Anwartschaftsrecht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V ein Handy. V behält sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung der 24 Kaufpreisraten vor. Eine Weitergabe des Handys in dieser Zeit ist K vertraglich untersagt. K veräußert nach Zahlung der ersten drei Raten die Anwartschaft an dem Handy an G und übergibt ihr das Handy. V verlangt von G Herausgabe.
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Einordnung des Falls
Anwartschaftsrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat das Eigentum an dem Handy an K durch rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung verloren (§ 929 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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2. Hat V das Eigentum an dem Handy an G verloren?
Nein, das trifft nicht zu!
3. G ist Besitzerin des Handys.
Ja!
4. G steht aus dem Kaufvertrag zwischen K und V ein relatives Besitzrecht (§ 986 Abs. 1 BGB) zu.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Das Anwartschaftsrecht verleiht unstreitig auch ein dingliches Recht zum Besitz.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Kann V nach hM das Handy von G herausverlangen (§ 985 BGB)?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jomolino
5.4.2022, 17:32:34
Wieso ist hier kein gutgläubiger Erwerb möglich? Es liegt ja kein abhandenkommen und keine Bösgläubigkeit vor?
Lukas_Mengestu
6.4.2022, 14:31:10
Hallo nomamo, hätte K hier das Eigentum an dem Handy veräußert, so wäre es in der Tat zu einem gutgläubigen Erwerb gekommen (§§ 929 S. 1, 932 BGB). Hier hat K aber lediglich seine Anwartschaft veräußert bezüglich derer er auch verfügungsbefugt war. Da er insoweit zu erkennen gegeben hat, nicht selbst Eigentümer zu sein, ist hier ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums ausgeschlossen. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Edward Hopper
16.2.2023, 19:48:50
Ist hier nicht der erwerbstatbestand nicht falsch? Da der Erwerber den Gegenstand ja achon hat müsste es doch 158, 929 S2 sein, bei bedinungseintritt
Timurso
17.2.2023, 16:33:02
Ich denke hierfür ist auf den Zeitpunkt der Erklärung abzustellen. Letztendlich ist es in den meisten Fällen aber auch egal. Dennoch würde ich sagen, dass für den Fall, dass der Eigentümer die Sache nicht übergibt, der Erwerber dem Eigentümer die Sache stiehlt und anschließend den Kaufpreis vollständig zahlt, kein Eigentumserwerb zustande kommen sollte. Dies wäre jedoch die Folge, wenn man auf den Zeitpunkt der Besitzlage zum Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung abstellt statt der Erklärung der Bedingung.
Edward Hopper
1.3.2023, 14:33:51
Bedingungen sind aber niemals ex tunc
Paulah
2.6.2024, 12:18:25
Warum greift § 137 BGB hier nicht?
Paulah
2.6.2024, 13:16:13
Ich glaube, ich habe es selbst schon rausgefunden: Wegen § 161 BGB?
Leo Lee
3.6.2024, 12:37:57
Hallo Paulah, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man hier sich die Frage stellen, ob 137 greift oder nicht. Beachte allerdings, dass 137 – also die Aufgabe der
Verfügungsbefugnis– sich NICHT auf der DINGLICHEN Ebene auswirkt. D.h., dass man sich zwar verpflichten kann, jedoch die verabredungswidrige Weitergabe immer noch gegenüber einem Dritten wirkt. Allerdings ergeben sich hieraus SE-Ansprüche aufgrund Verstoßes gegen die Verabredung. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster § 137 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Paulah
11.6.2024, 11:28:23
Ich habe bisher gelernt, dass nach herrschender Meinung die Anwartschaft ein dingliches Besitzrecht einräumt. In der letzten Frage steht, die herrschende Meinung sei, dass die Anwartschaft kein Recht zum Besitz gibt. Was ist richtig?
Jan
11.6.2024, 13:28:16
Das kommt ganz auf die Konstellation drauf an. Ich würde dir die Reihe von Prof Dr Fervers (Kreditsicherungsrechte) empfehlen. Da ist das ganze sehr schön und didaktisch top aufbereitet.
Paulah
11.6.2024, 16:11:24
Stimmt! Fervers ist Klasse. Da bin ich noch nicht drauf gekommen. Danke!
Sustainable Finance
13.8.2024, 07:19:53
Hey zusammen! Die letzte Frage hat mich etwas irregeführt, da die Herausgabe hier grundsätzlich an den mittelbaren Besitzer zu erfolgen hat - wie es die Antwort auch vorsieht. Ich dachte, das sollte die Spitzfindigkeit der Frage sein. Klarer wäre es mE, die letzte Frage ggf. abzuändern iSv „kann V unmittelbar Herausgabe an sich selbst fordern?“ oder, falls die Herausgabe an den mittelbaren Besitzer nicht Schwerpunkt sein soll „kann V Herausgabe an sich verlangen, wenn der mittelbare Besitzer (K? 😄) den Besitz nicht übernehmen will?“ bzw. „Kann V nach § 986 Abs. 1 S. 2 BGB Herausgabe an den mittelbaren Besitzer (…K? 😅) verlangen?“. Viele Grüße, vielen Dank und weiter so 👏