Das gefährliche Werkzeug beim Diebstahl mit Waffen - Einführung

12. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D entwendet in einem Lebensmittelladen drei teure Whiskeyflaschen für ihre nächste Party. Dabei führt sie an ihrem Gürtel ein größeres klappbares Taschenmesser bei sich, mit dem sie im Geschäft die Sicherungsetiketten durchtrennt. Gegen Menschen will sie das Messer zu keinem Zeitpunkt einsetzen.

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Einordnung des Falls

Das gefährliche Werkzeug beim Diebstahl mit Waffen - Einführung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D gelangt mit den Flaschen unbehelligt aus dem Laden. Hat sie sich des Diebstahls strafbar gemacht (§ 242 StGB)?

Ja!

Indem D die Flaschen, die im Eigentum des Ladeninhabers stehen, mitnahm, hat sie den Gewahrsam des Ladeninhabers an diesen fremden beweglichen Sachen gebrochen und eigene Sachherrschaft hieran begründet. Folglich hat sie die Flaschen weggenommen. Sie handelte diesbezüglich vorsätzlich und mit der Absicht, sich die Flaschen anzueignen und den Inhaber zu enteignen, also mit Zueignungsabsicht. D handelte rechtswidrig und schuldhaft.
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2. Da D während des Diebstahls ein Taschenmesser mit sich trug, könnte sie sich auch der Qualifikation des Diebstahls mit Waffen strafbar gemacht haben (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Einen Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB) begeht, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter a)eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die amtliche Überschrift „Diebstahl mit Waffen“ ist etwas irreführend. Neben dem Beisichführen einer Waffe erfüllen auch andere gefährliche Werkzeuge oder sonstige Werkzeuge oder Mittel den Qualifikationstatbestand. In Abgrenzung zu den gefährlichen Werkzeugen (1a Var. 2) bedarf es für sonstige Mittel (1b) allerdings einer konkreten Verwendungsabsicht („um Widerstand zu verhindern oder zu überwinden“).

3. Handelt es sich bei dem Taschenmesser um eine Waffe iSd § 244 Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Waffen sind Gegenstände, die objektiv gefährlich sind und ihrer Art nach zur Herbeiführen erheblicher Verletzungen generell geeignet und bestimmt sind. Dazu gehören insbesondere Schusswaffen, also solche Gegenstände, bei denen Geschosse durch einen Lauf nach vorne getrieben werden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG)Das Taschenmesser ist in erster Linie ein Alltagsgegenstand und von seiner Art insofern nicht dazu bestimmt, erhebliche Verletzungen anderer Menschen hervorzurufen.

4. Ob das Taschenmesser ein gefährliches Werkzeug iSd § 244 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB darstellt, bestimmt sich danach, ob es nach seiner konkreten Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.

Nein!

Ein gefährliches Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist jeder körperliche, bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Maßgebliches Kriterium ist hier die konkrete Verwendung. Die Qualifikation des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB) ist dagegen schon erfüllt, wenn der Täter das gefährliche Werkzeug bei sich führt. Eine Verwendung ist gerade nicht nötig. Aus diesem Grund herrscht Einigkeit, dass das gefährliche Werkzeug hier anders zu bestimmen ist. Der Gesetzgeber hatte diese Problematik beim 6. Strafrechtsreformgesetz nicht bedacht und in der Gesetzesbegründung fälschlich einfach auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwiesen (BT-Drs. 13/9064, 18).

5. Wie das Merkmal des gefährlichen Werkzeugs iSd § 244 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB zu konkretisieren ist, ist stark umstritten.

Genau, so ist das!

Als Folge der Neufassung der Norm durch das 6. StrafRG wurden von der Literatur zahlreiche Lösungsansätze entwickelt, um die Norm in den Griff zu bekommen. Diese lassen sich grob in subjektive und objektive Ansätze unterscheiden. Der BGH hat sich im Grundsatz für einen objektiven Ansatz entschieden. Allerdings musste auch er einräumen, dass eine umfassende, sachgerechte Begriffsdefinition für alle denkbaren Einzelfälle bei dieser „missglückten“ Gesetzesfassung nicht zu erreichen sei (BGH, NJW 2008, 2861). Da der Gesetzgeber trotz wiederholter Aufforderung bis heute keine Neufassung vorgenommen hat, ist der Streit weiterhin offen. Mehr zu den einzelnen Auffassungen erfährst Du in den nachfolgenden Aufgaben.Lerne in Zusammenhängen! Dieselbe Problematik stellt sich auch beim schweren Raub, wenn der Täter das gefährliche Werkzeug nur bei sich führt (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB).
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