Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Rechtfertigungsgründe
Erlaubnistatbestandsirrtum beim Einzeltäter und vermeidbarem Irrtum
Erlaubnistatbestandsirrtum beim Einzeltäter und vermeidbarem Irrtum
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O streckt seine Arme aus, um T zu umarmen. T deutet die Bewegung des O fälschlicherweise als Angriff und schlägt O zu Boden.
Diesen Fall lösen 82,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Erlaubnistatbestandsirrtum beim Einzeltäter und vermeidbarem Irrtum
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt, indem er O zu Boden schlug.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Handelte T mit Vorsatz im Hinblick auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands?
Ja, in der Tat!
3. T handelte in Notwehr (§ 32 StGB). Seine Körperverletzung gegen O ist gerechtfertigt.
Nein!
4. Ist die rechtliche Behandlung des vorliegenden Irrtums über die tatsächlichen Umstände eines Rechtfertigungsgrundes in §§ 16, 17 StGB explizit geregelt?
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Nach der „strengen Schuldtheorie“ hat sich T der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
6. Nach der „Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen“ hat sich T der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein!
7. Nach der „vorsatzunrechtsausschließenden eingeschränkten Schuldtheorie“ hat sich T der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Nach der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie hat sich T der vorsätzlichen Körperverletzung strafbar gemacht.
Nein, das trifft nicht zu!
9. Ist vorliegend ein Streitentscheid notwendig?
Ja!
10. Wenn man sich gegen die „strenge Schuldtheorie“ entscheidet, bleibt T straffrei.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jonas22
26.6.2023, 15:34:48
Ihr schreibt in dem Einen Maßstabstext im Bereich der RECHTFERTIGUNGSGRÜNDE führe allein § 17 […]. Aber ist § 17 nicht ein Entschuldigungsgrund und kein Rechtfertigungsgrund?
Nora Mommsen
27.6.2023, 12:28:53
Hallo Jonas22, das ist absolut richtig. Allerdings geht es an der Stelle auch nicht um Rechtfertigung der
Tathandlung, sondern um die Entschuldigung aufrgund eines Irrtums. Und
§ 17 StGBist die einzige Norm, die einen Irrtum über Rechtfertigungsgründe (Vorliegen/Nichtvorliegen) regelt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
sinaaaa
31.1.2024, 15:48:42
Ich verstehe nicht wann man
Vorsatzbei dieser Theorie (eingeschränkte Schuldtheorie) bejaht und wann nicht?
F. Rosenberg 🦅
11.11.2024, 16:37:34
Es gibt drei eingeschränkte Schuldtheorien: 1. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen: Demnach ist das Nichtvorliegen eine Rechtfertigungsgrundes ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Beim ETBI irrt sich hiernach der Täter über einen Rechtfertigungsgrund und damit über einen Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Deswegen wird § 16 I 1 direkt angewandt mit der Rechtsfolge, dass der
Vorsatzentfällt. 2.
Vorsatzunrechtsausschließende, eingeschränkte Schuldtheorie: Demnach sind Tatbestandsirrtum und ETBI nicht identisch, aber wertungsmäßig so nahe, dass sie gleich behandelt werden müssen. Deshalb wird § 16 I 1 analog angewandt mit der Rechtsfolge, dass der
Vorsatzentfällt. 3.
Vorsatzschuldausschließende, eingeschränkte Schuldtheorie: Demnach sind
Vorsatzunrecht und
Vorsatzschuld zu trennen. Die Theorie wendet zwar auch § 16 I 1 analog an, ABER lässt nicht das
Vorsatzunrecht (=
Vorsatz) entfallen, sondern die
Vorsatzschuld (= Merkmale der Schuld). Die Rechtsfolge ist, dass der Täter zwar vorsätzlich und rechtswidrig, jedoch schuldlos gehandelt hat.
Magnum
4.11.2024, 18:41:14
Kann mir jemand erklären wie es zu den Bezeichnungen "
vorsatzunrechtausschließende" und "rechtsfolgenverweisende" eingeschränkte Schuldtheorie kommt? Ich kann mir das beim besten Willen nicht merken. Und
Vorsatzunrecht meint die Verwirklichung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit in vorsätzlicher Weise, oder?