+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nach dem Tod des E glaubt seine verwitwete Mutter M, seine Erbin zu sein. E besaß ein Gemälde, das er vom geschäftsunfähigen G erworben hatte. Dieses nimmt M an sich. 3 Jahre später verlangt Es verschollene Tochter T das Gemälde heraus und nimmt es an sich. Weitere 7 Jahre später fragt G sich, ob er noch Eigentümer ist.
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Einordnung des Falls
Erben kommt die Ersitzungszeit des Erbenbesitzers zugute (§ 944 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E war zum Zeitpunkt seines Todes Eigentümer des Gemäldes.
Nein, das trifft nicht zu!
Der rechtsgeschäftliche Erwerb des E scheidet wegen der Geschäftsunfähigkeit des G aus (§ 105 Abs. 1 BGB). Für einen Eigentumserwerb kraft Gesetzes durch Ersitzung (§ 937 BGB), hatte E das Gemälde nicht lange genug im Eigenbesitz. Dieser Fall ist insbesondere deshalb komplex, weil sachen- und erbrechtliche Fragen ineinandergreifen. Hier ist es wichtig, die relevanten erbrechtlichen Normen zu finden und sauber anzuwenden. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. Ist M Alleinerbin des E?
Nein!
Liegt kein Testament (§ 1937 BGB) vor, bestimmt sich die Frage, wer Erbe wird, nach der gesetzlichen Erbfolge (§ 1924ff. BGB). Dabei ist zu beachten, dass Verwandte niedriger Ordnung Verwandte höherer Ordnungen von der Erbfolge ausschließen (§ 1930 BGB).M ist als Mutter des E Erbin zweiter Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB). Da der Vater des E verstorben ist, würde die M auch alleine erben (§ 1925 Abs. 3 BGB). Allerdings lebt zum Zeitpunkt des Erbfalls noch die Tochter T des E. Diese ist als Abkömmling des E Erbin erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) und schließt M von der Erbfolge aus.
3. M ist Erbschaftsbesitzerin (§ 2018 BGB).
Genau, so ist das!
Erbschaftsbesitzer ist derjenige, der etwas aus der Erbschaft aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts erlangt hat. Etwas meint dabei jeden Vermögensvorteil. Auf die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Erbenstellung kommt es dabei nicht an.M hat das Gemälde an sich genommen und dadurch den Besitz an dem Gemälde erlangt. Dies geschah, weil M glaubte, sie sei Alleinerbin des E. Das war sie allerdings wegen der Existenz der T objektiv nicht.
4. Die Ersitzungszeit der M kommt T als Rechtsnachfolgerinder M nach § 943 BGB zugute.
Nein, das trifft nicht zu!
Rechtsnachfolge nach § 943 BGB meint die willentliche Weitergabe des Besitzes.M hat T den Besitz nicht willentlich weitergegeben, sondern war hierzu nach § 2018 BGB verpflichtet. T ist damit nicht Rechtsnachfolgerin der M.
5. Die Ersitzungszeit der M kommt T als Erbin aber nach § 944 BGB zugute.
Ja!
Nach § 944 BGB kommt die Ersitzungszeit, die zugunsten eines Erbschaftsbesitzers verstrichen ist, dem Erben zugute. Dies setzt vorliegend voraus, dass M Erbschaftsbesitzerin (§ 2018 BGB) und T Erbin ist. Die subjektiven Voraussetzungen sind dagegen streitig. Nach einer Ansicht genügt es, dass der Erbschaftsbesitzer gutgläubig hinsichtlich der Eigentümerstellung des Erblassers ist. Die Gegenansicht fordert, dass der Erbschaftsbesitzer zudem gutgläubig hinsichtlich seines Erbschaftsrechts sein muss.Vorliegend war M Erbschaftsbesitzerin und T Erbin. M war sowohl hinsichtlich Es Eigentümerstellung als auch hinsichtlich ihrer Erbenstellung auch gutgläubig. Nach beiden Ansichten kommt die Ersitzungszeit der M somit T als Erbin zugute.
6. Ist G noch Eigentümer des Gemäldes?
Nein, das ist nicht der Fall!
G könnte das Eigentum durch Ersitzung der T verloren haben. Der Eigentumserwerb durch Ersitzung setzt voraus, dass es sich (1) um eine bewegliche Sache handelt, (2) die der Erwerber zehn Jahre (3) im Eigenbesitz hat. (4) Der Erwerber muss bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben gewesen sein und darf (5) während der Ersitzungszeitkeine Kenntnis davon erlangen, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.Einzig problematisch ist vorliegend, ob T die Ersitzungszeit erfüllt hat. Zwar hatte T selbst das Gemälde nur 7 Jahre im Eigenbesitz, allerdings kommt ihr die Ersitzungszeit der M zugute (§ 944 BGB).