Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Fahrlässigkeit
Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden
Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden
19. Juni 2023
10 Kommentare
4,6 ★ (11.297 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die 65-Jährige A ist altersbedingt nicht mehr fahrtauglich. Sie fährt deshalb die Passantin P um. Anders als im Ausgangsfall war A allerdings vorher bei einer Ärztin, die sie über ihre Fahruntüchtigkeit aufklärte.
Diesen Fall lösen 72,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Setzt die schuldhafte Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts voraus, dass der Täter auch subjektiv fahrlässig gehandelt hat?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Handelte A in Bezug auf den Fahrfehler subjektiv sorgfaltspflichtwidrig (§ 222 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Ist der A jedoch vorzuwerfen, dass sie überhaupt mit ihrem Auto gefahren ist, obwohl sie von ihrer altersbedingten Fahruntüchtigkeit wusste?
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
27.3.2022, 12:20:36

Lukas_Mengestu
28.3.2022, 10:11:28
Hallo Isabell, in der Tat könnte man hier auch an
Eventualvorsatzdenken. Um hier eine Abgrenzung vorzunehmen, sind die Angaben im Sachverhalt aber natürlich etwas dünn. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JCF
28.11.2023, 19:40:43
Ich finde es eher abwegig, hier von
Vorsatzauszugehen. Obwohl A von ihrer Fahruntauglichkeit wusste, wird sie die Verletzung oder gar Tötung von Dritten nicht bewusst in Kauf genommen haben. Es ist naheliegender, hier von bewusster Fahrlässigkeit ("Wird schon gut gehen.") auszugehen.

CR7
8.6.2024, 18:23:48
Sehe ich auch so wie JCF
David
6.6.2024, 18:16:20
Liebes Jurafuchs-Team. Sollte ich mal einen solchen Fall ihn der Klausur haben, indem die
subjektive Fahrlässigkeitproblematisch ist und zwar in der konkreten Situation keine
subjektive Fahrlässigkeitgegeben ist, dem Täter allerdings ein
Übernahmeverschuldenvorzuwerfen ist, soll ich dies noch in dieser Prüfung thematisieren oder stattdessen die Strafbarkeit ablehnen und dann als neuen Prüfungspunkt – ähnlich wie bei der a.l.i.c. – an die frühere Entscheidung des Täters anknüpfen und hier die Fahrlässigkeit durchprüfen? Danke im Voraus !!!
Jimmy105
17.7.2024, 13:07:07
Daran anschließend: wie formuliert man dazu am besten den Obersatz bzw. die Obersätze zur prüfung?

ahimes
20.10.2024, 15:37:33
Ich glaube ich würde erstmal bei der Prüfung an die 1. Handlung anknüpfen [Überfahren der Passantin], die i.E mangels subjektiver Fahrlässigkeit ablehnen und anschließend an die 2. Handlung anknüpfen [Fahruntüchtigkeit] und das ganze durchprüfen und bejahen, ergo dann 222 (+). So schneidet man sich ja nix ab. Der erste Anknüpfungspunkt bzw. Prüfung kann ja deutlich kürzer ausfallen...

Sebastian Schmitt
10.2.2025, 12:02:42
Hallo @David, danke Dir für die gute und nicht ganz leicht zu beantwortende Ausgangsfrage und @[Jimmy105](252785) für die absolut berechtigte Anschlusssfrage. Der Vorschlag von @[ahimes](191697) ist sicher machbar. Auf einer abstrakten Ebene ist es sicher auch die "sauberere" Variante, auch wenn sie etwas mehr Zeit kostet. Ich halte es aber ebenso für vertretbar, hier nur einen Obersatz aufzusetzen, anhand dessen wir
§ 222 StGBprüfen, und dann erst iRd (subjektiven) Fahrlässigkeit näher zu differenzieren. Im Obersatz würde man ja bei beiden Aufbauvarianten ohnehin an die konkrete strafbare Handlung der A anknüpfen, nämlich das Umfahren der Fußgängerin P (zB schlicht "[...], indem sie P umfuhr."). Worin der konkrete Vorwurf an A auf subjektiver Ebene liegt, könnte man dann mE in der (subjektiven) Fahrlässigkeit noch ansprechen, ohne dass der Obersatz dadurch falsch wird. Bei der erstgenannten Aufbauvariante müsste man sich dagegen Gedanken machen, ob man schon bei den Obersätzen eine Differenzierung vornehmen muss, indem man zB für die erste Anknüpfung einen Fahrfehler erwähnt, für die zweite auf die Kenntnis von der Diagnose abstellt. Differenziert man hier nicht, hätte man zwei identische Obersätze mit zwei identischen normativen Anknüpfungen (jeweils nur
§ 222 StGB), was mE zumindest zweifelhaft ist (möglicherweise kommt daher das berechtigte Störgefühl von Jimmy105). Ich persönlich habe vor diesem Hintergrund leichte Sympathien für die zweite Aufbauvariante, also die "gemeinsame" Prüfung, jedenfalls unter Klausurbedingungen. Ich sehe hier aber wie gesagt kein zwingendes "richtig" oder "falsch", zumal wir über reine Aufbau- und Formulierungsfragen im Gutachten sprechen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team