Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Dreipersonenverhältnisse
Sparbuch als Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall
Sparbuch als Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Omi O legt ein Sparkonto bei B auf den Namen ihres Enkels E mit €2.000 an. Die Sparkasse soll E die Existenz des Kontos nach ihrem Tod mitteilen und das Sparbuch aushändigen. Wie vereinbart übergibt B das Sparbuch nach Os Tod an E. Alleinerbe A ist darüber nicht erfreut und verlangt das Sparbuch von E.
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Einordnung des Falls
Sparbuch als Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Damit A von E das Sparbuch nach § 985 BGB herausverlangen kann, müsste er Inhaber der Darlehensforderung gegen die B sein.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als O das Konto unter Es Namen eingerichtet und die €2000 eingezahlt hat, ist E unmittelbar Inhaber der Forderung und damit Eigentümer des Sparbuchs geworden.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. A kann das Sparbuch von E nach § 985 BGB herausverlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. A hat aber gegen E einen Anspruch auf Übertragung der Forderung, wenn die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB vorliegen.
Ja!
5. E hat etwas erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
6. E hat die Forderung durch Leistung des A erlangt.
Ja, in der Tat!
7. Sofern die Leistung an E auf einem wirksamen Schenkungsvertrag zwischen O und E beruhte, liegt ein Rechtsgrund vor und ein Kondiktionsanspruch ist ausgeschlossen.
Ja!
8. O und E haben zu Os Lebzeiten einen Schenkungsvertrag (§ 516 BGB) abgeschlossen, in den A als Rechtsnachfolger eingetreten ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Os Angebot kann von E auch nach Os Tod noch angenommen werden.
Ja, in der Tat!
10. Der Schenkungsvertrag ist nach § 125 S. 1 BGB unwirksam, da die Form des § 518 Abs. 1 S. 1 BGB nicht eingehalten wurde.
Nein!
11. Der Schenkungsvertrag ist nach § 125 S. 1 BGB formunwirksam, wenn man bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall verlangt, dass bei Schenkungen die Form des § 2301 BGB gewahrt werden muss.
Genau, so ist das!
12. Nach der h.M. ist § 2301 BGB bei Schenkungsverträgen im Rahmen des Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall anwendbar.
Nein, das trifft nicht zu!
13. Fordert man, dass auch in Fällen des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall die Form des § 2301 BGB im Valutaverhältnis einzuhalten ist, ist der Schenkungsvertrag unwirksam.
Ja!
14. Folgt man der h.M. hat A gegen E einen Anspruch auf Übertragung der Forderung nach § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
25.2.2022, 11:59:03
Richtig gut aufbereitet, vielen Dank! :)
Lukas_Mengestu
25.2.2022, 14:33:31
Herzlichen Dank :-)
David.
3.7.2023, 19:44:15
„Durch Abschluss des Vertrags zugunsten Dritter zwischen O und B hat E mit dem Tod der O das Forderungsrecht gegen A erworben (§§ 488 Abs. 1 S. 2, 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB).“ Ich verstehe nicht ganz warum E hier ein Forderungsrecht gegen A erworben hat. E hat dieses doch gegen B erworben oder nicht?
itsAnna
29.8.2023, 17:26:13
Bei der Frage nach der Unwirksamkeit der Schenkung gem. § 125 S. 1 BGB wegen fehlender notarieller Beurkundung hieß es gemessen an § 518 II BGB zunächst, dass der Formmangel geheilt wurde, weil die versprochene Leistung durch Abschluss des VzD zwischen O und B bewirkt wurde. Später bei der Anwendung der §§ 2301 II, 518 II BGB jedoch heißt es, dass die Schenkung eben nicht zu Lebzeiten bewirkt wurde, da das Sparbuch erst nach dem Tode des O übergeben werden soll. Das Bewirken der Leistung wird also zuerst als Abschluss des VzD angesehen und später als Übergabe des Sparbuchs. Wie passt das zusammen? Müsste das Bewirken der Leistung nicht in beiden Fällen gleich sein?
Diaa
2.9.2023, 23:32:00
Wirklich vielen Dank dafür!!
Reus04
5.9.2023, 22:08:48
Warum ist der Rechtsgrund der Schenkungsvertrag und nicht der Vertrag zugunsten Dritter?
Leo Lee
8.9.2023, 15:19:27
Hallo Reus04, der Grund hierfür ist, dass der Rechtsgrund das Verhältnis zw. Dem E und der O meint. Der Vertrag zugunsten Dritter ist nur zwischen der O und der B geschlossen worden. Zw. E und O (also Valuatverhältnis) liegt somit ein Schenkungsvertrag vor als Rechtsgrund :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
FW
27.8.2024, 13:31:01
Moin, Also nochmal kurz zusammengefasst, damit ich das richtig verstanden habe: Bei einer Schenkung im Drei-Personen Verhältnis ( z.B. Vertrag zugunsten Dritter des Erblassers mit einem Versprechenden zu Lebzeiten, wobei im
Valutaverhältniseine Schenkung auf den Todesfall vorliegt, §§ 328, 331, 518 I, II) gilt normales Schenkungsrecht, mithin der §
518 BGB. Bei einer Schenkung im Zwei-Personen Verhältnis zwischen Erblasser und Beschenkten zu Lebzeiten, wobei die Zuwendung erst nach dem Tod vollzogen werden soll, die erbrechtlichen Vorschriften über Verfügung von Todes wegen, mithin § 2301 I i.V.m. § 2276 BGB. Somit ist notarielle Beuurkundung erforderlich und der Vollzug heilt die fehlende Form nicht. Bei einer Schenkung im Zwei-Personen Verhältnis zwischen Erblasser und Beschenkten zu Lebzeiten, wobei die Zuwendung bereits vor dem Tod vollzogen wird, gilt wiederum nach § 2301 II i.V.m. § 516, 518 I, II BGB auch die notarielle Beurkundung, welche jedoch durch den Vollzug geheilt werden kann.
Sebastian Schmitt
21.9.2024, 11:55:52
Hallo @[FW](139488), im Kern hast Du das genau richtig verstanden! Man kann hier an vielen Stellen über Einzelheiten diskutieren und es stellen sich teils erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. So wird von einer MM im Fall deines zweiten Absatzes (
Schenkung von Todes wegennach § 2301 I BGB) als Rechtsfolge nicht zwingend die notarielle Form, sondern "nur" verlangt, dass die Form eines Testaments eingehalten wird (so zB MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl 2022, § 2301 Rn 13). Auch hinsichtlich des Vollzugsbegriffs des §
2301 BGBstellen sich diverse Fragen, die wir iR dieser Frage weitestgehend ausgeblendet haben (Bonifatiusfall!). Die von Dir erläuterte Grundstruktur ist zunächst mal das wichtigste Lernziel, von dem ausgehend man Abwandlungen und Besonderheiten vertiefen kann. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
jura🐈
16.9.2024, 10:46:45
LIebes Jurafuchs-Team, wo wart ihr, als ich in der Vorbereitung auf das 1. StEx war? Ich bin damals an dieser Konstellation fast verzweifelt! Durch euch habe ich den Fall jetzt endlich verstanden. Vielen Dank dafür!
Linne_Karlotta_
16.9.2024, 16:47:40
Hallo jura🐈, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
chailatte
20.11.2024, 13:50:23
Einen ähnlichen Fall hatte ich gerade im Klausurenkurs. Die Konstellation war identisch, nur ging es um den Inhalt eines Bankschließfachs und nicht um ein Sparbuch. Dort wurde bei der Prüfung von 985 wurde der Eigentumserwerb der Berechtigten E nach
§ 929aus dem
Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfallnach 328, 331 allerdings abgelehnt mit der Begründung, dass 328 ff nur
Verpflichtungsgeschäfte betreffe und eine Anwendung auf das dingliche
Verfügungsgeschäftnicht möglich ist. Argument war die systematische Stellung im 2. Buch „Recht der Schuldverhältnisse“. Dann wurde eine analoge Anwendung auf
Verfügungsgeschäfte diskutiert und ebenfalls abgelehnt. In eurem Fall habt ihr den Eigentumserwerb aufgrund des Vertrages zugunsten Dritter allerdings angenommen. Dann verstehe ich nicht, warum das in dem Klausurenkurs abgelehnt wurde? Hoffentlich kann mir das jemand erklären.
Radek_H
21.11.2024, 19:50:43
Ich versuche es mal. Der Fall scheint zwar identisch zu sein, ist es aber nicht wegen des Unterschiedes zwischen dem Inhalt eines Bankfaches und eines Sparbuches. Anders als bei gewöhnlichen beweglichen Sachen geht das Eigentum an einem Sparbuch auf den Inhaber der aus dem Sparbuch resultierenden Forderung über, §§ 952 II, 808. Der Enkel hat durch den VzD ein eigenes Recht auf die Forderung nach den Todesfall aus §§ 488 I S.2, 328 I, 331 I BGB erhalten. Dadurch ist er zum Inhaber der Forderung geworden und somit gem. § 952 II BGB zum Eigentümer des Sparbuchs.
chailatte
22.11.2024, 13:49:56
Hallo Radek_H. Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Soweit ist mir das gut verständlich. In dem Fall hat der VzD auf den Todesfall also scheinbar dingliche Wirkung entfaltet. Sonst wäre der Eigentumserwerb über 952 II nicht möglich, richtig? Wieso entfaltet der VzD auf den Todesfall bei dem Schließfachinhalt dann keine dingliche Wirkung? (so im Klausurenkurs)
Radek_H
24.11.2024, 16:05:20
Der VzD hat nicht die dingliche Wirkung entfaltet, sondern dazu geführt, dass der gesetzliche Eigentumserwerb nach § 952 II BGB eingetreten ist. Nochmal: Der Inhaber der Forderung wird zum Eigentümer des Sparbuches. Zitat:
Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier. Das Eigentum wird zur Forderung gezogen. Im Fall liegt keine Verfügung, sondern eine Verpflichtung vor, nämlich der Darlehensvertrag, § 488 BGB. O war zunächst Inhaberin der Forderung aus dem Darlehensvertrag nach § 488 I S.2 BGB. Als Inhaberin war sie gem. § 952 II BGB Eigentümerin des Sparbuchs. Durch die Vereinbarung der O mit B konnte E von B die Leistung nach Ableben der O fordern. Folglich wurde E nach dem Tod der O Inhaber dieser Forderung gem. 488 I S.2, 328 I, 331 I BGB. Dies führte zum gesetzlichen Eigentumserwerb nach § 952 II BGB.
chailatte
26.11.2024, 13:46:33
Ah jetzt weiß ich, wo mein Denkfehler lag! Danke für deine Mühe und Zeit Radek_H! Deine Erklärungen haben mir wirklich sehr weitergeholfen ☺️