Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Lieferung unbestellter Waren - Rückforderung vom Verbraucher

Lieferung unbestellter Waren - Rückforderung vom Verbraucher

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmerin U liefert an Verbraucher V ein Tablet in der Hoffnung, V würde es kaufen. V hatte das Tablet nicht bestellt. Als sich V auch nach mehreren Wochen nicht zurückmeldet, verlangt U die Herausgabe des Tablets.

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Einordnung des Falls

Lieferung unbestellter Waren - Rückforderung vom Verbraucher

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen U und V ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Kaufvertrag kommt zustande durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB). In der Zusendung des Tablets ist grundsätzlich ein Angebot der U zu sehen. Das bloße Schweigen der V stellt indes keine Annahmeerklärung dar, weder ausdrücklich noch konkludent.Selbst wenn V das Tablet gebraucht und damit konkludent angenommen hätte, so sind bei der Lieferung unbestellter Waren an Verbraucher Ansprüche generell ausgeschlossen (§ 241a Abs. 1 BGB).
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2. Der Ausschluss von Ansprüchen in § 241a Abs. 1 BGB umfasst unstreitig den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Nein!

Die Reichweite des Anspruchsausschluss in § 241a Abs. 1 BGB ist umstritten. Nach teilweise vertretener Ansicht sei der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB davon nicht umfasst. Denn der Ausschluss würde sonst zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum führen, was verfassungsrechtlich (Art. 14 Abs. 1 GG) bedenklich sei. Dem wird von der herrschenden Meinung entgegengehalten, der Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB sei insoweit eindeutig. Zudem habe der Gesetzgeber die Rechtsfolgen des Lieferns unbestellter Waren bewusst weit fassen wollen, um ein solch belästigendes Verhalten zu verhindern.

3. Kann U von V nach h.M. Herausgabe des Tablets nach § 985 BGB verlangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der h.M. ergibt sich aus dem Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB sowie dem gesetzgeberischen Willen eindeutig, dass auch der Herausgabanspruch gegenüber dem Verbraucher vom Anspruchausschluss des § 241a BGB umfasst ist. U kann sich somit nach h.M. gegenüber V nicht auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB berufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAUF

Maurice Fritz

12.4.2023, 12:37:28

§241a stellt hier eine Ausschlussnorm dar und kein Recht zum Besitz, oder?

JURA

juramk

17.4.2023, 11:04:54

das habe ich mich auch gefragt. Aus der Aufgabe geht das leider nicht eindeutig hervor.

CitiesOfJudah

CitiesOfJudah

9.10.2023, 15:49:47

"Nach zutreffender Ansicht steht § 241a BGB der

Vindikation

des Unternehmers gegen einen Verbraucher bei der Zusendung unbestellter Waren – auch nach der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie – entgegen. Doch erwirbt der Verbraucher damit kein Recht zum Besitz." (Spohnheimer in: BeckOGK, § 986 Rn. 51)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

6.9.2024, 16:05:10

Hallo @[Maurice Fritz](80938), hallo @[juramk](199510), @[CitiesOfJudah](187795) hat schon einen wertvollen Hinweis gegeben, von mir nur einige Ergänzungen. IRv § 241a BGB ist schon seit Jahres vieles umstritten. Hauptgrund dafür ist, dass es sich um eine EU-Vorgabe handelt, die sich nicht ohne Weiteres gut in unser BGB einfügt. So kann man schon daran zweifeln, ob die Norm im allgemeinen SchuldR so gut aufgehoben ist. Mehrheitlich scheint man dem Verbraucher aus § 241a BGB jedenfalls tatsächlich kein Recht zum Besitz zugestehen zu wollen, sondern hält einen Anspruch aus § 985 BGB nur allgemein für "ausgeschlossen" (in diese Richtung zB MüKo-BGB/Baldus, 9. Aufl 2023, § 986 Rn 81). Ob und wie sehr das iE zu wesentlichen Unterschieden führt, sei dahingestellt. In der Klausur dürfte hier einiges vertretbar sein, sofern das Problem gesehen und ordentlich behandelt wird. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Selma🌻

Selma🌻

22.2.2024, 22:46:40

Ist vielleicht eine dumme Frage, aber ist 241a II BGB hier nicht anwendbar/zu erwähnen? Dass gesetzliche Ansprüche (= 985?) nur nicht ausgeschlossen sind, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte?

TI

Timurso

23.2.2024, 10:01:22

Das ist ein Argument für die h.M., ja. Also anwendbar ist er natürlich nicht, da hier ja kein Irrtum/Fehler vorliegt.

fuchs_

fuchs_

20.8.2024, 18:36:47

Gibt es also gar keine Ansprüche, das Tablet wieder herauszuverlangen oder nur nicht nach §985? Anders gefragt, schließt §241a I jegliche Ansprüche aus? Auch ohne §241a I würde ich beispielsweise bei §812 I 1 Var. 1 schon daran zweifeln, ob eine Leistung vorliegt, da der Unternehmer ja wusste, dass kein Vertrag besteht. §

814

als Ausschlussgrund heranzuziehen, wäre dann ja nicht einmal notwendig. Eine

Eingriffskondiktion

scheint mir darüber hinaus auch nicht einschlägig, da der Verbraucher, dem unaufgefordert etwas zugeschickt wird, ja nicht in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingreift. Dadurch würde ich darauf kommen, dass auch ohne §241a I dem Unternehmer in einem solchen Fall keine weiteren Herausgabeansprüche zustehen, und dass §241a I vor allem bei §985 und dem Recht zum Besitz iRd §986 relevant ist. Auch §823 iVm §249 I wäre ohne Bestehen des §241a I doch nicht einschlägig, oder? Oder würde der Verbraucher durch das Behalten der Sache eine Verletzung des Eigentums begehen?


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