"Täter hinter dem Täter" 3 – Irrtum über Unrechtsquantifizierung


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H bringt T dazu, ein dem O gehörendes Bild zu zerstören, indem sie ihm vorspiegelt, es handele sich um ein wertloses Geschmiere. H selbst weiß jedoch, dass es sich um ein wertvolles Gemälde handelt.

Einordnung des Falls

"Täter hinter dem Täter" 3 – Irrtum über Unrechtsquantifizierung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T selbst ist Täter einer Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB).

Ja!

T hat vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft eine fremde Sache, das Gemälde des O, zerstört und sich daher wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

2. T handelte volldeliktisch. Daher scheidet eine mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) des H immer aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) setzt nach der Rspr und hL (1) in der Regel voraus, dass (a) der Tatmittler ein "Defizit" hat, d.h. bei diesem auf der Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Schuldebene ein Strafbarkeitsmangel vorliegt und (b) der Hintermann Tatherrschaft bzw. Täterwillen hat. (2) Alternativ liege mittelbare Täterschaft auch ohne Defizit des Tatmittlers in den Konstellationen des „Täters hinter dem Täter“ vor, d.h. bei (a) der Ausnutzung von Irrtümern über den Handlungssinn, die sich nicht auf die Strafbarkeit des Tatmittlers auswirken, und (b) der Organisationsherrschaft. Nur eine Mindermeinung schließt es generell aus, einen vollverantwortlichen Täter zugleich als Werkzeug eines anderen zu sehen (Verantwortungsprinzip).

3. H hat sich wegen Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft (§§ 303 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht, indem sie T dazu brachte, Os wertvolles Gemälde zu zerstören.

Genau, so ist das!

Hier liegt eine von der Rspr und hL angenomme Konstellation des "Täters hinter dem Täter" vor. T macht sich über das Gewicht des von ihm verwirklichten Unrechts unzutreffende Vorstellungen (sog. gradueller Tatbestandsirrtum). Er weiß nicht, dass er ein bedeutendes Gemälde beschädigt, und irrt sich daher über den konkreten Handlungssinn. Diesen Irrtum hat H hervorgerufen und konkret ausgenutzt. Ihr kommt daher hinsichtlich des quantitativ „überschießenden Schadens“ kraft ihrer Kenntnis der Zusammenhänge die Verantwortung für die Unrechtssteigerung zu. Bei normativer Betrachtung hat H daher „durch“ T gehandelt und sich wegen Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft (§§ 303 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

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Jana-Kristin

Jana-Kristin

19.7.2021, 17:29:26

In der Frage müsste es im letzten Satz "T" statt "H" heißen, wenn man darauf hinaus will, dass T volldeliktisch handelt.

Marilena

Marilena

20.7.2021, 16:33:18

Hi Jana-Kristin, vielen Dank für den Hinweis und Deine wertvolle Mithilfe, die Inhalte zu verbessern. Ich habe mir die Aufgabe nochmal angesehen, konnte aber keine Stelle finden, an der ich T und H vertauschen sollte. Liegt hier vielleicht ein Missverständnis vor? Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

DAN

Daniel

27.7.2021, 20:19:52

Die Aufgabe ist schon richtig formuliert. Auch ohne Wissen um den Wert des Bildes handelt T volldeliktisch.

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

14.9.2021, 15:21:02

Hallo 👋🏼 im Bereich der graduellen Tatbestandsirrtümer wird neben der vorgestellten Ansicht der mittelbaren Täterschaft des H - neben anderen - auch die Ansicht vertreten, dass Hintermann H als Anstifter zu bestrafen ist und sein überschießender Vorsatz bei der Strafzumessung gem. § 46 berücksichtigt wird. Würde das Strafmaß für H in beiden Fällen nicht identisch ausfallen? Oder gäbe es einen materiellen Unterschied, den ich nicht sehe? Danke.

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

2.5.2023, 18:43:50

Ich denke, es ist einfach der Grundgedanke, dass das Unrecht bei einem Täter größer ist als bei einem Teilnehmer, wobei das eine Rolle spielt. Das wirkt sich (zumindest rein theoretisch) auch bei gleichem Strafrahmen auf die konkrete Strafe aus.

KD

K. Dilper

24.11.2021, 19:10:58

Ist das hier nicht eine falsche Subsumtion? Der T weiß doch selbst vom Wert des Bildes, hierbei ist der H doch im Irrtum, weil er glaubt, der T wisse nicht um den Wert. Hier liegt doch gerade kein Fall eines irgendwie gearteten Minus beim Vordermann vor, auch nicht "nur" bezüglich des Wertes des Bildes.

KD

K. Dilper

24.11.2021, 19:15:07

Ich muss mich selbst korrigieren, das überlegene Wissen liegt ja laut Sachverhalt nur bei H

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.11.2021, 10:56:02

Super, dass Du es noch einmal selbst überprüft hast. Auch in Klausuren ist es wichtig, sich immer zu vergewissern, dass man den Sachverhalt richtig aufgefasst hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JCF

JCF

16.8.2023, 00:24:21

Es wäre super, wenn man seine eigenen Kommentare bearbeiten oder löschen könnte.

lennart20

lennart20

14.6.2023, 09:09:55

Bei mir im Lehrbuch (Wessels, Satzger) steht für diese Art von Konstellation des Täters hinter dem Täter, dass eine Täuschung über die Unrechtshöhe, wie den Wert eines gestohlenen Tatobjekts und sonstige Tatmotive nur Raum für eine Strafbarkeit als Teilnehmer verbleibt und dadurch die Täuschung über die Unrechtshöhe und sonstige Tatmotive untauglich sind für die Begründung einer mittelbaren Täterschaft. (Rn.855). Ich finde eure Ausführung hier stehen im Widerspruch zur Darlegung des Lehrbuchs. Könntet ihr das Überprüfen, oder bin ich hier falsch? Auch kann ich leider nicht über einen graduellen Tatumstandsirrtum im Lehrbuch finden.

vonkarma

vonkarma

13.7.2024, 15:20:43

Ja, viele Lehrbuchautoren haben (wie ich finde zu Recht) ein Problem mit der Anerkennung von Fällen der Unrechtsquantifizierung (wie es Rengier nennt) als mittelbare Täterschaft. Rengier lehnt die Konstellation mit der Begründung ab, dass die Abgrenzung nach Unrechtshöhe zu unbestimmt ist und ein Irrtum über allein Strafzumessungsrelevante Merkmale keine Ausnahme von dem Verantwortungsprinzip rechtfertigt. (Rengier, AT § 43 Rn. 49) Welcher Ansicht man folgen will ist wohl - wie vieles im Strafrecht - Geschmackssache. Die Darstellung hier ist aber in der Rspr. & der Kommentarliteratur sehr weit verbreitet. In der Fallbearbeitung wird wohl beides richtig sein (es sei denn man erwischt einen hardliner-korrektor ahaha)

Juratiopharm

Juratiopharm

25.7.2023, 22:08:49

Die Behandlung von Irrtümern zur Unrechtsquantifizierung bzw. von graduellen Tatbestandsirrtümern scheint mir so umstritten zu sein, dass dieser Fall dem nicht gerecht wird. Auch für solche Ansichten, die nur eine Anstiftung anerkennen, weil der Irrtum zur Strafzumessung keine Abkehr von Verantwortungsprinzip rechtfertige, spricht mMn einiges.

BEN

benjaminmeister

20.11.2023, 14:20:09

Sehe ich ebenfalls so. Ist hier eine Änderung geplant?


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