Grundfall zum IPR
15. April 2025
20 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die deutsche D kauft von ihrer Freundin aus Frankreich F ein Auto. D möchte von F, dass diese ihr schonmal das Auto übereignet. F erwidert, dass dies gar nicht möglich sei, weil – was zutrifft – in Frankreich das Eigentum schon mit dem Vertragsschluss übergeht. Hat F recht?
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Einordnung des Falls
Grundfall zum IPR
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Um das anwendbare Recht zu ermitteln, ist zuerst ins EGBGB zu schauen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auf vertragliche Schuldverhältnisse ist die Rom I-Verordnung anwendbar (Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO).
Ja, in der Tat!
3. Um zu prüfen, ob die Rom I-VO anwendbar ist, ist nur die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs zu prüfen.
Nein!
4. Das auf den Vertrag anwendbare Recht richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Art. 19 Rom I-VO) des Käufers (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Ist durch den Verweis ins französische Recht direkt das materielle Recht anzuwenden?
Ja, in der Tat!
6. Wendet man das französische Recht an, ist D schon Eigentümerin.
Ja!
7. Da dieses Ergebnis (Ds Eigentumserwerb) gegen das deutsche Trennungsprinzip verstößt, ist es mit der deutschen öffentlichen Ordnung unvereinbar (sog. ordre public, Art. 21 Rom I-VO).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jonas
29.10.2023, 02:54:40
Art. 4 Abs. 1 lit. a verweist nunmehr auf den gewöhnlichen Aufenthalt, sodass die richtige Antwort von der hier als richtig hinterlegten Antwort abweicht.

Lukas_Mengestu
2.11.2023, 10:23:13
Hi Jonas, kann es sein, dass Du bei der Aufgabe überlesen hast, dass in der Frage auf den „Käufer“ abgestellt wird? Deswegen ist die Antwort "nein", da es bei Art. 4 Abs. 1 lit.a auf den gewöhnlichen Aufenthalt des „Verkäufers“ ankommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Wolli
15.2.2024, 08:31:03
Art. 20 Rom I VO enthält damit das sog. „Renvoi“ Verbot, aus dem die Anwendbarkeit materiellen Rechts ohne das jeweilige IPR folgt.
<isa_hh>
28.12.2024, 08:46:14
Für mich ging aus dem Sachverhalt nicht deutlich hervor, dass sie bereits den Kaufvertrag geschlossen haben. Im Nachhinein wird das durch S. 1 deutlich(er), allerdings verstehe ich dann nicht die Formulierung “D möchte, dass F ihr >>schonmal<< das Auto übereignet. Das “schonmal” hat mich eher dahin gebracht, dass sie eben noch keinen KV geschlossen haben.

Paulah
3.1.2025, 22:05:53
Wenn im Sachverhalt eindeutig "kauft" steht, liegt ein Kaufvertrag vor. Habe ich jedenfalls so gelernt.
Dini2010
12.3.2025, 08:11:28
Das "schonmal" bezieht sich sicherlich darauf, dass das bloße Schließen eines Kaufvertrages ja gerade keine automatische Eigentumsübertragung mit sich bringt und D somit nur durch den Kaufvertrag ja noch keine Eigentümerin des Autos ist. Was sie aber möglichst direkt sein möchte, daher ihre Bitte, das Eigentum "schonmal" zu übertragen. So habe ich es zumindest interpretiert :)
Dogu
14.1.2025, 11:42:41
Die Frage des Eigentums ist doch eine Frage des internationalen Sachenrechts. Das ist aber von der Rom-I-VO nicht erfasst. Bezüglich der Eigentumsfrage ist daher alleine auf Art. 43 I EGBGB und damit den Ort abzustellen, wo das Fahrzeug sich befindet.

Paulah
7.3.2025, 20:54:39
Ins Sachenrecht kommt man gar nicht, weil das französische Recht anwendbar ist. Nach den dortigen Regeln gibt es keine Trennung zwischen Kaufvertrag und Eigentumsübertragung.
Dogu
7.3.2025, 20:59:42
Aber für die Frage des Eigentums muss ich doch das internationale Sachenrecht betrachten? Man kann doch auch nicht per Rechtswahlklausel in einem Vertrag darüber entscheiden, ob das Eigentum an einem Grundstück in einem anderen ausländischen Staat übergangen ist.
Dogu
7.3.2025, 21:14:13
https://www.eastlaw.uni-kiel.de/de/lehrveranstaltungen/archiv/Sommersemester_2020/vorlesungen-im-ss-2020/ipr_10_intsachenr&ved=2ahUKEwiYn_3w4PiLAxVDh_0HHcEnH48QFnoECBoQAQ&usg=AOvVaw2Ntl1mtY0fMGzekxUqlV5R Ganz unten steht ein ähnlicher Fall wie hier. Man muss auf Art. 43 I EGBGB abstellen, um die Frage des Eigentums zu betrachten. Danach gilt französisches Recht als
Belegenheitsort der Sache. Dieses knüpft dann selbständig an das Recht des Vertrages nach der Rom I VO an. Die vom Jurafuchs dargestellte Lösung ist daher so nicht korrekt, soweit gefragt wird, ob Eigentum übergangen ist. Dann muss der Einstieg wie gesagt über das internationale Sachenrecht erfolgen.

Paulah
7.3.2025, 22:45:32
Im Fall hier im Forum k a u f t die Deutsche D von der Französin F in Frankreich das Auto. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO ist das Recht anzuwenden, in dem der Verkäufer den gewöhnlichen Aufenthalt hat, also französisches Recht. Danach gilt das von mir oben beschriebene: In Frankreich gilt das Konsensprinzip und das Eigentum geht mit Vertragsschluss über. In dem Fall, den du meinst v e r k a u f t ein Deutscher an einen Franzosen in Frankreich (wenn ich den richtigen Fall erwischt habe). Nach Art. 4 Abs. 1 lit. 1 Rom I-VO ist der Fall nach deutschem Recht zu beurteilen, weil der Verkäufer in Deutschland wohnt. Dann muss Art. 43 I EGBGB beachtet werden und der Eigentumsübergang erfolgt erst mit der Übergabe.
Max
11.3.2025, 15:29:30
Ich stimme Dogu hier zu. Es geht darum, dass ein Eigentumsübergang gar nicht über das Rom I Statut geprüft werden kann. Der Anwendungsbereich umfasst nur die schuldrechtliche Ebene. Dazu gehört auch nicht der nach Auslandsrecht allein aufgrund Kaufvertrags erfolgte Eigentumsübergang (MüKoBGB/Martiny Rom I VO Art. 1, Rn. 18). Vielmehr muss die Anwendbarkeit des dann französischen Rechts seperat geprüft werden nach 43 EGBGB (siehe auch MüKoBGB/Martiny Rom I VO Art. 4 Rn. 125, MüKoBGB/Wenderhorst Art. 43 EGBGB Rn. 83, 86). Ein Feedback von den Moderatoren hierzu wäre prima @[Lukas_Mengestu](136780).
Dogu
11.3.2025, 15:40:39
@[Paulah](135148) Du verwechselst Schuldrecht mit Sachenrecht. Der Einstieg bei der Frage nach dem Eigentumsübergang kann nicht über die Rom I VO erfolgen. Das internationale Sachenrecht ist davon zu unterscheiden, wie in dem o.g. Link erläutert wird. Danke @[Max](293050) Das muss auch so sein, da die einzelnen Staaten selbst entscheiden, wann absolute Rechte in ihrer Jurisdiktion verändert werden. Ansonsten könnte man per Rechtswahlklausel entscheiden, wann das Eigentum an einem Grundstück in Deutschland übergeht. Das wäre absurd, denn dann wäre das Grundbuch und jegliche Dogmatik diesbezüglich überflüssig, denn man könnte einfach zu einer Rechtsordnung ohne Register optieren. Außerdem wäre es chaotisch, wenn bei einer beweglichen Sache, die mehrfach hintereinander veräußert wird und dabei Deutschland nie verlassen hat, jedes Mal eine andere Rechtsordnung für den Eigentumsübergang einschlägig sein könnte. Dann würde es bei absoluten Rechten keinerlei Rechtssicherheit mehr geben.
Dogu
11.3.2025, 15:55:08
Hier noch ein BGH-Urteil, in dem der BGH betont, dass Art. 43 EGBGB zwingendes Recht darstellt, das nicht zur Disposition des Rechtsverkehrs steht, und dass der Eigentumserwerb bspw. auch dann ausschließlich nach französischem Recht zu werten ist, wenn die Sache vor B
esitzerlandung durch den Erwerber nach Frankreich transportiert wurde: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viiizr108_07.htm
Dini2010
12.3.2025, 08:03:48
Ich glaube, man muss hier einfach wirklich trennen zwischen dem zugrunde liegenden
Kausalgeschäft(=> untersteht dem Vertragsstatut) und der dinglichen Rechtsfolge (=> untersteht dem Sachenrechtsstatut). Sprich, alles, was die Wirksamkeit, Auslegung etc. des Kaufvertrages betrifft, läuft über Rom I. Alles, was das dingliche Geschäft und damit den Eigentumsübergang anbelagt, läut über Art. 43 I EGBGB.
Max
9.4.2025, 14:48:00
@[Sebastian Schmitt](263562) sorry fürs anpingen, das Thema müsste glaube ich aber wirklich bald behoben werden. Die Aufgaben sind sonst super, nur die Anwendung des französischen materiellen Sachenrechts kann hier nicht die richtige Lösung sein. Danke schonmal im Voraus :)