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Verhüllungsverbot beim Führen eines Kfz auch für gläubige Muslima, die einen Niqab trägt?

Verhüllungsverbot beim Führen eines Kfz auch für gläubige Muslima, die einen Niqab trägt?

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist gläubige Muslima und beantragt bei der zuständigen Behörde eine Genehmigung für das Tragen eines Niqabs beim Fahren ihres Pkws. Die Behörde lehnt diese ab. Hiergegen begehrt A Rechtsschutz im Eilverfahren.

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Einordnung des Falls

Verhüllungsverbot beim Führen eines Kfz auch für gläubige Muslima, die einen Niqab trägt?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO der statthafte Rechtsbehelf?

Ja, in der Tat!

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache keine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft wäre (§ 123 Abs. 5 VwGO). Zu prüfen ist also, ob das Klagebegehr auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet ist. A wendet sich nicht gegen einen Verwaltungsakt, sondern begehrt vielmehr den Erlass eines solchen in Form einer Genehmigung. Somit ist in der Hauptsache nicht die Anfechtungsklage, sondern die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Somit ist im Eilrechtsschutz der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO der statthafte Rechtsbehelf. Die saubere Abgrenzung zwischen dem Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO und nach § 80 Abs. 5 VwGO ist essentiell für Deinen gelungenen Einstieg in die Prüfung.
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2. Ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch besteht?

Nein!

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, soweit der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Der Anordnungsanspruch meint den materiell-rechtlichen Anspruch, um den in der Hauptsache gestritten wird und der durch die einstweilige Anordnung gesichert bzw. vorläufig realisiert werden soll. Insoweit prüft das Verwaltungsgericht summarisch die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse das Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar ist (Eilbedürftigkeit). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft gemacht, wenn dargelegt wird, dass sie überwiegend wahrscheinlich vorliegen; es muss nicht lückenlos feststehen, dass der Anspruch besteht. Gemäß §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO dürfen zur Glaubhaftmachung nur präsente Beweismittel herangezogen werden.

3. Als Anspruchsgrundlage kommt hier § 46 Abs. 2 S. 1 StVO in Betracht.

Genau, so ist das!

Nach § 46 Abs. 2 S. 1 StVO können die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stelle von allen Vorschriften der StVO Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Hier begehrt A eine Ausnahme von § 23 Abs. 4 S. 1 StVO, der ein Gesichtsverhüllungs- und verdeckungsverbot für alle Personen statuiert, die ein Kfz führen. Das Tragen eines Niqabs fällt grds. unter das Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 S. 1 StVO, weil es dazu führt, dass das Gesicht so verdeckt ist, dass die Kfz-Führerin nicht erkennbar ist.

4. Damit A für das Tragen eines Niqab im Straßenverkehr überhaupt einer Ausnahmegenehmigung bedarf, müsste das in § 23 Abs. 4 S. 1 StVO normierte Verhüllungsverbot wirksam sein.

Ja, in der Tat!

Wenn das Verhüllungs- und verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 S. 1 StVO schon gar nicht wirksam ist, braucht A auch keine Ausnahmegenehmigung. Das Verbot darf insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht, wie die Grundrechte, verstoßen. Weiterhin könnte sich die Unwirksamkeit aus einem Verstoß gegen den Wesentlichkeitsvorbehalt ergeben. Anders als bei formellen Parlamentsgesetzen, kann (bzw. muss) ein Gericht, wenn es eine Verordnung für unwirksam hält, diese einfach unangewendet lassen. Bei formellen, nachkonstitutionellen Gesetzen muss es dagegen die Entscheidung aussetzen und einen Normenkontrollantrag (Art. 100 Abs. 1 GG) beim BVerfG stellen.

5. Das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot (§ 23 Abs. 4 S. 1 StVO) könnte gegen den Wesentlichkeitsvorbehalt verstoßen.

Ja!

Nach der Wesentlichkeitslehre des BVerfG muss das Parlament die wesentlichen, insbesondere die grundrechtswesentlichen Fragen selbst regeln und darf sie nicht an einen Verordnungsgeber delegieren.Somit könnte für das Verhüllungsverbot, das in die Glaubensfreiheit (Art. 4 GG) eingreift, ein Parlamentsgesetz statt einer einfachen Verordnung, wie die StVO, erforderlich sein. Das OVG ließ diese Frage, die vom VG der Vorinstanz verneint wurde, offen, da A die Auffassung des VG nicht angegriffen hat und sie auch nicht offensichtlich unzutreffend sei (RdNr. 19 ff.). Das VG verneinte einen Verstoß gegen das Wesentlichkeitsgebot mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zur Schutzhelmpflicht (§ 21a Abs. 2 S. 1 StVO), das hierfür die Verordnung für ausreichend erachtetet (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17). Ob diese Rechtsprechung vollständig auf § 23 Abs. 4 StVO übertragbar ist, erscheint vor dem Hintergrund, dass das Verhüllungsverbot nicht nur in die allgemeine Handlungsfreiheit (Ar. 2 Abs. 1 GG), sondern auch in Art. 4 GG eingreift, zweifelhaft.

6. Das Gesichtsverhüllungs- und verdeckungsverbot greift in die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein.

Genau, so ist das!

Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Der sachliche Schutzbereich der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) umfasst die Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren und zu verbreiten. Umfasst ist auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und im Alltag seiner Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Das Tragen eines Niqabs ist somit vom sachlichen Schutzbereich der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) umfasst. Es wird durch das Verhüllungsverbot zumindest während des Führen eines Kfz unmöglich gemacht, sodass eine Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt. Somit ist entscheidend, ob der Eingriff gerechtfertigt ist. Hierfür müsste er insbesondere verhältnismäßig sein.

7. Die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) ist von so hohem Rang, dass sie schrankenlos gewährt wird. Eine Rechtfertigung des Eingriffs scheidet daher aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch Grundrechte, die wie die Religionsfreiheit keine Gesetzesvorbehalte enthalten (vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte), können durch die verfassungsimmanenten Schranken kollidierenden Verfassungsrechts beschränkt werden. Dazu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang.Als kollidierendes Verfassungsgut kommen hier der Gemeinschaftswerts der Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht sowie der Schutz von Grundrechten Dritter, insbesondere Leben, Gesundheit und Eigentum (Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) in Betracht. Weitere kollidierende Verfassungsgüter, die einen Eingriff in die Glaubensfreiheit rechtfertigen können, sind bspw. die negative Glaubensfreiheit anderer (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG) und das Gebot weltanschaulicher Neutralität des Staates (Art. 140 GG iVm Art. 136 Abs. 1, Abs. 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV).

8. Das Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 StVO bezweckt die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit auch den Schutz der Grundrechte anderer Verkehrsteilnehmer.

Ja!

Das Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 StVO verfolgt nach der Verordnungsbegründung das Ziel, die Erkennbarkeit und damit die Feststellbarkeit der Identität von Kfz-Führern zu sichern, um diese bei Verkehrsverstößen heranziehen zu können. Dadurch soll verkehrswidrigem Verhalten entgegengewirkt werden. Denn Kfz-Führer, die damit rechnen müssen, zur Verantwortung gezogen zu werden, werden Verkehrsverstöße eher vermeiden (RdNR. 29 ff.). Mit dieser Zielrichtung dient § 23 Abs. 4 StVO der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrsteilnehmer und damit Gütern von Verfassungsrang. Ein legitimer liegt somit vor. Zu dessen Erreichung müsste die Vorschrift ferner geeignet, erforderlich und angemessen sein.

9. Das Verhüllungsverbot ist aufgrund durch § 46 Abs. 2 StVO ermöglichten Ausnahmegenehmigung verhältnismäßig.

Genau, so ist das!

Eine Maßnahme ist verhältnismäßig, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zu dessen Erreichung geeignet erforderlich und angemessen ist. Erforderlich ist die Maßnahme dabei, wenn sie das mildeste Mittel unter mehreren gleichgeeigneten Mitteln darstellt. Angemessen ist sie, wenn sie nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht. Das Verhüllungsverbot ist zur Förderung der legitimen Zwecke – Schutz des Straßenverkehrs und Grundrechte geeignet und auch erforderlich, da mildere und gleich geeignete Mittel nicht bestehen; insbesondere stellt die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage kein gleich geeignetes Mittel dar (RdNr. 60). Die Angemessenheit der Maßnahme ergibt daraus, dass § 46 Abs. 2 StVO eine Ausnahmegenehmigung vorsieht, um besonderen Situationen Rechnung zu tragen, die eine unbillige Härte für den Betroffenen zur Folge hätten (RdNr. 45). Somit ist das Verhüllungsverbot des § 23 Abs. 4 StVO wirksam und es kommt darauf an, ob A einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO hat.

10. Liegt hier eine Ausnahmesituation i.S.d. § 46 Abs. 2 StVO vor, die grundsätzlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigt?

Ja, in der Tat!

Eine die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Ausnahmesituation liegt insbesondere dann vor, wenn die Hinderung, das Verbot des § 23 Abs. 4 S. 1 StVO zu befolgen, auf religiösen Gründen beruht (RdNr. 45). So ist es hier. A ist die Befolgung des Gebots aus § 23 Abs. 4 S. 1 StVO aus religiösen Gründen unmöglich, weil sie sich nach ihrem Glauben zum Tragen eines Niqabs verpflichtet sieht.

11. Wenn ein Hinderungsgrund für das Befolgen des Verhüllungs- und Verdeckungsverbots besteht, hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

Nein!

§ 46 Abs. 2 S. 1 StVO stellt das Erteilen einer Ausnahmegenehmigung in das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Das gilt auch für den Fall, dass der Hinderungsgrund – wie hier – auf religiösen Gründen beruht. Allerdings muss die die Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO im Lichte des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG getroffen werden (RdNr. 47). Der Religionsfreiheit kommt bei der nach § 46 Abs. 2 S. 1 StVO zu treffenden Ermessensentscheidung auch kein genereller Vorrang ungeachtet der konkreten Einzelfallumstände zu – wie A versucht hatte zu argumentieren (RdNr. 52 ff.).

12. Der Religionsfreiheit kommt bei der Ermessensentscheidung aber – ungeachtet von den Umständen des Einzelfalls – ein genereller Vorrang zu.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar ist das Führen eines Kfz eine weit verbreitete Art der Fortbewegung, doch folgt damit mit im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht, die mit dem Führen eines Kfzs verbundenen Vorzüge durchweg zu den Bedingungen der individuell als verpflichtend empfundenen Glaubensgebote in Anspruch nehmen zu dürfen. Denn es gibt Alternativen zum Fahren eines Autos, deren Inanspruchnahme ohne die Hinnahme unzumutbarer Nachteile möglich ist (RdNr. 55). Der Religionsausübungsgfreiheit kommt nicht schlechthin ein höheres Gewicht als den mit dem Verhüllungsverbot geschützten Rechtsgütern zu. Zudem ist die Beschränkung der Religionsfreiheit, da sie sich nur auf das Führen des Kfz bezieht, zeitlich und örtlich begrenzt und deswegen nach dem VG vom geringen Gewicht (RdNr. 56 ff.) Alternative: Auch aus der Tatsache, dass auch das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes eine Identifizierung des Fahrers erschwere und dennoch von den Behörden während der Coronapandemie nicht verfolgt wurde (Opportunitätsprinzip), rechtfertige nicht die Annahme, dass der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs bzw. dem Grundrechtsschutz anderer Verkehrsteilnehmer von vornherein kein gesteigertes Gewicht beigemessen wird (RdNr. 62 ff.).

13. Das Gericht prüft die Entscheidung der Behörde, A keine Genehmigung zu erteilen, umfassend.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich der Prüfungsumfang des Gerichts gem. § 114 S. 1 VwGO auf das Vorliegen von Ermessensfehlern. Danach prüft das Gericht nur, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Hier habe A keine Ermessensfehler darlegen können. Auch läge keine Ermessensreduzierung auf Null vor, denn A habe nicht ausreichend dargetan, warum ihr das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder anderer Fortbewegungsmittel unzumutbar ist (RdNr. 68 ff.). A hatte argumentiert, dass sie durch das Tragen eines Niqabs in der Öffentlichkeit und insbesondere beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel Anfeindungen ausgesetzt sei. Allerdings seien ihre Darlegungen hier nicht substantiiert genug, um eine Unzumutbarkeit der Benutzung dieser Verkehrsmittel zu begründen (RdNr. 70 f.).

14. A hat somit einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nein!

Die Ablehnung von A’s Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 23 Abs. 4 StVO war nach Ansicht des Gerichts nicht ermessensfehlerhaft. Somit hat A nach summarischer Prüfung kein Anspruch auf Neubescheidung. Sie hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Bestünde ein Neubescheidungsanspruch der A, könnte dieser auch i.R.d. einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO durch eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Neubescheidung gesichert werden. Denn wenn die Behörde im Rahmen des Eilrechtsschutzes sogar zur Vornahme einer in ihrem Ermessen stehenden Maßnahme verpflichtet werden kann, muss dies erst recht für weniger weitreichende Verpflichtung der Behörde, zur (erneuten) Betätigung ihres Ermessens gelten (RdNr. 76 ff.).

15. Selbst wenn A möglicherweise einen Neubescheidungsanspruch hätte, hat sie keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Genau, so ist das!

Ein Anordnungsgrund hier gegeben, wenn A ein berechtigtes Interesse daran darlegen kann, dass die Behörde möglichst frühzeitig eine (erneute) Ermessensentscheidung trifft, weil ihr ein Abwarten nicht zugemutet werden kann (RdNR. 80). Hier drohe A durch den Verweis auf das Hauptsacheverfahren kein unwiederbringlicher Rechtsverlust, zumindest habe sie einen solchen nicht dargelegt. Somit sei es für sie nicht unzumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (RdNr. 82 ff.). Der Antrag der A auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist somit unbegründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JAEL

Jael

14.3.2023, 08:59:55

Interessanter Fall! Dass es im Eilverfahren abgelehnt wird, ist nachzuvollziehen... Dass es dafür aber generell keine Ausnahme geben soll, finde ich persönlich fragwürdig. Kann man sich wohl drüber streiten 😅

Nora Mommsen

Nora Mommsen

14.3.2023, 12:01:14

Hallo Jael, danke für deine Gedanken dazu. Wie so oft gilt wohl: "es kommt drauf an". In dieser Entscheidung hat das Gericht zum Einen herausgestellt, dass es sich bei der Sicherheit des Straßenverkehrs des Straßenverkehrs ein Gemeinschaftswert von Verfassungsrang handelt. Das in der Straßenverkehrsordnung angeordnete Gesichtsverhüllungsverbot verfolge den Zweck, die Erkennbarkeit und damit die Feststellbarkeit der Identität von Kraftfahrzeugführern bei automatisierten Verkehrskontrollen zu sichern, um diese bei Verkehrsverstößen heranziehen zu können. Mit dieser Zielrichtung diene die Vorschrift der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrsteilnehmer. Zum Anderen war es im konkreten Fall (zumindest vorübergehend) zumutbar, dass die Antragsstellerin öffentliche Verkehrsmittel nutzte, insbesondere auch weil sie im städtischen Umfeld lebte. Dies sind Faktoren, die auch in einer entsprechenden Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen wären. Es bleibt abzuwarten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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