Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 107 BGB, rechtlich neutrales Geschäft, Verfügung über fremde Sache

§ 107 BGB, rechtlich neutrales Geschäft, Verfügung über fremde Sache

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 10-jährige K hat von ihrem Freund F ein Skateboard ausgeliehen. Kurz darauf ist Ks 18-jährige Cousine C zu Besuch. Sie findet Gefallen an dem Skateboard und bietet K €50 dafür. K ist einverstanden, übergibt C das Skateboard und erhält von C einen 50-Euro-Schein.

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Einordnung des Falls

§ 107 BGB, rechtlich neutrales Geschäft, Verfügung über fremde Sache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) mit C über das Skateboard ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert. Dies wiederum ist der Fall, wenn durch das Rechtsgeschäft ausschließlich persönliche Rechte begründet oder persönliche Pflichten aufgehoben werden.Ein Kaufvertrag mit C würde für K zwar einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung begründen (§ 433 Abs. 2 BGB), jedoch würde er sie gleichzeitig zur Übereignung des Skateboards verpflichten (§ 433 Abs. 1 BGB). Unerheblich ist hierfür, dass sie nicht Eigentümerin des Skateboards ist. Der Vertrag begründet für sie eine rechtliche Verpflichtung.
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2. Die Übereignung des 50-Euro-Scheins an K ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Ja, in der Tat!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert.Durch die Übereignung erlangt die K das Eigentum an dem Schein. Ihre Rechtsstellung wird dadurch ausschließlich verbessert.

3. K hat sich mit C darauf geeinigt, dass das Eigentum an dem Skateboard auf C übergehen soll (§ 929 S. 1 BGB). Diese dingliche Einigung ist für K rechtlich neutral.

Ja!

Rechtsgeschäfte, die dem Minderjährigen weder einen rechtlichen Vorteil noch einen rechtlichen Nachteil bringen, werden als rechtlich neutrale Geschäfte bezeichnet. Ein rechtlich neutrales Geschäft liegt für den Minderjährigen unter anderem dann vor, wenn er als Nichtberechtigter (Nichteigentümer) eine fremde Sache übereignet. Nach h.M. sind rechtlich neutrale Rechtsgeschäfte genauso wie lediglich rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte zustimmungsfrei. § 107 BGB ist insofern teleologisch zu reduzieren. Da nicht K, sondern F Eigentümerin des Skateboards ist, ist die Übereignung an C für K rechtlich neutral. Ihre auf die Übereignung gerichtete Willenserklärung ist auch ohne die Zustimmung ihrer Eltern wirksam.

4. C hat von K nach h.M. wirksam Eigentum an dem Skateboard erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB).

Genau, so ist das!

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten setzt neben der dinglichen Einigung und der Übergabe der Sache (§ 929 S. 1 BGB) voraus, dass der Erwerber in gutem Glauben ist (§ 932 BGB). Dies ist der Fall, wenn er den Nichtberechtigten für den Eigentümer hält. Ferner darf die Sache dem wahren Eigentümer nicht abhanden gekommen sein (§ 935 BGB). Ein Abhandenkommen ist zu bejahen, wenn der wahre Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache zuvor unfreiwillig verloren hat. K und C haben sich dinglich geeinigt. K hat C das Skateboard auch übergeben. Die C hat K für die Eigentümerin gehalten und war somit gutgläubig. F hat der K das Skateboard freiwillig zur Leihe übergeben. Daher liegt ein Abhandenkommen nicht vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Burumar🐸

Burumar🐸

18.5.2022, 21:35:46

Könnte man nochmal erklären, warum der Verlust des Besitz (!) am Skateboard rechtlich neutral und nicht nachteilig ist?

Jen:ny

Jen:ny

20.5.2022, 12:26:14

Hallo Burumar, du hast an sich schon recht, dass der Besitzverlust für K allgemein betrachtet nachteilig ist. Allerdings beruht der Besitzerwerb - im Gegensatz zum Eigentumserwerb - auf einem

Realakt

(= rein faktische Handlung, an die das Gesetz unabhängig vom Willen des Handelnden rechtliche Folgen knüpft; hier die Übergabe des Skateboards) und nicht auf einem Rechtsgeschäft. Somit sind die Regelungen zu den Willenserklärungen (Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung etc.) nicht anwendbar. D.h. K als Minderjährige muss nicht geschäftsfähig sein, um den Besitz am Skateboard aufzugeben. Es genügt ihr natürlicher Herrschaftswille. Die lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit/Neutralität spielt bei der Besitzübergabe keine Rolle. Die rechtliche Neutralität bezog sich in dem Fall auf das Verfügungsgeschäft der Eigentumsübertragung (K ist nicht die Eigentümerin des Skateboards).

CR7

CR7

6.11.2022, 16:56:44

Gegen den guten Glauben spricht aber, dass der gutgläubige Erwerber durch § 932 BGB nur so gestellt werden soll, wie er stünde, wenn seine Vorstellung der Wirklichkeit entspräche. In diesem Fall, wenn etwa M tatsächlich Eigentümer gewesen wäre, wie der Erwerber annahm, wäre die Einigung nach § 108 I BGB schwebend unwirksam. Der Erwerber ist nach einer Meinung (Medicus, AT Rn. 568) daher nicht schutzwürdig und soll kein Eigentum erwerben. (Quelle: FU Berlin)

JANA

Jana

31.3.2023, 14:48:51

Ich bin etwas verwirrt: Einerseits ist der Vertrag rechtlich nachteilhaft, weil K zur

Übereignung

verpflichtet sei (auch wenn sie keine Eigentümerin ist). Andererseits sei die

Übereignung

des Eigentums rechtlich neutral, weil sie keine Eigentümerin ist.

CR7

CR7

31.3.2023, 14:58:04

Die

Übereignung

ist ein Verfügungsgeschäft. Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das eine Übertragung, Änderung, Aufhebung oder Belastung eines Rechts bewirkt. Wenn K das ihr gehörige Grundstück veräußert, dann ist es rechtlich nachteilhaft, weil sie ein Recht (am Skateboard, Eigentum) überträgt. Sie verliert diese Position. Wenn Sie aber ein fremdes Skateboard, das nicht ihr gehört, veräußert, hat sie KEIN RECHT dran, welches aufgehoben oder anderweitig beeinträchtigt wird. Das ist dann rechtlich neutral. Das darf sie dann auch veräußern. Bezugspunkt des guten Glaubens ist aber nicht die Minderjährigkeit, sondern der Glaube an die Eigentumsstellung (932 I S. 1 BGB).

CR7

CR7

31.3.2023, 14:58:22

Ich meinte natürlich Skateboard, nicht Grundstück

JANA

Jana

1.4.2023, 00:50:49

„Wenn K das ihr gehörige Grundstück (Skateboard) veräußert, dann ist es rechtlich nachteilhaft“ Aber sie hatte kein Eigentum daran und es war dennoch nachteilhaft. Das ist es ja was mich verwirrt. Einerseits hat der Fakt, dass sie KEINE Eigentümerin ist hinsichtlich der

Übereignung

eine rechtlich nachteilhafte Wirkung, da sie zur

Übereignung

verpflichtet wird, es unerheblich sei, dass sie nicht Eigentümerin ist (Laut Lösung der 1. Frage des 1. Falls). Andererseits hat die

Übereignung

eine rechtlich neutrale Wirkung, da K nicht Eigentümerin ist (Laut Lösung der 3. Frage des 1. Falls). Irgendwas geht hier nicht auf.

SER

Seriouz0G

25.4.2023, 15:46:13

Soweit ich mich nicht irre, lassen sich die unterschiedlichen Antworten aus dem Trennungsprinzip herleiten. Hiernach sind das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft als zwei voneinander getrennte Rechtsgeschäfte anzusehen, die außerdem in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig sind (Abstraktionsprinzip). Insofern kann es sein, dass das Verpflichtungsgeschäft aus einem bestimmten Grund (bspw. Minderjährigkeit) nichtig ist, während das Verfügungsgeschäft nicht zwangsläufig aus demselben Grund nichtig sein muss. Ebenso verhält es sich mit dem lediglich rechtlichen Vorteil. Während das Verpflichtungsgeschäft den Minderjährigen K dazu verpflichtet der C das Skateboard - unabhängig von seiner tatsächliche Eigentümerstellung - zu übergeben und zu übereignen, stellt eben diese bloße Verpflichtung bereits einen rechtlichen Nachteil dar. Alleine das Begründen der Verpflichtung verschlechtert die Rechtsstellung des K. Demgegenüber ist das Verfügungsgeschäft als rechtlich neutral zu bewerten, da K nicht der Eigentümer das Skateboards ist. Insofern übereignet er eine Sache, die nicht seinem Vermögen zuzuordnen ist, sodass sein Vermögen trotz

Übereignung

auch nicht gemindert wird. Hierbei ist K in seiner Rechtsstellung weder besser oder schlechter gestellt. Mit diesen Argumenten würde ich das Divergieren der Antworten erklären.

Tim

Tim

27.4.2023, 19:43:52

Unter der Annahme das Ks Freund F ähnlich alt wie K ist, würde der Leihvertrag zwischen K und F, ohne der Zustimmung von Fs Eltern, schwebend unwirksam sein. Kommt für F dann ein

abhandenkommen

des Skateboards infrage?

Tim

Tim

27.4.2023, 20:44:11

Da K und damit nach der Annahme wohl auch F über 7 Jahre alt ist, ist F nicht mehr geschäftsunfähig (vgl. § 104 Nr. 1 BGB). F kann damit einen tatsächlich Willen bilden, welchem einem

Abhandenkommen

i.S.d. §

985 BGB

widersprechen kann (vgl. MüKoBGB/Oechsler BGB § 935 Rn. 6, 7). Somit ist F die Sache nicht abhanden gekommen und C hat gem. §§ 929 i.V.m. 932 BGB das Eigentum gutgläubig erworben.

Tim

Tim

28.4.2023, 00:10:56

Hat F eine Möglichkeit Eigentum das Skateboard zurückzuerhalten. Etwa durch §§ 816 i.V.m. 812 BGB?

Carl Wagner

Carl Wagner

28.4.2023, 16:03:13

Vielen Dank für deine Frage, Tim! Genau! (1) Zum

Abhandenkommen

: Nach h.M. kommt es bei Minderjährigen auf die Urteilsfähigkeit im Einzelfall an. Eine

Mindermeinung

will die §§ 104 ff. BGB analog heranziehen. (vgl. BeckOK BGB/Kindl, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 935 Rn. 8) Für die h.M. spricht, dass diese eine angemessenen Ausgleich zw. Verkehrsschutz und Minderjährigenschutz schafft. Außerdem regeln die §§ 104 ff. BGB Willenserklärungen. Bei § 935 BGB ist davon keine Rede, sondern es geht um die Freiwilligkeit. Die Fallösung geht konkludent davon aus, dass F diese Einsichtsfähigkeit hatte. Darauf sollte es bei dieser Aufgabe aber auch gar nicht so sehr ankommen, weil hier die BGB-AT Problematiken im Vordergrund stehen und weniger das Sachenrecht. Daher gab es keine näheren Angaben zu F. (2) Wenn der gutgläubige Erwerb erfolgreich ist und tatsächlich Eigentum erlangt wurde, ist dieses auch kondiktionsfest. (MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 932 Rn. 72) Diese Wertung ergibt sich direkt aus dem Gesetz. Nach § 816 I 1 BGB kann nur der Erlös herausgefordert werden, wenn ein Nichtberechtigter wirksam verfügt hat. Ausnahme ist § 816 I 2 BGB, wenn der Erwerber selbst kein Vermögensopfer erbracht hat (Schenkung), weil der Beschenkte weniger schutzwürdig ist. Teilweise wird vertreten, dass § 812 BGB bereits durch § 816 BGB verdrängt wird (lex specialis Jotzo, JURA 2016, 1055 (1062)). Jedenfalls würde ein § 812 I 1 Alt. 2 BGB (

Eingriffskondiktion

) letztlich am "ohne Rechtsgrund" scheitern, denn die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb stellen einen Rechtsgrund / Rechtfertigung dar. (3) Welche Ansprüche F jetzt alles haben könnte und welche Probleme sich da wieder wegen des MJ-Rechts auftun, würde diesen Kommentar sprengen. Jedenfalls kann F das Eigentum nicht mehr herausverlangen. Je nachdem, ob ein Vertrag zustandekam oder nicht, kommen vertragliche Ansprüche und Sekundäransprüche (§§ 280 ff. BGB) in Betracht. Verneint man einen Leihvertrag zw T und F (zB wegen fehlender Einwilligung), muss man Ansprüche aus GoA prüfen. Dann stellen sich Fragen des EBV, denn wenn T und F niemals einen wirksamen Leihvertrag hatten und hatte K auch kein

Besitzrecht

; ggf. SE gem. §§ 989, 990 BGB. Zuletzt dann bereicherungsrechtlich: § 816 I 1 BGB. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

Tim

Tim

28.4.2023, 16:21:11

Vielen Dank Carl für deine ausführliche Antwort. Habe ich immer einen Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 BGB wenn es sich um einen gutgläubigen Erwerb handelt? K bräuchte schließlich ohne gültigen Kaufvertrag nicht an C leisten. Entsprechend hätte K ja eigentlich ohne Rechtsgrund (ohne Kaufvertrag, § 433 BGB) an C geleistet. Beste Grüße Tim

Carl Wagner

Carl Wagner

28.4.2023, 16:34:43

Es gibt drei Stufen: (1) Du siehst § 812 I 1 Alt. 2 BGB als lex specialis durch § 816 BGB verdrängt an. (2) Du stellst auf den Vorrang der Leistungskondiktion ab (zw. K und C), die die

Eingriffskondiktion

verdrängt (3) Du stellst auf die sog. sachenrechtliche Parallelwertung ab: Erwirbt jemand gutgläubig Eigentum, dann muss er dieses auch behalten können. Der Vertrag zwischen K und C wäre im Prüfungspunkt "ohne Rechtsgrund" irrelevant, da dieser nur relativ zw. K und C wirkt und für F keine Wirkung entfaltet. Zur sachenrechtlichen Parallelwertung mehr in Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Auflage, 3. Teil, § 13, Rn. 16 (bzw. S. 231). Für die Klausur empfehle ich dir, eine der ersten beiden Möglichkeiten zu wählen, um den Korrektor nicht herauszufordern ("Kennt der Bearbeiter nun lex specialis / Vorrang der Leistungsbeziehung oder nicht?") Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

JEN

Jenn_

12.5.2023, 11:11:56

Welche Ansprüche würden F hier denn ggf. zustehen?

SE.

se.si.sc

12.5.2023, 12:50:28

Gegen K kommen zunächst vertragliche (Schadensersatz-)Ansprüche wegen Verletzung der Rückgabepflicht aus dem Leihverhältnis in Betracht (§§ 598, 604, 280 I BGB), wobei wir hier nicht wissen, ob der Leihvertrag nicht ebenfalls unwirksam ist (weil die Eltern nicht zugestimmt haben) und ob es sich nicht sogar nur um eine

Gefälligkeit

handelt. Dingliche Ansprüche scheitern (kein Eigentum des F mehr/kein Besitz der K mehr) ebenso wie deliktische (gutgläubiger Erwerb ist keine

Eigentumsverletzung

). Was bleibt, ist allein § 816 I 1 BGB, wonach K zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet ist (mit dem üblichen Streit, was das genau ist, Befreiung von der Verbindlichkeit vs Erhalt der Gegenleistung iHv 50 €). Gegen C wiederum kann F vorerst nichts tun, sie ist jetzt Eigentümerin des Skateboards. So ist es allerdings nur, wenn der Kaufvertrag zwischen K und C genehmigt wird. Falls der Kaufvertrag zwischen K und C von den Eltern der K nicht genehmigt wird, müsste C ihr Eigentum ggf wieder herausgeben und die Leistungen wären rückabzuwickeln - wonach F dann letztlich tatsächlich wieder an sein Skateboard kommen könnte.

JEN

Jenn_

13.5.2023, 15:12:19

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! :)

Carl Wagner

Carl Wagner

13.5.2023, 20:00:02

Vielen Dank für deine Frage Jenn_ und deine ausführliche Antwort se.si.sc! Ich würde gerne noch ergänzen und korrigieren: (A) F hat zwar kein Eigentum mehr, weil C gutgläubig erworben hat (neutrales Geschäft), aber trotzdem kommt ein Anspruch gem. §§ 989, 990 BGB in Betracht. (1) Die Vindikationslage muss nämlich nur zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignis bestanden haben. (BeckOK BGB/Fritzsche, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 989 Rn. 3) Das schädigende Ereignis ist die Weitergabe und

Übereignung

an C. Zu diesem Zeitpunkt hatte F noch Eigentum und K Besitz. Wenn wir davon ausgehen, dass der Leihvertrag wegen fehlender Zustimmung der Eltern unwirksam ist, dann war K auf nicht berechtigte Besitzerin. Eine Vindikatinoslage bestand im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses. (2) Fraglich ist jetzt, ob K als Minderjährige bösgläubig war, § 990 BGB. Nach einer Ansicht kommt es auf den gesetzlichen Vertreter gem. §§ 104 ff. BGB analog an. Nach anderer Ansicht auf §§ 828 f. BGB analog. Nach dritter Ansicht wird differenziert: Auf §§ 104 ff. BGB analog wird abgestellt, wenn der Besitz durch Leistung und auf §§ 828 f. BGB, wenn der Besitz durch sonstigen Eingriff erlangt wurde. (Thöne, JuS 2021, 809, 816; Schmolke, JA 2007, 101, 103). Da die Eltern keine Kenntnis von einem fehlenden Recht hatten und K zu jung (10 Jahre alt) war, um einsichtsfähig zu sein, scheitert nach allen Ansichten §§ 989, 990 BGB an der Bösgläubigkeit der K. (B) F könnten gegen K gem. § 823 I BGB vorgehen. Vorliegend sperrt § 993 I Hs. 2 BGB nicht die Regelungen über Schadensersatz, weil ein

Fremdbesitzerexzess

vorliegt (hM). Selbst wenn der Leihvertrag zwischen F und K wirksam gewesen wäre, war sie nie dazu berechtigt, die Sache weiterzugeben. Im Falle der Wirksamkeit des Vertrages hätte sie aber normal auf Schadensersatz gehaftet. Daher erlaubt die hM hier einen Durchbruch von § 993 I Hs. 2 BGB (BeckOK BGB/Fritzsche, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 993 Rn. 10). Allerdings scheitert § 823 I BGB an der fehlenden Einsichtsfähigkeit (10 Jahre jung), gem. § 828 III BGB. (C) Zu § 816 I 2 BGB gegen C: Der KV zwischen K und C ist unwirksam, so dass zu fragen ist, ob K überhaupt "entgeltlich" etwas erlangt hat. Hier kann man diskutieren, ob § 816 I 2 BGB bei rechtsgrundlosem Erwerb anzuwenden ist (hM wohl nein, vgl. Bayreuther, Arnold, JuS 2003, 769, 772). Zu § 816 I 1 BGB gegen K: Grundsätzlich kann F eigentlich nur den erlangten Erlös von K verlangen (hM). Allerdings liegt ein unwirksamer KV vor, so dass streitig ist, ob nicht der Anspruch der K gegen C gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB nach § 816 I 1 BGB statt des Erlöses abzutreten ist. Die hM bejaht dies (ausführlich in Bayreuther, Arnold, JuS 2003, 769, 773). (D) § 812 I 1 Alt. 2 BGB ist lex specialis durch § 816 I 1 BGB verdrängt. Das gilt aber nicht für § 812 I 1 Alt. 1 BGB (Bayreuther, Arnold, JuS 2003, 769, 774). Dieser hilft aber wenig weiter, weil er nur auf Herausgabe des Besitzes gerichtet ist (vgl. Leihvertrag wo kein Eigentum an K übertragen werden sollte) und der gem. § 818 I BGB erlangte Anspruch der K gegen C (§ 812 I 1 Alt. 1 BGB) daher auch nur bzgl. des Besitzes ist. --- Falls weiteres Interesse an einer Vertiefung besteht, kann ich nur Bayreuther/Arnold, JuS 2003, 769 empfehlen, der eine nahezu identische Fallkonstellation zum Gegenstand hat! Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

Paulah

Paulah

23.9.2023, 10:44:01

Was ist denn hier mit dem Problem des gutgläubigen Erwerbs von Minderjährigen?

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 14:13:30

Hallo Paulah, das Problem des gutgläubigen Erwerbs wird hier als letzte Frage nicht im vollen Umfang besprochen, da es hier erstmal nur um die allgemeinen Lehren (Geschäftsfähigkeit) geht. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Problemkreis gibt es bei der Einheit Sachenrecht unter dieser Aufgabe (https://applink.jurafuchs.de/PBEY7xQlkDb) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Paulah

Paulah

24.9.2023, 14:03:17

Danke! Ich dachte schon, ich hätte die Minderjährigen mal wieder nicht im Griff. :-)

LELEE

Leo Lee

24.9.2023, 14:04:36

Sehr gerne!


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