Anwartschaftsrecht II (Dolo-agit-Einrede)

16. Februar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V ein Handy. V behält sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung der 24 Kaufpreisraten vor. Eine Weitergabe des Handys in dieser Zeit ist K vertraglich untersagt. Als nur noch eine Rate fällig ist, veräußert K die Anwartschaft an G und übergibt ihr das Handy. Die letzte Rate will G selbst zahlen. V verlangt von G Herausgabe.

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Einordnung des Falls

Anwartschaftsrecht II (Dolo-agit-Einrede)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat das Eigentum an dem Handy an K durch rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung verloren (§ 929 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Einigung war nicht auf den sofortigen Übergang des Eigentums gerichtet, sondern stand unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Damit hat K zunächst lediglich ein Anwartschaftsrecht erworben. Die Bedingung ist noch nicht eingetreten. Somit ist V noch Eigentümer.
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2. Hat V das Eigentum an dem Handy an G verloren?

Nein, das trifft nicht zu!

K hat G nur das Anwartschaftsrecht nach § 929 S. 1 BGB analog übertragen. Das Eigentum konnte und sollte damit nicht auf G übergehen.Die Rechtsnatur des Anwartschaftsrechts entspricht weitgehend der des Vollrechts Eigentum (sog. wesensgleiches Minus). Seine Übertragbarkeit ergibt sich deshalb wie die des Eigentums aus den §§ 929 ff. BGB (analog).

3. G ist Besitzerin des Handys.

Ja!

Besitzer ist, wer die von einem natürlichen Besitzwillen getragene tatsächliche Sachherrschaft innehat (§ 854 Abs. 1 BGB). G übt nach der Übergabe durch K die tatsächliche Sachherrschaft über das Handy aus.

4. G steht aus dem Kaufvertrag zwischen K und V ein relatives Besitzrecht (§ 986 Abs. 1 BGB) zu.

Nein, das ist nicht der Fall!

Relative Besitzrechte wirken grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses. Darüber hinaus besteht ein abgeleitetes Besitzrecht, wenn (1) der mittelbare Besitzer ein Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer hat, (2) der mittelbare Besitzer zur Weitergabe des Besitzes berechtigt ist und (3) der unmittelbare Besitzer dem mittelbaren Besitzer gegenüber ein Besitzrecht hat. Der Kaufvertrag kam zwischen K und V zustande. Da K nicht zur Weitergabe berechtigt war, erstreckt sich das Besitzrecht aus dem Kaufvertrag nicht auf G. Sie hat somit kein relatives Besitzrecht gegenüber V.

5. Das Anwartschaftsrecht verleiht unstreitig auch ein dingliches Recht zum Besitz.

Nein, das trifft nicht zu!

Dies ist umstritten. Nach einer Ansicht sei ein dingliches Besitzrecht anzunehmen, da das Anwartschaftsrecht als wesensgleiches Minus zum Vollrecht Eigentum auch die entsprechenden Rechte auf Besitz und Nutzung übertrage. Die wohl h.M. lehnt dies hingegen ab, da das wesensgleiche Minus gerade nicht mit dem Vollrecht gleichzustellen sei. Vielmehr solle dadurch lediglich die Sicherung des Eigentumserwerbs geschützt werden.

6. Lehnt man mit der h.M. ein dingliches Besitzrecht ab, kann V von G vorliegend die Herausgabe des Handys verlangen (§ 985 BGB).

Nein!

Zwar verleiht das Anwartschaftsrecht nach h.M. kein eigenständiges Besitzrecht. Der Besitzer könne aber dem Eigentümer unter Umständen die „dolo-agit“-Einrede (§ 242 BGB) entgegenhalten. Nach dieser kann eine bestimmte Leistung nicht eingeklagt werden, wenn sie sogleich wieder zurückgegeben werden müsste. Mit Blick auf das Anwartschaftsrecht sei dies der Fall, wenn nur noch eine Rate gezahlt werden muss.Grundsätzlich hat V zwar einen Anspruch aus § 985 BGB. Da G nur noch eine letzte Rate zu zahlen hat und infolgedessen das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht Eigentum erstarkt, ist die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs rechtsmissbräuchlich.
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