Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden

Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden

19. Juni 2023

4,6(8.796 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zur Subjektiven Fahrlässigkeit:

Die 65-Jährige A ist altersbedingt nicht mehr fahrtauglich. Sie fährt deshalb die Passantin P um. Anders als im Ausgangsfall war A allerdings vorher bei einer Ärztin, die sie über ihre Fahruntüchtigkeit aufklärte.

Diesen Fall lösen 73,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Subjektive Fahrlässigkeit: Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung (-) – Abwandlung zum Übernahmeverschulden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Setzt die schuldhafte Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts voraus, dass der Täter auch subjektiv fahrlässig gehandelt hat?

Genau, so ist das!

Neben den allgemeinen Entschuldigungsgründen prüft die Rspr. und hL im Rahmen der Schuld die subjektive Fahrlässigkeit. Danach muss dem Täter auch eine subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und eine subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts vorzuwerfen sein. Dabei sind individuell geringere Fähigkeiten oder Kenntnisse bzw. die individuell verringerte Möglichkeit der Erfolgsvoraussicht zu berücksichtigen, sodass beispielsweise intellektuelle oder körperliche Mängel, mangelndes Erfahrungswissen oder Reaktionsvermögen, Affekt- oder Erregungszustände den Täter entlasten können.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Handelte A in Bezug auf den Fahrfehler subjektiv sorgfaltspflichtwidrig (§ 222 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung setzt voraus, dass der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage war, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Reichen etwa seine intellektuellen oder körperlichen Fähigkeiten, seine Kenntnisse und Erfahrungen dazu nicht aus, kann ihm der objektive Sorgfaltsverstoß nicht persönlich vorgeworfen werden. Zwar hätte ein durchschnittlicher 65-jähriger Fahrer die Verkehrssituation wohl gemeistert. Allerdings war A nach ihren persönlichen Fahrfähigkeiten dazu nicht in der Lage.

3. Ist der A jedoch vorzuwerfen, dass sie überhaupt mit ihrem Auto gefahren ist, obwohl sie von ihrer altersbedingten Fahruntüchtigkeit wusste?

Ja!

Unter dem Aspekt des Übernahmeverschuldens kommt eine Vorverlagerung des anzuknüpfenden Verhaltens in Betracht, wenn etwa jemand bereits vor der Tat weiß, dass er zu dessen Verrichtung nicht mehr in der Lage ist. A wusste von ihrer Ärztin, dass sie altersbedingt fahruntüchtig geworden war. Gleichwohl fährt sie anschließend mit ihrem Auto. Die fehlende Vorwerfbarkeit der Sorgfaltspflichtverletzung beim Fahren schützt sie an dieser Stelle nicht, weil schon auf die Übernahme des Fahrens als relevante Tathandlung abgestellt wird.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

27.3.2022, 12:20:36

Hier würde ich ja schon fast über einen

Vorsatz

nachdenken.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2022, 10:11:28

Hallo Isabell, in der Tat könnte man hier auch an

Eventualvorsatz

denken. Um hier eine Abgrenzung vorzunehmen, sind die Angaben im Sachverhalt aber natürlich etwas dünn. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JCF

JCF

28.11.2023, 19:40:43

Ich finde es eher abwegig, hier von

Vorsatz

auszugehen. Obwohl A von ihrer Fahruntauglichkeit wusste, wird sie die Verletzung oder gar Tötung von Dritten nicht bewusst in Kauf genommen haben. Es ist naheliegender, hier von bewusster Fahrlässigkeit ("Wird schon gut gehen.") auszugehen.

CR7

CR7

8.6.2024, 18:23:48

Sehe ich auch so wie JCF

DAV

David

6.6.2024, 18:16:20

Liebes Jurafuchs-Team. Sollte ich mal einen solchen Fall ihn der Klausur haben, indem die subjektive Fahrlässigkeit problematisch ist und zwar in der konkreten Situation keine subjektive Fahrlässigkeit gegeben ist, dem Täter allerdings ein

Übernahmeverschulden

vorzuwerfen ist, soll ich dies noch in dieser Prüfung thematisieren oder stattdessen die Strafbarkeit ablehnen und dann als neuen Prüfungspunkt – ähnlich wie bei der a.l.i.c. – an die frühere Entscheidung des Täters anknüpfen und hier die Fahrlässigkeit durchprüfen? Danke im Voraus !!!

JI

Jimmy105

17.7.2024, 13:07:07

Daran anschließend: wie formuliert man dazu am besten den Obersatz bzw. die Obersätze zur prüfung?

ahimes

ahimes

20.10.2024, 15:37:33

Ich glaube ich würde erstmal bei der Prüfung an die 1. Handlung anknüpfen [Überfahren der Passantin], die i.E mangels subjektiver Fahrlässigkeit ablehnen und anschließend an die 2. Handlung anknüpfen [

Fahruntüchtigkeit

] und das ganze durchprüfen und bejahen, ergo dann 222 (+). So schneidet man sich ja nix ab. Der erste Anknüpfungspunkt bzw. Prüfung kann ja deutlich kürzer ausfallen...


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen