Fall zum Sachgedanklichen Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen | Jurafuchs


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zum Sachgedanklichen Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen: Ein Polizist durchquert die Süßwarenabteilung eines Kaufhauses und nimmt einen Schokoriegel mit, ohne ihn zu bezahlen. Bei Wegnahme des Riegels denkt er an seinen Heißhunger, aber nicht an seine geladene Dienstpistole im Halfter.
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Klassisches Klausurproblem

Polizist P bekommt während seines Dienstes Hunger, hat aber kein Geld dabei. Im nahegelegenen Supermarkt nimmt er deshalb einen Müsliriegel mit, ohne ihn zu bezahlen. Bei Wegnahme des Riegels denkt er an seinen Heißhunger, aber nicht an seine geladene Dienstpistole im Halfter.

Einordnung des Falls

Um sich wegen einer Vorsatztat strafbar zu machen, muss der Täter den gesetzlichen Tatbestand eines Strafgesetzes willentlich und in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklichen (=Vorsatz). Der vorliegende Fall befasst sich nun mit der Frage, welche Anforderungen an die „Kenntnis“ des Täters im Hinblick auf die konkreten Tatumstände zu stellen sind.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hatte P Vorsatz bzgl. eines Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB)?

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

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Ja, in der Tat!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Zum Vorsatzwissen ist kein die Tathandlung ständig begleitendes „Daran-Denken“ im Sinne eines voll reflektierten Bewusstseins erforderlich. Es genügt, dass P das Wissen hinsichtlich des Beisichführens der Dienstwaffe jederzeit aus dem Stand reproduzieren kann (parates Wissen). Ungenügend wäre ein nur potenzielles Bewusstsein: Ein bloßes Wissen-Können ist noch kein vorhandenes Wissen und damit nicht ausreichend.P hat zwar nicht aktiv daran gedacht, dass er eine Waffe bei sich trägt. Er hätte aber jederzeit aus dem Stand reproduzieren können, dass das der Fall ist.

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