Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Streitgenossenschaft

Nachträgliche Streitgenossenschaft - keine Addition bei wirtschaftlicher Identität

Nachträgliche Streitgenossenschaft - keine Addition bei wirtschaftlicher Identität

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K erhebt Schadensersatzklage (€4.000) gegen F, weil dieser ihn beim Überqueren der Straße mit dem Auto angefahren hat. F will mit der Aussage seines Beifahrers H, der auch Fahrzeughalter ist, beweisen, dass die Ampel für ihn Grün war. Daher erweitert K die Klage auf H, der zur Sache verhandelt. ‌

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Einordnung des Falls

Nachträgliche Streitgenossenschaft - keine Addition bei wirtschaftlicher Identität

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es ist grundsätzlich unzulässig, eine Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit zu erweitern (§ 261 Abs. 2 ZPO).

Nein!

Aus § 261 Abs. 2 ZPO geht hervor, dass eine Klage auch nach deren Rechtshängigkeit objektiv oder subjektiv erweitert werden kann. Letzteres wird auch als nachträgliche Streitgenossenschaft oder nachträgliche subjektive Klagehäufung bezeichnet. F hat die Klage nach Rechtshängigkeit subjektiv erweitert. Die nachträgliche Erweiterung (§ 261 Abs. 2 ZPO) prüfst Du unter dem Prüfungspunkt „Ordnungsgemäße Klageerhebung“. Ks Klageerweiterung verspricht vorliegend nicht nur einen Titel gegen einen weiteren Schuldner, sondern ist auch prozesstaktisch klug. Dadurch hat er H als Zeugen ausgeschaltet. Denn ein Streitgenosse kann nur dann Zeuge sein, wenn die Beweistatsache ausschließlich andere Streitgenossen betrifft, was vorliegend nicht der Fall ist.
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2. Ist Ks Parteierweiterung zulässig (§§ 263, 267 ZPO)?

Genau, so ist das!

Eine subjektive Klageerweiterung nach Klageerhebung ist zugleich ein Unterfall einer Klageänderung (Parteiänderung).  Eine solche ist nach der sog. Klageänderungstheorie des BGH zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 263, 267 ZPO vorliegen: die neue Partei muss in die Klageänderung einwilligen oder das Gericht muss sie als sachdienlich erachten (§ 263 ZPO). Die Einwilligung der neuen Partei wird vermutet, wenn sie, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage einlässt (§ 267 ZPO).. Durch sein Verhandeln zur Sache, hat H sich jedenfalls rügelos auf die Klage eingelassen. Es ist damit unerheblich, ob die Klageerweiterung auch sachdienlich ist.

3. Die subjektive Klagehäufung stellt stets eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO analog dar.

Ja, in der Tat!

Jede subjektive Klagehäufung beinhaltet zugleich eine objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO. Hiernach können mehrere Ansprüche in einer Klage verbunden werden, wenn für alle dasselbe Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für beide Ansprüche folgt aus § 20 StVG. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Für beide Ansprüche ist auch dieselbe Prozessart zulässig. In der Klausur wird die Zuständigkeit des Gerichts regelmäßig schon ausführlich in der Zulässigkeit geprüft. Dann genügt ein einzelner Satz zu § 260 ZPO: „Die Zulässigkeit der in der subjektiven Klagehäufung zugleich liegenden objektiven Klagehäufung folgt aus §§ 59, 60 iVm § 260 ZPO analog“.

4. Der Zuständigkeitsstreitwert der Klage erhöht sich durch die Parteierweiterung (§ 5 ZPO).

Nein!

Bei Klagehäufungen sind die geltend gemachten Ansprüche nur dann zu addieren, wenn sie nicht wirtschaftlich identisch sind (§ 5 ZPO). K möchte von F und von H Schadensersatz für dasselbe Unfallereignis. F und H haften nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner, das heißt jeweils in voller Höhe (§ 421 BGB). Die beiden Ansprüche sind daher wirtschaftlich identisch.Da sich die Klagehäufung nicht auf den Zuständigkeitsstreitwert auswirkt und damit auch für die Zulässigkeit ohne Relevanz ist, prüfst Du sie in diesem Fall als gesonderten Prüfungspunkt zwischen Zulässigkeit und Begründetheit.

5. Ist es vorliegend entscheidungserheblich, ob die Voraussetzungen der (einfachen) Streitgenossenschaft vorliegen (§ 59 f. ZPO)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach h.M. sind die §§ 59ff. ZPO nur auf Rüge hin zu prüfen. Ein rügeloses Einlassen führt nach § 295 ZPO zur Heilung eines möglichen Mangels. H hat das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach §§ 59ff. ZPO nicht gerügt bzw. rügelos zur Sache verhandelt.Auch die Streitgenossenschaft bzw. die fehlende Rüge prüfst Du grundsätzlich getrennt von der Zulässigkeit als gesonderten Prüfungspunkt. Denn das Fehlen der Voraussetzungen führt allenfalls zur Prozesstrennung, nicht dagegen zur Klageabweisung.
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