Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Untersagungsverfügung bei fortgesetztem Bau trotz aufgehobener Baugenehmigung

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Untersagungsverfügung bei fortgesetztem Bau trotz aufgehobener Baugenehmigung

8. November 2024

4,8(7.617 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die zuständige Baubehörde entzieht Vogelfreund V die zuvor erteilte Genehmigung zum Bau eines großen Vogelkäfigs, weil V die Auflagen zum Lärmschutz nicht erfüllt hat. V setzt den Bau des Käfigs dennoch fort. Nachbar N will dagegen vorgehen.

Diesen Fall lösen 87,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Untersagungsverfügung bei fortgesetztem Bau trotz aufgehobener Baugenehmigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt N. Statthaft ist die Verpflichtungsklage, wenn N den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. N begehrt, dass V den Bau des Käfigs stoppt. Dafür muss N gegen die erlassene Baugenehmigung vorgehen. Statthaft ist die Anfechtungsklage.

Nein!

Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft, soweit es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt handelt (§ 35 S. 1 VwVfG) und der Verwaltungsakt nicht erledigt ist. Zuerst lag eine Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) für den Bau des Vogelkäfigs vor. Damit hatte V die Erlaubnis, den Käfig zu bauen (sog. Gestattungswirkung). Solange der Verwaltungsakt wirksam ist, darf V entsprechend bauen. Die Behörde hat die Baugenehmigung allerdings widerrufen (§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG), weil V die Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) nicht erfüllt hat. Infolge des Widerrufs besteht die Baugenehmigung nicht mehr. N kann sie also auch nicht anfechten.

3. N begehrt den Erlass einer Untersagungsverfügung. Statthaft ist die Verpflichtungsklage.

Genau, so ist das!

Setzt der Bauherr den Bau trotz aufgehobener Baugenehmigung fort, muss der Dritte auf den Erlass einer Untersagungsverfügung (= Verwaltungsakt) durch die zuständige Behörde klagen. Das Gleiche gilt, wenn der Bauherr von Anfang an ohne Baugenehmigung gebaut hat. N begehrt einen Baustopp. Sein Begehren ist auf den Erlass einer Untersagungsverfügung gerichtet. Wo kein angreifbarer Verwaltungsakt besteht, muss auf ein "zusätzliches Handeln" der Behörde (hier: Erlass eines Verwaltungsakts) geklagt werden. Aufgrund der Eilbedürftigkeit kommt ein Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

H. Schmidt von Church

H. Schmidt von Church

13.6.2023, 14:01:32

Hallo zusammen, nehmen wir mal an, dass V trotz der

Untersagungsverfügung

den Bau fortsetzt. Dann könnte N doch auf die tatsächliche Vollstreckung der Untersagung klagen, also mithin eine

allgemeine Leistungsklage

erheben, oder?

Nils

Nils

11.4.2024, 13:27:16

Verwaltungsakte werden nach §§ 6 ff. VwVG vollstreckt; verwaltungsgerichtliche Entscheidungen nach § 167 Abs. 1 VwGO unter entsprechender Anwendung des 8. Buchs der ZPO (§§ 704 ff. ZPO). Ein weiteres Urteil (Titel) würde in deinem Beispiel nichts nützen, denn das gibt ja bereits. Noch eins braucht es daher nicht. Vielmehr ginge es darum, wie ein solches dann in der Realität tatsächlich durchgesetzt werden kann.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen