Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung auf Erlass einer Untersagungsverfügung bei nicht genehmigungspflichtigem Bauvorhaben

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung auf Erlass einer Untersagungsverfügung bei nicht genehmigungspflichtigem Bauvorhaben

3. Juli 2025

7 Kommentare

4,8(12.013 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Schrauberin S baut eine genehmigungsfreie Garage auf ihrem Grundstück, um an ihren Oldtimern basteln zu können. Nachbar N meint, dass S beim Bau der Garage die Grenzabstände zu seinem Grundstück nicht einhält. Er verlangt von der zuständigen Behörde, dass S nicht weiterbaut.

Diesen Fall lösen 82,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung auf Erlass einer Untersagungsverfügung bei nicht genehmigungspflichtigem Bauvorhaben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Behörde unternimmt nichts. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt N. Statthaft ist die Anfechtungsklage, wenn N die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft, soweit es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt handelt (§ 35 S. 1 VwVfG) und der Verwaltungsakt nicht erledigt ist.
Öffentliches Recht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Öffentliches Recht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Als Grundlage der Errichtung von S's Garage hat die zuständige Baubehörde einen Verwaltungsakt erlassen, den N mit der Anfechtungsklage anfechten kann.

Nein!

Ein Verwaltungsakt ist (1) eine hoheitliche Maßnahme (2) einer Behörde (3) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. Der Bau von S's Garage ist genehmigungsfrei. Für ihre Errichtung ist deshalb eine Baugenehmigung (= Verwaltungsakt), die N mit der Anfechtungsklage anfechten könnte, weder erforderlich noch hier erlassen worden. In den meisten Bundesländern ist der Bau einer Garage genehmigungsfrei (z.B. § 60 Abs. 1 S. 1 NBauO i.V.m. Nr. 1.2. des Anhangs).

3. Ns Klagebegehren ist gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage.

Genau, so ist das!

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. N möchte, dass die Behörde S dazu verpflichtet, ihre Garage nicht weiterzubauen. Eine solche Untersagungsverfügung ist ein Verwaltungsakt: Die Behörde verpflichtet die S einseitig (hoheitliche Maßnahme) dazu, die Errichtung ihrer Garage (Einzelfall) mit Blick auf die Einhaltung von Normen des Bauordnungsrechts (Gebiet des öffentlichen Rechts) einzustellen (Regelung mit Außenwirkung). Weil S schon mit dem Bau begonnen hat, besteht Eilbedürftigkeit. N sollte daher auch einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO stellen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Öffentliches Recht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

YI

YI

10.12.2024, 17:37:26

Kann man die

Anfechtungsklage

nicht als "was ist aber nicht mehr soll" und die

Verpflichtungsklage

als "was nicht ist aber soll" zusammenfassen? Gibt es eine Situation in der die "Merkhilfe" nicht anwendbar ist?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

13.1.2025, 12:37:32

So könnte man es darstellen! Um etwas anzufechten, muss etwas bestehen —> der Verwaltungsakt besteht und ich möchte ihn aus der Welt schaffen (er ist, soll aber nicht) Mit der

Verpflichtungsklage

möchtest du den Erlass eines VA bewirken —> der Verwaltungsakt besteht nicht, er soll aber erlassen werden (er ist nicht, soll aber) Ich wüsste spontan keine Konstellation, in welcher deine Merkhilfe nicht passt :)

JO

jonasgoevert

14.5.2025, 16:39:38

Würde sich hier eine

Klagebefugnis

wg Anspruchs aus 81 I 1 BauO iVm 6 BauO (

Schutznormtheorie

) ergeben?

JO

Jojo2025

15.5.2025, 14:23:36

Hier wäre sein Begehren auf eine Untätigkeitsklage, den Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes, gerichtet ?

BECCA

Becca_la

22.5.2025, 16:41:56

Liebes Team von @jurafuchs, in der ersten Frage steht "nach erfolglosem Widerspruchsverfahren" klagt der Nachbar. Aber wogegen soll sich denn ein Widerspruch richten, wenn die Garage Genehmigungsfrei ist? Da stehe ich irgendwie auf dem Schlauch. Hat N sich vorher an die untätige

Behörde

gewandt, die nicht eingeschritten ist? und das Nicht-Einschreiten stellt einen VA dar, gegen den sich N wendet? Liebe Grüße

BECCA

Becca_la

22.5.2025, 16:42:15

@[Jurafuchs ](137619)

Major Tom(as)

Major Tom(as)

22.5.2025, 17:15:50

Hey, dabei hilft dir § 68 II VwGO weiter - auch bei einer

Verpflichtungsklage

bedarf es eines

Vorverfahren

s. Insoweit wird dann vor der

Versagungsgegenklage

statt des VAs die Ablehnung des Erlasses überprüft (bei einer Untätigkeitsklage dagegen ist ein

Vorverfahren

nicht statthaft, vgl. § 75 I 1 VwGO)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Untersagungsverfügung bei fortgesetztem Bau trotz aufgehobener Baugenehmigung

Die zuständige Baubehörde entzieht Vogelfreund V die zuvor erteilte Genehmigung zum Bau eines großen Vogelkäfigs, weil V die Auflagen zum Lärmschutz nicht erfüllt hat. V setzt den Bau des Käfigs dennoch fort. Nachbar N will dagegen vorgehen.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Öffentliches Recht-Wissen testen