Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Die Nichtigkeit eines VA als Gegenstand der Feststellungsklage

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Die Nichtigkeit eines VA als Gegenstand der Feststellungsklage

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Baubehörde B erlässt gegenüber Frau Frühling (F) eine Rückbauverfügung für ihr Ferienhaus. Sachbearbeiterin S vergisst, die B als ausstellende Behörde auf dem Bescheid anzugeben. Als B die Vollstreckung des Rückbaus androht, meint F, dass die Rückbauverfügung nichtig ist.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Feststellungsklage: Die Nichtigkeit eines VA als Gegenstand der Feststellungsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Antrag bei der Behörde klagt F. Als statthafte Klageart kommt die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 VwGO) in Betracht.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Die allgemeine Feststellungsklage ist statthaft, wenn das Klagebegehren auf die Feststellung des Bestehens (positive Feststellungsklage) oder Nichtbestehens (negative Feststellungsklage) eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist (§ 43 Abs. 1 Var. 1 VwGO) oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts festgestellt werden soll (Nichtigkeitsfeststellungklage, § 43 Abs. 1 Var. 2 VwGO) F möchte gerichtlich festgestellt haben, dass die Rückbauverfügung (= Verwaltungsakt) nichtig ist. In Betracht kommt daher eine Nichtigkeitsfeststellungsklage.
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2. Auch bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage geht es letztendlich um das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses.

Nein!

In Abgrenzung zur Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Var. 1 und 2 VwGO geht es bei der Nichtigkeitsfestellungsklage gerade nicht darum, ein Rechtsverhältnis zu überprüfen. Ein Rechtsverhältnis kann sich nur aus einem Verwaltungsakt ergeben, der Verwaltungsakt selbst ist dagegen kein Rechtsverhältnis (sondern eben ein Verwaltungsakt). Deswegen ist für die Statthaftigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage nur entscheidend, dass sich das Klägerbegehren auf die Feststellung der Nichtigkeit eines erlassenen Verwaltungsakts richtet.

3. Erhebt der Kläger gegen einen nichtigen Verwaltungsakt (versehentlich) die Anfechtungsklage, so ist diese nach h.M. ebenfalls statthaft.

Genau, so ist das!

Richtigerweise kann und muss ein nichtiger Verwaltungsakt nicht angefochten werden, da er keine rechtliche Wirkung entfaltet. Allerdings ist für den juristischen Laien nicht ohne weiteres erkennbar, ob es sich um einen nichtigen oder lediglich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist es für den Kläger sicherer, die Anfechtungsklage zu erheben. Denn diese entfaltet, anders als die Feststellungsklage, aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Nach h.M. bleibt die Anfechtungsklage auch statthaft, wenn sich während des Prozesses herausstellt, dass der Verwaltungsakt doch nichtig war. Nichtigkeitsfeststellungsklage sind in der Klausurpraxis sehr selten. Du dürftest vom Sachverhalt geradezu dahin gedrängt werden zu erkennen, dass der Verwaltungsakt nichtig - und nicht bloß rechtswidrig - ist.

4. Um auf der sicheren Seite zu sein, kann F die Anfechtungsklage und die Nichtigkeitsfeststellungsklage gleichzeitig erheben.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Kläger kann Anfechtungs- und Feststellungsklage wegen der Gleichartigkeit des Streitgegenstands niemals gleichzeitig erheben. In Betracht kommt allerdings ein Eventualklageverhältnis nach § 44 VwGO. Der Kläger kann danach eine Haupt- und eine Hilfsklage erheben. So bietet es sich z.B. an, die Feststellungsklage gerichtet auf die Nichtigkeit des Verwaltungsakts als Hauptklage zu erheben. Die Anfechtungsklage kann dann als Hilfsklage für den Fall erhoben werden, dass die Feststellungsklage erfolglos bleibt, weil der Verwaltungsakt "nur" rechtswidrig ist. F könnte beide Klagen nur in einem Eventualverhältnis erheben.

5. Materiell-rechtlich betrachtet ist hier die Nichtigkeitsfeststellungklage nach § 43 Abs. 1 Var. 3 VwGO die statthafte Klageart.

Ja!

Begehrt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, ist die Nichtigkeitsfeststellungklage statthaft. F meint, dass der ausstellerlose Bescheid nichtig ist. Dies ist wegen § 44 Abs. 2 Nr. 1 (L)VwVfG zutreffend. Weil B bereits die Vollstreckung des Bescheids in Aussicht stellt, will F die Nichtigkeit gerichtlich bestätigt bekommen. Liegt - wie hier - offensichtlich ein nichtiger Verwaltungsakt vor, muss du keine Ausführungen zur alternativen Anfechtungsklage machen. Führe diese Überlegungen nur aus, wenn der Sachverhalt darauf ausgerichtet ist (z.B. wenn der Kläger sich unsicher ist).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

23.3.2022, 09:57:49

Ich habe gestern gelesen, dass man mit Klageerhebung gegen einen aus formale Gründen (Falschbezeichnung des Adressaten) nichtigen VA, diesen dann doch gegen ihn gelten lässt und sich damit nicht mehr auf die formal bedingte Nichtigkeit berufen kann. Ist das hierauf übertragbar?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 18:46:52

Hallo Isabell, spannender Hinweis. Weißt Du noch, wo Du das gelesen hast bzw. mit welcher Argumentation dies vertreten wurde? Grundsätzlich sehe ich hierfür keinen Anlass, denn ansonsten liefe der Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs. 2 Nr. 1 (L)VwVfG ja immer leer, wenn sich jemand auf diesen (gerichtlich) beruft. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

25.3.2022, 18:57:21

Ja. Das steht in m

ehre

ren Protokollen zu einem meiner Prüfer für die mündliche Prüfung im 2. Examen. Da es mehrfach auftaucht, habe ich eine falsche Erinnerung des Prokollanten ausgeschlossen. Habe das aber vorher auch noch nie gehört und konnte dazu auch bei einer ersten Suche überhaupt nichts finden. Leider wird das in den Protokollen nicht näher ausgeführt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 19:07:26

Also was im Zusammenhang falscher Adressat immer mal wieder relevant sein kann, ist die Frage, ob der Adressat durch Auslegung hinreichend sicher bestimmen kann, dass der Bescheid an ihn geht, obwohl sein Name falsch geschrieben ist. Dann liegt ausnahmsweise keine Nichtigkeit vor (vgl. BFH, BeckRS 2012, 95474). Etwas anderes ist mir in diesem Zusammenhang leider auch nicht geläufig. Aber falls Du hierzu noch mehr findest, freuen wir uns natürlich, wenn Du dies mit uns teilst :-)

Isabell

Isabell

25.3.2022, 19:09:11

Danke für die Info. Ich behalte das auf dem Schirm. Vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit ihn selbst danach zu fragen.

FABY

Faby

29.9.2024, 09:53:44

Hast du dazu eigentlich noch mehr herausbekommen, @[Isabell](58926)? :)


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