Strafrecht

BT 5: Verkehrsdelikte

Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit bei Passivrauchen

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit bei Passivrauchen

3. Juni 2025

7 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T, der gelegentlich Cannabis konsumiert, befindet sich zwei Stunden in einem „Chill-out-Raum“. Dass dieser von dicken Cannabis-Nebelschwaden durchzogen ist, weiß er. Danach fährt er Auto, obwohl er infolge des erheblichen Cannabiskonsums durch Passivrauchen fahruntüchtig ist.

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Einordnung des Falls

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit bei Passivrauchen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den objektiven Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) verwirklicht.

Ja!

§ 316 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr trotz alkohol- oder sonst rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit führt. T hat seinen Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr. Zwar hat T keinen Alkohol getrunken, so dass eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ausscheidet. Allerdings steht fest, dass T wegen des erheblichen Cannabiskonsums durch Passivrauchen fahruntüchtig war. Mithin ist eine Fahruntüchtigkeit infolge des Genusses anderer berauschender Mittel gegeben.
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2. T hat die Trunkenheit im Verkehr vorsätzlich verwirklicht (§ 316 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die subjektive Tatseite des § 316 Abs. 1 StGB setzt wenigstens dolus eventualis bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes voraus. Zum einen muss der Täter (bedingten) Vorsatz bezüglich des Fahrzeugführens im Verkehr haben. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der Täter weiß oder zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, fahruntüchtig zu sein. T hat bewusst und gewollt ein Fahrzeug im Verkehr geführt. Allein aus dem Wissen um die erhebliche inhalative Aufnahme von Cannabis ergibt sich nicht, dass T bedingt vorsätzlich handelte bezüglich der Fahruntüchtigkeit. Mangels anderer Beweisumstände kann nicht mit der nötigen Sicherheit auf das voluntative Vorsatzelement geschlossen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass T auf die Nichterfüllung des Verbots fahruntüchtigen Verhaltens vertraute.

3. T hat die Trunkenheit im Verkehr fahrlässig verwirklicht (§ 316 Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn sich der Täter sorgfaltswidrig für fahrtüchtig hält. Jeder Kraftfahrer hat die Pflicht, bei Fahrtantritt gewissenhaft aufgrund aller ihm bekannten Umstände zu prüfen, ob er wegen seines Rauschmittelgenusses außerstande ist, ein Kfz sicher zu führen. T, der selbst gelegentlich Cannabis konsumiert, musste sich darüber im Klaren sein, dass er sich durch einen zweistündigen Aufenthalt in einer sehr stark cannabishaltigen Atmosphäre allein durch das Einatmen der mit Cannabis durchsetzten Luft eine erhebliche Menge von Cannabinoiden zuführte. Somit hätten sich dem T Zweifel hinsichtlich seiner Fahrtüchtigkeit aufdrängen müssen. Da er die Fahrt dennoch antrat, ist der Sorgfaltsverstoß gegeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KG

Kira Gross

3.7.2020, 15:51:46

Ich verstehe nicht warum ein Vorsatz verneint wird. Im Sachverhalt steht, dass er weiß, dass er fahruntüchtig ist und trotzdem fährt. Hier wird dennoch Fahrlässigkeit angenommen mit einer Begründung, die ich so nicht verstehe.

m.adele.ine

m.adele.ine

3.7.2020, 17:56:34

Kira, sehe ich genauso. Im Umkehrschluss würde das nämlich bedeuten, dass die Art der Cannabis-Aufnahme entscheidend ist für die Strafbarkeit.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

3.7.2020, 22:00:39

Hallo Kira, bitte lese nochmal den Sachverhalt. Darin steht nicht, dass der Täter weiß, dass er fahruntüchtig ist, sondern dass er weiß, dass Cannabisrauchschwaden in dem Chilloutraum vorhanden sind und er schon selbst Cannabis konsumiert hat. Vorsatz bzgl.

316 StGB

würde voraussetzen, dass der Täter entweder die Absicht oder sicheres Wissen hat fahruntüchtig zu sein, oder dies zumindest

billigend in Kauf

nimmt. Er wusste aber eben nicht, dass die Nebelschwaden allein, ohne eigenen Konsum, zur

Fahruntüchtigkeit

führten. Deswegen nahm er eine

Fahruntüchtigkeit

auch nicht zumindest

billigend in Kauf

.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

10.11.2023, 16:51:38

Ich muss Kira ebenfalls zum Teil zustimmen. Es fehlt im Sachverhalt der entscheidende Satz, dass T "quasi nichtsahnend" in Bezug auf den Effekt des Passivrauchens ist. Vermutlich soll man das aus dem Wörtchen "gelegentlich" herauslesen, naja... Wenn T eine Packung Schmerzmittel vor Fahrtantritt in sich kippt, würde man ja auch nicht lebens

fremd

er Weise davon ausgehen, dass es am Vorsatz fehlt, weil nicht im Sachverhalt steht, dass T sich darüber im klaren ist, dass seine Magensäure das Zeug zersetzt und es zur biochemischen Wirkung im Organismus kommt, die ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit fahruntüchtig werden lässt. Ich halte es für eine (noch vertretbare) lebensnahe Auslegung anzunehmen, dass jemand der gelegentlich kifft, weiß, dass er vom (offensichtlichen!) Passivrauchen fahruntüchtig werden kann, ohne dass darauf explizit im Sachverhalt hingewiesen wurde.

Celina

Celina

18.2.2025, 17:01:36

Stimme Kira und den anderen auch zu! 😊🗂

Sege

Sege

19.5.2025, 15:03:31

Schließe mich @[Eigentum verpflichtet 🏔️](99723) an. Aus diesem SV einen Vorsatz zum Rauschzustand herauszulesen ist finde ich sehr gewagt. Der SV gibt hierzu viel zu wenig Infos die darauf deuten würden. Dass T gelegentlich Cannabis konsumiert reicht mMn nicht aus, um hier wissen zu unterstellen. Auch dass T wusste, dass Rauchschwaden in dem Raum

ware

n kann allenfalls zu einem „wird schon gut gehen“, also bewusster Fahrlässigkeit, führen. Dein Umkehrschluss @[m.adele.ine](89072) hinkt finde ich ein bisschen. Auch bei einem Joint kann theoretisch Vorsatz fehlen (wenn auch unwahrscheinlich). Es kommt nicht auf die Art des Konsums an, sondern ob der Täter Vorsatz hinsichtlich des Rauschzustands hatte. Das wird natürlich in der Regel bei unkonventionelleren Arten weniger vorliegen, als bei den „klassischen“ Arten des Konsums. @[

Kind als Schaden

](207572) auch hier wäre ich lieber vorsichtig mit der lebensnahen Auslegung. Man ist meistens auf der sicheren Seite, wenn man den SV lieber so nimmt wie er ist und mit

in dubio pro reo

eine Strafbarkeit verneint und damit dem Risiko aus dem Weg geht, dass dir der Korrektor SV-Quetsche reindrückt.

Iguanaiuris

Iguanaiuris

20.10.2024, 11:30:50

Da es ja bei Rauschmitteln, anders im Vergleich zu Alkohol, keine BAK Grenzen gibt, müssten doch für die Bejahung des obj. Tatbestandes weitere Ausfallerscheinungen hinzutreten, oder nicht?


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