Gefahrzusammenhang: atypischer Kausalverlauf

12. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T raubt Fußgänger F auf offener Straße aus. Um dessen Koffer entwenden zu können, stranguliert T den F intensiv. O beobachtet dies aus ihrem Wohnungsfenster im 5. Stock. Sie ist so sehr an dem Geschehen interessiert, dass sie sich zu weit aus dem Fenster lehnt und tödlich stürzt.

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Einordnung des Falls

Gefahrzusammenhang: atypischer Kausalverlauf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249, 250, 252, 255 StGB) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren (Raub mit Todesfolge, § 251 StGB).

Ja!

Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, bei dem der Täter durch den Raub in zumindest leichtfertiger Weise den Tod eines anderen Menschen verursacht hat. Die Voraussetzungen sind (1) die Verwirklichung des Grundtatbestandes (§§ 249, 250, 252 und 255 StGB), (2) der Eintritt des Todes eines Menschen als schwere Folge, (3) Kausalität zwischen Grunddelikt und schwerer Folge, (4) der Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Grunddelikt und Folge, (5) leichtfertiges sowie (6) rechtswidriges und (7) schuldhaftes Handeln.
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2. Obwohl O nur Dritte und nicht Opfer des Raubes und der Gewaltanwendung war, ist sie taugliches Tatopfer im Sinne des § 251 StGB.

Genau, so ist das!

Als Erfolg muss der Tod eines anderen Menschen verursacht worden sein. Anderer muss aber nicht zwangsläufig das Opfer der Wegnahme sein. Auch ein unbeteiligter Dritter kann taugliches Tatopfer sein. Nicht taugliches Tatopfer ist hingegen ein Tatbeteiligter.

3. Über die Kausalität hinaus muss zwischen Nötigung und Todeseintritt ein unmittelbarer Risikozusammenhang bestehen.

Ja, in der Tat!

Abgesehen von der Kausalität muss zwischen dem Raub und dem Tod des Opfers ein Unmittelbarkeitszusammenhang bestehen: der Tod des Opfers muss dabei aus der besonderen Gefahr resultieren, die durch die Raubhandlung geschaffen wurde. Das Grunddelikt muss unmittelbar zum Erfolg geführt haben.

4. Der Raub und die Gewaltanwendung des T haben unmittelbar zum Tod der O geführt.

Nein!

Auch wenn das Ausgangsrisiko eine solche Gefahr in sich barg, sind Todesfolgen nicht zurechenbar, falls der Erfolg nicht aufgrund dieser Risikofaktoren, sondern aufgrund eines atypischen Kausalverlaufes eintritt. Ein solcher ist hier anzunehmen. Dass eine Beobachterin aus einem Fenster stürzt und dabei tödlich verunglückt liegt außerhalb der Lebenserfahrung. Es muss auch nicht vernünftigerweise damit gerechnet werden. In der vorliegenden Konstellation entfällt folglich der Unmittelbarkeitszusammenhang.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

24.11.2022, 18:16:12

Nur zum Verständnis: dieser Zusammenhang zwischen Gefahr und Tod wird oft verschieden bezeichnet.

Tat

bestands

spezifischer Gefahrzusammenhang

,

Unmittelbarkeitszusammenhang

und Risikozusammenhang meinen aber alle das gleiche Prinzip oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.11.2022, 13:29:51

Hallo Rick-dich, ganz genau. Rechtsprechung und Literatur haben da unterschiedliche Namen für, gemeint ist aber eigentlich das selbe. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

24.6.2024, 11:04:11

Liebes Jurafuchs-Team, wie unterscheiden sich Kausalität und der gefahrspezifische Zusammenhang in diesem Fall? Ist der gefahrspezifische Zusammenhang ähnlich zur objektiven Zurechnung und damit eine Art Eindämmung der weiten Äquivalenztheorie? Vielen Dank schon mal im Voraus

robse27

robse27

6.10.2024, 12:22:56

Moin, ja, so sehe ich es auch; besonders die zweite Komponente der objektiven Zurechnung (-> „[…] und sich diese Gefahr im

tat

bestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.“) wird bei solchen Gefahrverwirklichungszusammenhängen aufgrund des hohen Strafrahmens geschärft. (So merke ich mir das zumindest, ob das dogmatisch ganz korrekt ist, sei mal dahingestellt, mir persönlich hilft diese Stütze aber ungemein). Kann dazu für die Parallelproblematik bei § 227 Rengier BT II, § 16 Rn. 4 ff. empfehlen. LG :)


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