Gesonderter Verjährungsbeginn

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B werden im Januar 2019 wegen eines am 01.07.2013 gemeinsam begangenen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) verurteilt, der erst am 15.07.2013 beendet war. A wird auch wegen eines tateinheitlichen Diebstahls verurteilt. Am 05.07.2018 war ein Durchsuchungsbeschluss gegen A ergangen.

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Einordnung des Falls

Gesonderter Verjährungsbeginn

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sowohl die Verjährungsfrist des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB), als auch die des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) betragen fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).

Ja!

Da sowohl der Diebstahl als auch der Betrug im Höchstmaß mit fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, betragen beide Verjährungsfristen fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Achtung: Die Frist bestimmt sich abstrakt nach der gesetzlichen Strafandrohung, nicht nach der im konkreten Fall zu erwartenden oder verhängten Strafe.
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2. Da Diebstahl und Betrug tateinheitlich begangen wurden, beginnt die Verjährungsfrist für beide Taten erst mit Beendigung des Betruges (§ 78a S. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar spricht § 78a S. 1 StGB von der Beendigung der „Tat“. Dies kann aber weder der prozessuale noch der materiellrechtliche Tatbegriff sein, da eine „Tat“ in diesem Sinne nicht beendet sein kann. Nur ein Delikt kann „beendet" sein. Der Zeitpunkt des vollständigen Eintritts des Tatunrechts ist von Delikt zu Delikt sehr unterschiedlich. Somit beginnt für jedes tateinheitlich verwirklichte Delikt die Verjährungsfrist einzeln. Die Verjährungsfrist des Diebstahls begann am 01.07.2013, die des Betruges mit dessen Beendigung am 15.07.13.Der Wortlaut des § 78a S. 1 StGB ist insoweit gesetzessystematisch missglückt.

3. Soweit der Diebstahl betroffen ist, muss das Revisionsgericht das Urteil wegen Verjährung aufheben und das Verfahren einstellen (§ 354 Abs. 1 StPO).

Ja, in der Tat!

Die Verjährungsfrist des Diebstahls begann mit Beendigung am 01.07.2013. Der Tag der Beendigung ist in die Frist mit einzubeziehen. Deshalb fällt das Ende der Frist auf das Ende des Tages, der dem Tag des Verjährungsbeginnes nach Fristablauf kalendermäßig vorgeht, hier der 30.06.2018 um 24 Uhr. Eine vorherige Unterbrechung oder ein Ruhen des Verfahrens liegtnicht vor. Damit steht dem Urteil in der Sache das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung entgegen (§ 78 Abs. 1 S. 1 StGB). Das Urteil ist insoweit aufzuheben und das Verfahren einzustellen (§ 354 Abs. 1 StPO).

4. Die Verjährung des Betruges wurde mit Wirkung für A und B durch den Durchsuchungsbeschluss unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB).

Nein!

Die am 15.07.2013 begonnene Verjährungsfrist des Betruges endete regulär am 14.07.2018. Ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss unterbricht aber die Verjährung der Tat (§ 78c Nr. 4 StGB). Dies gilt jedoch nur gegenüber demjenigen, der Adressat des Beschlusses ist (§ 78c Abs. 4 StGB), hier A. Auch wenn B Mittäter des A war, unterbricht der gegen A gerichtete Beschluss die Verjährung nicht für B. Der Betrug des B verjährte damit bereits am 14.07.2018. Der Verurteilung des A wegen Betruges stand das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung nicht entgegen, da durch den Gerichtsbeschluss am 05.07.2018 die Verjährung unterbrochen wurde. Diese Wirkung trat schon mit der Unterzeichnung des Beschlusses ein (§ 78c Abs. 2 StGB).

5. Erfolgt eine Maßnahme der Verjährungsunterbrechung (§ 78 Abs. 1 StGB), wird nach h.M. die Verjährung nur für das Delikt unterbrochen, auf das sich die Maßnahme bezieht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Achtung: Anders als in den §§ 78 und 78a StGB legt die h.M. im § 78c StGB den prozessualen Tatbegriff zugrunde. Wird wegen eines bestimmten Delikts die Durchsuchung angeordnet, ist die Verjährung für alle Delikte innerhalb der prozessualen Tat unterbrochen. Dies mag zunächst inkonsequent erscheinen. Aber: am Anfang der Ermittlungen fällt die rechtliche Beurteilung oft schwer. Durchsucht man wegen des Verdachts der Erpressung (§ 253 StGB) und stellt sich später heraus, dass eine räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) vorlag, wäre die Verjährung der räuberischen Erpressung durch die Dursuchung nicht unterbrochen. Dies verhindert die h.M.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURAFU

jurafuchsles

16.1.2024, 10:01:15

das gilt aber für den Diebstahl hier nicht oder? Da dieser zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon verjährt war?

JURAFU

jurafuchsles

16.1.2024, 10:01:16

das gilt aber für den Diebstahl hier nicht oder? Da dieser zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon verjährt war?

FL

flosch

17.3.2024, 15:59:46

Ausweislich Fischer § 78c Rn. 14a StGB und Kaiserskript "Die Staatsanwaltklausur im Assessorexamen" Rn. 57k unterbrechen Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnung grundsätzlich die Verjährung gegenüber allen bekannten Tatverdächtigen.

JURA

juravulpes

25.3.2024, 22:57:18

Der BGH sieht das auch so, vgl. NStZ 2011, 711.

GEI

Geithombre

14.6.2024, 17:54:42

Bin da ganz bei Euch! Eine Anpassung der Passage wäre super, das scheint mir eher eine Meinung aus der (Kommentar)Literatur zu sein. Der MüKo vertritt das in Rn. 5 aE und verweist u.a. auf Schönke/Schröder Rn. 24, der dort wiederum dies genau nicht sagt, sondern explizit für Beschlagnahme und Durchsuchung eine Unterbrechung ggü. allen Tatverdächtigen annimmt, solange keine Einschränkungen ersichtlich sind.


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