Zivilrecht
Sachenrecht
Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Kondiktionsfestigkeit der Ersitzung
Kondiktionsfestigkeit der Ersitzung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die unerkannt Geschäftsunfähige G veräußert eine ihr gehörende wertvolle Erstauflage einer bekannten Romanreihe an die Sammlerin S. 15 Jahre nach der Übergabe der Erstauflage verlangt Betreuer B Herausgabe der Romanreihe an G.
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Einordnung des Falls
Kondiktionsfestigkeit der Ersitzung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G könnte einen Anspruch auf Herausgabe der Romane aus § 985 BGB besitzen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. G hat allerdings das Eigentum an dem Roman durch Rechtsgeschäft nach § 929 S. 1 BGB verloren.
Nein!
3. S hat das Eigentum durch Ersitzung (§ 937 BGB) erworben.
Genau, so ist das!
4. Hat G gegen S einen Anspruch auf Herausgabe der Romane aus § 985 BGB?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Fehlt es aufgrund der Ersitzung an den Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB, so sind unstreitig auch Kondiktionsansprüche des ehemaligen Eigentümers (§§ 812 ff. BGB) ausgeschlossen.
Nein!
6. Ansprüche aus der Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB) werden durch die Ersitzung unstreitig ausgeschlossen.
Genau, so ist das!
7. Teile der Lehre gehen davon aus, dass die Ersitzung die Leistungskondiktion nicht ausschließt. Nach dieser Ansicht könnte G, vertreten durch B, Rückübereignung der Bücher verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
8. Nach Ansicht des BGH und verschiedener Vertreter in der Literatur schließt die Ersitzung hingegen auch die Leistungskondiktion aus.
Ja!
9. Der Streit hat hohe praktische Bedeutung.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurapro
20.2.2023, 21:08:08
Kann man sagen, dass aufgrund der Ersitzung, die ein gesetzlicher Erwerbstatbestand ist, schon keine bewusste und zweckgerichtete Leistung des G vorliegt und die Leistungskondiktion deshalb nicht neben 985 anwendbar ist?
Lukas_Mengestu
21.2.2023, 09:08:59
Hallo Jur
apro, sehr gute Überlegung. In der Tat wurde das Eigentum zu keinem Zeitpunkt geleistet. Das Reichsgericht hatte in dem diesem Fall zugrunde liegenden Menzelbilder-Fall aber genügen lassen, dass der Eigenbesesitz, der die Ersitzung begründet hat, geleistet wurde. Das Eigentum sollte dann nach § 818 Abs. 1 BGB ebenfalls herauszugeben sein, da es auf Grund des Besitzes erlangt worden war (RG v. 6.10.1930 = http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/rgz130_69.htm). Lange war die Entscheidung des RG übrigens die einzige höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage der
Kondiktionsfestigkeit der Ersitzung. Der BGH hatte sich dann 2016 in einer etwas anderen Konstellation (Buchersitzung) damit wieder auseinandergesetzt und sich hierbei der Gegenauffassung angeschlossen, die argumentieren, die Ersitzung trage den Rechtsgrund in sich, sodass auch eine Herausgabe bei der Leistungskondiktion ausgeschlossen sei. Die tragenden Gründe für die Entscheidung des Reichsgerichts (unterschiedliche Verjährungsfristen) seien nach der Verkürzung der Verjährungsfrist weggefallen. Dagegen spräche für einen Gleichlauf, dass es nicht zu einem Wertungswiderspruch zwischen Leistungs- und
Eingriffskondiktionkommt (BGH Urt. v. 22.1.2016 – V ZR 27/14 = BGHZ 208, 316 = http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=73750&pos=0&anz=1 RdNr. 41f.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team