Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Erledigung

Einseitige Erledigungserklärung - Leistungsklage ist zulässig und begründet, Erledigung nach Rechtshängigkeit ist eingetreten.

Einseitige Erledigungserklärung - Leistungsklage ist zulässig und begründet, Erledigung nach Rechtshängigkeit ist eingetreten.

14. Februar 2025

2 Kommentare

4,9(12.475 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K klagt gegen B auf Zahlung von €7.000, die diese der K tatsächlich noch schuldet. Nach Klagezustellung zahlt B alles. K erklärt sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. B widerspricht und beantragt weiterhin Klageabweisung.

Diesen Fall lösen 95,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Einseitige Erledigungserklärung - Leistungsklage ist zulässig und begründet, Erledigung nach Rechtshängigkeit ist eingetreten.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K und B haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine übereinstimmende Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache liegt nur vor, wenn die Parteien übereinstimmend Erledigungserklärungen abgeben oder eine solche Erklärung des Beklagten nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO fingiert wird. Da B der Erledigungserklärung der K ausdrücklich widersprochen hat, hat sie keine Erledigungserklärung abgegeben. Es liegt keine übereinstimmende Erledigung vor. Vielmehr hat die Klägerin den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Durch die einseitige Erledigungserklärung der K wird der Prozess beendet.

Nein, das trifft nicht zu!

Anders als nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen von Kläger und Beklagtem, endet der Prozess nicht durch die einseitige Erledigungserklärung des Klägers. Denn von dem Beklagten kann nicht stets verlangt werden, dass er auf eine rechtskräftige Entscheidung in der Sache verzichtet. Vielmehr endet der Prozess durch Urteil. Die Entscheidung hängt dabei davon ab, ob die Hauptsache sich tatsächlich erledigt hat.Ungeachtet Ks Erledigungserklärung wird der Prozess also fortgesetzt.

3. Könnte Ks Erledigungserklärung dafür sprechen, dass K möchte, dass das Gericht feststellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat?

Ja!

Eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers enthält nach allgemeiner Auffassung den Sachantrag auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Der Kläger begehrt mithin Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Dieser Übergang vom ursprünglichen Sachantrag zur Erledigungserklärung stellt entsprechend der h.M. eine nach § 264 Nr.2 ZPO privilegierte Klageänderung dar. Jedenfalls handelt es sich aber um eine nach § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung unter Einschränkung des Klageziels. Ein stattgebendes Urteil wäre daher ein Feststellungsurteil. Durch die einseitige Erledigungserklärung der K erfolgt eine Klageänderung ihrer ursprünglichen Leistungsklage in eine Feststellungsklage.Hauptsachetenor bei Erfolg: „Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.“

4. K hat ihren Klageantrag geändert. Solltest Du die Umstellung des Klageantrags in den Entscheidungsgründen vor der Zulässigkeit thematisieren?

Genau, so ist das!

Durch die einseitige Erledigungserklärung des Klägers begehrt dieser nunmehr Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Du solltest daher in den Entscheidungsgründen als Vorfrage bereits vor der Zulässigkeit kurz zu erläutern, dass dieser Übergang von der ursprünglichen Leistungsklage zur Feststellungsklage eine nach § 264 Nr.2 ZPO privilegierte, zumindest aber eine nach § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung unter Einschränkung des Klageziels und damit zulässig ist. Bei konkludenter Erledigungserklärung ist zudem zunächst die Auslegung des Klageantrags erforderlich.

5. Genügt es bei der einseitigen Erledigungserklärung im Rahmen der Zulässigkeit allein die Zuständigkeit des Gerichts festzustellen?

Nein, das trifft nicht zu!

Wie gewohnt solltest Du zunächst kurz auf die Zuständigkeit des Gerichts prüfen. Zudem musst Du immer auch das Vorliegen eines Feststellungsinteresses (§ 256 Abs.1 ZPO) prüfen. Ein solches Feststellungsinteresse folgt regelmäßig aus dem Kosteninteresse des Klägers, der eine abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits haben will. K will durch die Erledigungserklärung die Kostenhaftung nach § 91 ZPO vermeiden. Würde K den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklären, würde sie mit ihrer Klage unterliegen, da die ursprünglich bestehende Forderung iHv. €7.000 durch die Zahlung der B erloschen ist (§ 362 Abs.1 BGB) und die Klage nunmehr unbegründet wäre. K hätte daher die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs.1 ZPO zu tragen. Ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs.1 ZPO liegt daher vor.

6. Im Rahmen der Begründetheit ist zu prüfen, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Ist dies hier der Fall?

Ja!

Im Fall einer einseitigen Erledigungserklärung ist die Feststellungsklage immer dann begründet, wenn die (1) Klage ursprünglich zulässig und (2) begründet war und (3) durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis (4) unzulässig oder unbegründet geworden ist. Die Klage war ursprünglich zulässig. Sie war auch begründet, da der K zunächst der geltend gemachte Anspruch iHv. €7.000 zustand. Der Anspruch der K ist jedoch gem. § 362 Abs.1 BGB erloschen, weil B durch Zahlung die geschuldete Leistung bewirkt hat. Dadurch ist die ursprünglich begründete Klage unbegründet geworden. Dieses erledigende Ereignis ist nach der Zustellung der Klage, damit nach Rechtshängigkeit eingetreten. Ks Feststellungsklage ist damit begründet.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUEERS

QueerSocialistLawyer

22.1.2025, 17:02:06

Ich bin richtig dankbar für solche klaren und kleinschnittigen Aufgaben. So kann man das Wissen wirklich fundiert aneignen.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

5.2.2025, 17:59:02

Hallo QueerSocialistLawyer, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team P.s.: Ich wollte dir schon immer ein Kompliment für deinen User*innennamen machen, ganz stark ;)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen