahrstil des O bereitet der Beifahrerin T große Angst. Um die Geschwindigkeit zu verringern, zieht T die Handbremse bis zum Anschlag an. Der Pkw kommt von der Fahrbahn ab und überschlägt sich.

Einordnung des Falls

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff ("Pervertierung") – verkehrsfeindliche Absicht fehlt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der objektive Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) setzt einen verkehrsfremden Eingriff voraus (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB), der die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt, sowie eine bestimmte konkrete Gefährdung (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

§ 315b StGB soll verkehrsfremde Eingriffe unterbinden, die von außen her die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs beeinträchtigen, indem sie diesen in seinem ungestörten, geregelten Ablauf gefährden. Innerhalb des Verkehrs vorgenommene Eingriffe werden nur ausnahmsweise einbezogen (sog. Pervertierung des Straßenverkehrs für verkehrsfremde Zwecke). § 315b Abs. 1 StGB setzt voraus: (1) einen Eingriff (Nr. 1-3), der (2) für die Sicherheit des Straßenverkehrs (abstrakt) gefährlich ist und (3) sich zu einer konkreten Gefährdung für eines der Schutzobjekte verdichtet.

2. Indem T die Handbremse anzog, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB fallenden "Außeneingriff" vorgenommen.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 315b StGB erfasst im Gegensatz zu § 315c StGB grundsätzlich keine Vorgänge des fließenden oder ruhenden Verkehrs, sondern nur verkehrsfremde Einwirkungen (sog. Außeneingriffe). Der Beifahrer gilt nach (noch) h.M. als Verkehrsteilnehmer, da er am Verkehrsvorgang beteiligt ist und gegenüber Fußgängern nicht benachteiligt werden soll. Daher ist das Anziehen der Handbremse äußerlich betrachtet ein verkehrsinternes Verhalten.

3. Indem T die Handbremse anzog, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB fallenden "verkehrsfeindlichen Inneneingriff" vorgenommen.

Nein!

Ausnahmsweise wird die Sperrwirkung des grundsätzlich abschließenden § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB bei verkehrsinternen Verhaltensweisen durchbrochen. Dafür muss der Verkehrsteilnehmer den Verkehrsvorgang zu einem verkehrsfeindlichen Inneneingriff pervertieren. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff erfordert, dass objektiv durch grobe Einwirkung von einigem Gewicht und subjektiv in verkehrsfeindlicher Absicht in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingegriffen wird, was gegeben ist, wenn ein Pkw als Waffe oder Schadenswerkzeug zweckentfremdet wird. Nach st.Rspr. muss (mindestens bedingter) Schädigungsvorsatz hinzukommen. T kam es darauf an, die Geschwindigkeit zu verringern, also eine verkehrsgerechte Fahrweise zu erzwingen. Es fehlt an der verkehrsfeindlichen Absicht.

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PEPE

pepermunt

19.4.2022, 11:55:59

Woraus ergibt sich, dass der Vorsatz Bestandteil dieses Prüfungspunktes ist? Durch die „Verkehrsfeindlichkeit“?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 20:03:39

Hallo pepermunt, hierbei handelt es sich leider schlicht um Rechtsprechung, die man kennen muss. Der BGH hat das Erfordernis des bewusst zweckwidrigen Einsatzes entwickelt, um den pervertierenden Inneneingriff nach §

315b StGB

deutlicher von § 315c StGB abzugrenzen (vgl. BGH NJW 2003, 1613). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Daniel - Laufamholzer

Daniel - Laufamholzer

26.5.2023, 11:22:45

Bei den meisten Texten im 315b Kapitel zum verkehrsfeindlichen Inneneingriff habt ihr beim Kopieren des Textbausteins vergessen 315c zu 315b auszubessern 😅

Daniel - Laufamholzer

Daniel - Laufamholzer

26.5.2023, 11:45:21

Ach ne, so wie es im Text steht ist es richtig, jetzt hab ich die Systematik verstanden 😬

DIAA

Diaa

28.9.2023, 17:14:05

Wonach könnte sie sich dann in diesem Falle strafbar gemacht haben?

LELEE

Leo Lee

1.10.2023, 12:37:27

Hallo Diaa, In Betracht kommt noch die Körperverletzung (sowohl 223 als auch 224) und auch die Nötigung (die allerdings zurücktreten würde) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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