Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Fehlgeschlagener Versuch - Sinnlosigkeit 2

Fehlgeschlagener Versuch - Sinnlosigkeit 2

4. Juli 2025

10 Kommentare

4,7(9.918 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte den O töten. Dafür möchte sie ihn auf einem nächtlichen Spaziergang überraschen, von hinten überwältigen und erwürgen. Nachdem sie begonnen hat, die Person zu würgen, erkennt sie, dass es sich gar nicht um O handelt. T flieht.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Fehlgeschlagener Versuch - Sinnlosigkeit 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch des Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) an T ist fehlgeschlagen.

Ja, in der Tat!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. Nach h.M. ist ein Versuch auch dann fehlgeschlagen, wenn die Tatfortführung sinnlos geworden ist, weil der Täter das damit verfolgte Ziel nicht mehr erreichen kann. Da T ihr eigentliches Ziel, O zu töten, nicht mehr erreichen kann, ist ihr Versuch fehlgeschlagen. Das Ziel, O zu töten, kann sie nur erreichen, wenn sie eine neue Kausalkette in Gang setzt.
Strafrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Strafrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Wäre der Versuch bereits beendet und bedürfte es einer Rücktrittshandlung, dann müsste ein Rücktritt nach einem Teil der Literatur weiterhin möglich sein.

Ja!

Wäre der Versuch bereits beendet und bedürfte es einer Rücktrittshandlung, dann bejaht eine Literaturmeinung, dass kein Fehlschlag vorliegt, da der Täter sonst keine Motivation hat, den Erfolg zu verhindern und ihm eine Umkehrleistung nicht zugute kommen würde. Die Verhinderung der Vollendung ist von der Rechtsordnung weiterhin erstrebt. Dies erscheint im Ergebnis auch richtig, lässt sich aber nur schwer mit der grundsätzlichen Einordnung als Fehlschlag vereinbaren.

3. Eine Mindermeinung lehnt die Zuordnung des sinnlos gewordenen Versuchs zum Fehlschlag ab.

Genau, so ist das!

Eine Mindermeinung geht davon aus, dass die Fallgruppe vergleichbar ist mit den Fällen der außertatbestandlichen Zielerreichung, bei welcher ebenfalls eine Rücktrittsmöglichkeit bejaht wird. Dagegen spricht, dass der Täter in den Fällen der außertatbestandlichen Zielerreichung das Ziel aber gerade erreicht hat und in der vorliegenden Konstellation diese Zielerreichung gerade nicht mehr möglich ist.
Dein digitaler Tutor für Jura
Strafrecht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LAWFU

lawfulthings

5.3.2024, 23:49:22

Spricht das „von hinten überwältigen“ nicht eher für einen versuchten Mord statt einem versuchten Totschlag?

Gruttmann

Gruttmann

6.3.2024, 08:08:10

Ja, in diesem Fall könnte die

Heimtücke

in Betracht gezogen werden. Es ist möglich, dass je nach gewählter Herangehensweise, ob man sich an der Rechtsprechung oder an der Literatur orientiert, auch der Totschlag als eigenständiges Delikt behandelt werden kann. Allerdings müsste dann im Anschluss noch der versuchte Mord geprüft werden. Meiner Meinung nach ist es für eine Klausur empfehlenswert, dem Schema der Literatur zu folgen und die Paragraphen 212 und 211 iVm. 22,23 StGB in einem Schema zu prüfen, da 211 nach der Literatur als Qualifikation des 212 betrachtet wird. Hoffe das hilft, LG.

Gruttmann

Gruttmann

6.3.2024, 08:16:07

Ich denke es ging vorliegend in dieser Aufgabe um etwas anderes, weshalb das auch einfach der Grund gewesen sein könnte. Ein kleiner Klausurhinweis könnte hilfreich sein:) LG

LAWFU

lawfulthings

6.3.2024, 12:05:57

Danke für die tolle Antwort! :)

HAN

HannaS

12.4.2025, 11:42:01

die erste Frage ist "Der Versuch des Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) an T ist fehlgeschlagen." aber T ist doch der Täter und nicht das Opfer, oder?

Kai

Kai

1.5.2025, 18:04:04

Irgendwie löst es in mir Bedenken aus, hier einen Fehlschlag anzunehmen. Wenn die Täterin in der Person, die sie angreift, irrt, bejahen wir den Vorsatz über den

error in persona

, der lediglich

Motivirrtum

ist. Die Täterin, die ihren Irrtum erkennt und vom nicht gewollten Opfer ablässt, kann wegen Fehlschlags nicht zurücktreten, die Täterin, die von Beginn an das richtige Opfer angreift, aber schon. Man kann natürlich sagen, dass die Täterin, die dem

error in persona

unterliegt, nicht zum Recht zurückkehrt, sondern schlicht nur keine Unbeteiligten angreifen will, klar. Dennoch ist es ja im Interesse des Opferschutzes, hier den Rücktritt nicht zu versperren. Habe ich da einen Denkfehler?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Strafrecht-Wissen testen