Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Schwere Körperverletzung, § 226 StGB
Nr. 1: Sehvermögen – Operativer Heileingriff
Nr. 1: Sehvermögen – Operativer Heileingriff
12. Februar 2025
10 Kommentare
4,7 ★ (9.994 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T schlägt mit Hilfe eines Barhockers mehrfach auf O ein. Die massiven Schläge führen dazu, dass O auf dem rechten Auge zu 98% erblindet. Durch eine Augenoperation mit Einsatz einer künstlichen Augenlinse kann das Sehvermögen auf diesem Auge jedoch wieder dauerhaft hergestellt werden.
Diesen Fall lösen 81,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Nr. 1: Sehvermögen – Operativer Heileingriff
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn die Körperverletzung bei der verletzten Person eine schwere Folge herbeiführt, und der Täter hinsichtlich dieser Folge zumindest fahrlässig handelt, ist der Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts der schweren Körperverletzung erfüllt (§ 226 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das besondere Unrecht, das die schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB) beschreibt, resultiert daraus, dass die schwere Folge langwierig sein muss.
Genau, so ist das!
3. Die von T verwirklichte Körperverletzung hat zur Folge, dass der verletzte O "das Sehvermögen auf einem Auge verliert" (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Nach Auffassung des BGH läge eine schwere Körperverletzung aber vor, wenn O die Behandlung nicht durchgeführt hätte.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
L. H.
17.1.2021, 23:33:45
Interessant und gut zu wissen! Dies ist dann wohl der Umkehrschluss zur Erkenntnis aus den Übungen zu Paragraph
223 StGB, wonach das Zerstören z.B. eines Herzschrittmachers eine Körperverletzung wäre, das einer nicht dauerhaft angebrachten Prothese (das dort genannte Beispiel ist mir gerade entfallen) jedoch lediglich Sachbeschädigung.
Lena88
28.11.2022, 14:15:48
Laut BGH strittig - BGHSt 62, 36: es komme auf das Ausmaß der Rechtsgutsverletzung zum Tatzeitpunkt an. Unter anderem gäbe es keine
Obliegenheitdes Opfers, sich zugunsten des Täters beschwerlichen Heilmaßnahmen zu unterziehen. Vgl. auch Wessels/Hettinger/Engländer BT1, Rn. 245

Lukas_Mengestu
29.11.2022, 15:57:37
Liebe Lena88, vielen Dank für den klasse Hinweis! In der Tat stellt sich der BGH gegen einige Stimmen aus dem Schrifttum und verpflichtet das Opfer explizit nicht dazu, sich einer Behandlung zu unterziehen (BGHSt 62, 36 = http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77943&pos=0&anz=1). Das Opfer werde in der Regel schon wissen, warum es die Behandlung nicht wolle. Im vorliegenden Fall hat sich O aber der entsprechenden Untersuchung bereits unterzogen, wodurch die schwere Folge abgemildert wurden. Maßgeblicher Zeitpunkt der Be
urteilung der schweren Folge ist der Zeitpunkt des
Urteils. Wurde -wie hier- die schwere Folge dann bereits behoben, so kommt es auf den Streit nicht mehr an und es fehlt unstreitig an der schweren Folge. Wir haben hierzu aber noch eine ergänzende Frage mit aufgenommen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
NF
17.6.2023, 12:29:46
Blöde Frage, aber wie wirkt es sich denn aus, wenn das Opfer erst das strafrechtliche
Urteilabwartet (
schwere Körperverletzung) und erst danach die Operation durchführen lässt?
B.H.
15.7.2023, 10:15:34
Die Langweiligkeit entfällt auch, wenn damit zurechnen ist, dass die das schwerere Unrecht begründende Folge in absehbarer Zeit nach dem
Urteilentfällt.
Kai
20.12.2024, 12:14:50
Puh, ich würde nochmal anknüpfen: Wenn eine schwere Folge besteht, das Opfer sich verweigert, aber grds. jederzeit durch eine Behandlung die schwere Folge entfallen lassen könnte, würde es am Ende dem Opfer die Möglichkeit eröffnen, die (vielleicht durchaus mit Risiko behaftete OP) so lange nicht durchzuführen, bis der Täter ver
urteilt ist, um sie danach durchführen zu lassen. Das mag zwar ein konstruierter Fall sein, aber es verursacht dennoch ein Störgefühl, wenn die Strafe des Täters vom Handeln des Opfers abhängt.
Vincent
14.1.2025, 14:05:31
Das hieße ja auch: Ich werde Opfer des o.G. Angriffes und lehne aus religiösen Gründen eine Operation ab ->
schwere Körperverletzung-> ich lehne die Op nicht ab -> keine schwere KV.
Rojin.Car
10.12.2024, 14:27:30
Ist dies bereits in der schweren Folge anzusprechen oder erst bei der objektiven Zurechnung?