Anwartschaftsrecht

13. Juli 2025

29 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V ein Handy. V behält sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung der 24 Kaufpreisraten vor. Eine Weitergabe des Handys in dieser Zeit ist K vertraglich untersagt. K veräußert nach Zahlung der ersten drei Raten die Anwartschaft an dem Handy an G und übergibt ihr das Handy. V verlangt von G Herausgabe.

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Einordnung des Falls

Anwartschaftsrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat das Eigentum an dem Handy an K durch rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung verloren (§ 929 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. Hier war jedoch die Einigung nicht auf den sofortigen Übergang des Eigentums gerichtet, sondern stand unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Damit hat K zunächst lediglich ein Anwartschaftsrecht erworben. Die vollständige Kaufpreiszahlung ist (noch) nicht eingetreten. Somit ist V noch Eigentümer.
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2. V könnte das Eigentum an dem Handy jedoch an G verloren haben. Haben sich K und G über die Übertragung des Eigentums geeinigt?

Nein, das trifft nicht zu!

K hat G nur das Anwartschaftsrecht nach § 929 S. 1 BGB analog übertragen. Das Eigentum konnte und sollte damit nicht auf G übergehen.Die Rechtsnatur des Anwartschaftsrechts entspricht weitgehend der des Vollrechts Eigentum (sog. wesensgleiches Minus). Seine Übertragbarkeit ergibt sich deshalb wie die des Eigentums aus den §§ 929 ff. BGB (analog).

3. G ist Besitzerin des Handys.

Ja!

Besitzer ist, wer die von einem natürlichen Besitzwillen getragene tatsächliche Sachherrschaft innehat (§ 854 Abs. 1 BGB). G übt nach der Übergabe durch K die tatsächliche Sachherrschaft über das Handy aus.

4. G steht aus dem Kaufvertrag zwischen K und V ein relatives Besitzrecht (§ 986 Abs. 1 BGB) zu.

Nein, das ist nicht der Fall!

Relative Besitzrechte wirken grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses. Darüber hinaus besteht ein abgeleitetes Besitzrecht, wenn (1) der mittelbare Besitzer ein Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer hat, (2) der mittelbare Besitzer zur Weitergabe des Besitzes berechtigt ist und (3) der unmittelbare Besitzer dem mittelbaren Besitzer gegenüber ein Besitzrecht hat. Der Kaufvertrag kam zwischen K und V zustande. Da K nicht zur Weitergabe berechtigt war, erstreckt sich das Besitzrecht aus dem Kaufvertrag nicht auf G. Sie hat somit kein relatives Besitzrecht gegenüber V.

5. Das Anwartschaftsrecht verleiht unstreitig auch ein dingliches Recht zum Besitz.

Nein, das trifft nicht zu!

Dies ist umstritten. Nach einer Ansicht sei ein dingliches Besitzrecht anzunehmen, da das Anwartschaftsrecht als wesensgleiches Minus zum Vollrecht Eigentum auch die entsprechenden Rechte auf Besitz und Nutzung übertrage. Die wohl h.M. lehnt dies hingegen ab, da das wesensgleiche Minus gerade nicht mit dem Vollrecht gleichzustellen sei. Vielmehr solle dadurch lediglich die Sicherung des Eigentumserwerbs geschützt werden.

6. Kann V nach h.M. Herausgabe des Handys von G an sich selbst verlangen (§ 985 BGB)?

Nein!

§ 985 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsteller Eigentümer und der Anspruchgegner Besitzer ohne Recht zum Besitz ist. Nach § 986 Abs. 1 S. 2 BGB kann jedoch der Eigentümer nur Herausgabe an den mittelbaren Besitzer verlangen, wenn dieser gegenüber dem Eigentümer zur Besitzüberlassung nicht befugt ist und er nicht die Übernahme des Besitzes ablehnt. Über den Wortlaut hinaus wird § 986 Abs. 1 S. 2 BGB auch dann angewendet, wenn die Zwischenperson nicht mittelbarer Besitzer ist. Es reicht insofern aus, dass der vorherige Besitzer weiterhin ein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer hat.V ist weiterhin Eigentümer und G derzeit Besitzerin. Da das Anwartschaftsrecht nach h.M. kein Recht zum Besitz begründet, ist sie verpflichtet, das Handy herauszugeben. Der Kaufvertrag unter Eigentumsvorbehalt stellt jedoch Recht zum Besitz des K gegenüber dem V dar. K hat das Handy auch unbefugt an die G weiter gegeben. Da nicht ersichtlich ist, dass er das Handy nicht wieder zurücknehmen würde, besteht der Anspruch des V nur auf Herausgabe an den K.

7. Hat G das Eigentum an dem Handy gutgläubig erworben (§ 932 BGB)?

Nein!

Ein gutgläubiger Erwerb kommt nur in Betracht, wenn die Übereignung nach §§ 929 ff. BGB alleine an der Berechtigung des Veräußernden scheitert. K und G haben sich jedoch gar nicht über die Übertragung des Eigentums geeinigt. Daher kann G das Eigentum auch nicht gutgläubig erworben haben.
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